Die Causa Tauschitz ist ein trauriges Spiegelbild der Hybris verantwortungsloser Politiker
Die Art und Weise, wie in der Vergangenheit von hochrangigen Politikern der ÖVP, aber auch von anderen österreichischen Parteien, wichtige Postenbesetzungen in unserem Staat vorgenommen wurden, wird in den nächsten Monaten und Jahren Gegenstand juristischer Untersuchungen und eventuell eingeleiteter Gerichtsverfahren gegen die Betroffenen sein.
Auch wenn dem so ist, auch wenn abseits allen juristischen Fehlverhaltens sowie der geradezu am Fließband beteuerten Unschuldsvermutungen die moralische Dimension dieses Vorgehens ein ohnehin bereits entsetzliches Bild der politischen Machenschaften in diesem Lande abgibt, so ist die Bestellung des Kärntner Verfassungsschutz-Chefs Stephan Tauschitz als noch brisanter einzustufen als die gängige Freunderl- und Postenwirtschaft.
Nicht unähnlich der Verhaltensweisen des ehemaligen UNO-Generalsekretärs und Bundespräsidenten Waldheim, welcher im März 1943 - obwohl vor Ort und in der Funktion eines Ordonnanzoffiziers - die Deportation von Tausenden Juden in Konzentrationslager nicht mitbekommen haben will, hat auch Tauschitz während seiner Ulrichsbergreden in den Jahren 2008 und 2010, deren problematischen Inhalt ich an dieser Stelle bewusst ignoriere, seltsame sinnliche Wahrnehmungsstörungen. Er will in seiner Funktion als Klubobmann der ÖVP nicht mitbekommen haben, in welcher Gesellschaft er sich befand. Er scheint blind gewesen zu sein gegenüber dem Sammelsurium von rechtsextremen und den Nationalsozialismus huldigenden Zeichen, Symbolen und Personen, die ihn umgaben.
Lediglich „Grußworte“ habe er gerichtet, verteidigt sich der Neo-Verfassungsschutzchef. Ja, an wen denn? An die sich dort befindlichen Rechtsextremen, an die Neonazis, an jene, die die Gräueltaten, die im 2. Weltkrieg begangen wurden, verharmlosen und neue herbeisehnen?
Auch wenn die Liste der Kärntner Politiker aus verschiedenen politischen Fraktionen, welche in der Vergangenheit an diesen dubiosen Treffen teilgenommen haben, lang ist, von Josef Klaus über Leopold Wagner, Christof Zernatto bis hin zu Jörg Haider, so schließt dies keinesfalls aus, dass man aus der Geschichte lernen darf und soll.
Jeder weiß, dass insbesondere in Kärnten die politischen Verhältnisse in den Nachkriegsjahrzehnten lange Zeit von einer schweigenden und doch stets präsenten Verharmlosung der NS-Zeit geprägt waren, welche zur Folge hatten, dass selbst hohe politische Ämter aus wahltaktischen Überlegungen mit Personen besetzt wurden, die sich selbst, wie etwa der ehemalige Landeshauptmann Wagner, gerne als „hochgradiger Hitlerjunge“ bezeichneten. Man kann und muss davon ausgehen, dass nach all dem, was dieses Land auch aus diesen Gründen an Dilemmata durchgemacht hat, endlich ein Lernprozess eingesetzt hat.
Diesen muss man Stephan Tauschitz jedoch schlicht absprechen. Seine Auftritte bei den umstrittenen Treffen waren und sind der Versuch, einer gefährlichen, verantwortungslosen und rückwärtsgewandten Politik zu huldigen, die weder gestern, aber schon gar nicht mehr in der heutigen Zeit tolerierbar ist. Wer so agiert, ist als Leiter eines Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung fehl am Platz.
All jene, die diese Nominierung zum obersten Verfassungschef im Land Kärnten und auch im Bund nach wie vor gutieren bzw. mit äußerst verschwommenen und unklaren Botschaften zur Problematik glänzen, machen sich mitschuldig an der Verharmlosung einer der übelsten Verbrechen, welche die Menschheit jemals begangen hat, und sind aus meiner Sicht nicht geeignet, hohe Staatsämter zu bekleiden.
Den Ball der Verantwortung für diese Fehlbesetzung des höchsten Amtes im Kärntner Verfassungsschutz nun zwischen der Kärntner Landesregierung und dem Innenministerium hin und her zu schieben, ist nicht nur ein Ablenkungsmanöver von der eigentlichen Problematik, es ist ein hybrisches Kennzeichen unserer derzeitigen politischen Akteure im Staat.
Daran ändert auch der letzte politische Schachzug nichts, nämlich den in Kritik geratenen Tauschitz aus dem Felde der Kritik zu nehmen, indem man ihn vorübergehend einen anderen Posten zuteilt. Man setzt ihn nicht ab, man beruft ihn nicht ab, nein, er wird nur vorübergehend einer anderen Stelle dienstzugeteilt.
Diese Maßnahme macht nur dann Sinn, wenn im Rahmen einer Postenbesetzung zu klären ist, ob Vorwürfe oder Einwände berechtigt sind oder nicht. Da gibt es im Falle von Tauschitz jedoch nichts mehr zu klären, denn es ist offenkundig, dass der Genannte ob seines Verhaltens in der Vergangenheit vollkommen untragbar für dieses Amt ist. Eine Abberufung vom Amt als höchster Verfassungsschützer des Landes ist die einzige Maßnahme, die zu setzen ist. Eine solche steht nach wie vor aus.
Der Philosoph Karl Popper hat einmal gesagt, es sei falsch, sich die Frage zu stellen, wer herrschen solle. Es genüge, wenn eine schlechte Regierung abgewählt werden könne. Das sei Demokratie.
Doch leben wir noch tatsächlich in einer solchen? Angeblich ja, versichern uns die Mächtigen. Allerdings verschanzt sich diese Demokratie nach jeder Wahl bis zur nächsten, ohne dass die Bürger Einfluss auf die Regierungstätigkeit, die Besetzung von Ämtern usw. nehmen. Wie lange noch? Der Krug geht nur so lange zum Brunnen, bis er bricht - oder aber er wird im Rahmen der demokratischen Möglichkeiten zerbrochen.
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