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Gastkommentar von Hans Kohlmaier, 27.2.2023 Drucken E-Mail

 

Wann nützt die Neutralität einem Land?

Sie hilft vor allem im Krieg, wenn der Aggressor weiter weg ist, kein zentrales Interesse am Land hat, nicht allzu mächtig ist und das neutrale Land Hilfe von außen erwarten kann. Andernfalls hilft sie gar nicht, wie die entsprechenden Länder im Ersten und Zweiten Weltkrieg erfahren mußten.

Das erfolgreichste neutrale Land seit dem Zweiten Weltkrieg war Finnland, ohne offiziell neutral zu sein. Eine klar defensive, aber starke Militärpolitik, die allgemeine Ausrichtung und umfangreiche Vorbereitungen zum Schutz der Zivilbevölkerung haben Finnland das Schicksal von Tschetschenien erspart.
Jetzt wollen Finnland und Schweden in die NATO. Sie lernen aus dem Beispiel der Ukraine. Diese hatte entsprechend dem Budapester Memorandum von 1994 ihre Atomwaffen an Russland abgegeben und dafür von Russland die Souveränität und Integrität garantiert bekommen. Das Memorandum wurde als völkerrechtlicher Vertrag bei der UNO hinterlegt. Kein NATO-Mitglied hat bisher Russland angegriffen - nicht einmal in der Phase der Schwäche beim Zerfall der Sowjetunion. Umgekehrt hat jedoch Russland mehrmals Länder am Rand seines Territoriums angegriffen. Es führt die alte zaristische Tradition fort: kleinere Staaten werden so lange attackiert, bis sie Teile ihres Gebietes und schließlich die eigene staatliche Existenz verlieren.

Jetzt wird diese Strategie bei der Ukraine durchgeführt. Ist sie erfolgreich, dann kann es mit dem nächsten Land weiter gehen - bis die Landkarte der ehemaligen Sowjetunion wieder hergestellt ist.

Russland mit allen Kräften, auch mit militärischen, in der Ukraine zu bekämpfen, bedeutet daher, zukünftige weitere Eroberungskriege zu verhindern. Und das bedeutet auch mehr Sicherheit für neutrale Staaten. Wir müssen aus dem Zweiten Weltkrieg die richtigen Lehren ziehen. Je entschlossener möglichst viele Staaten den russischen Feldzug in der Ukraine bekämpfen, umso mehr werden mögliche Nachahmer abgeschreckt.
In einer Welt, in der mehrere Großmächte aggressiv vorgehen, ist die staatliche Souveränität eines der wichtigsten Prinzipien für den Frieden. So gesehen kämpft die Ukraine für den Weltfrieden und im Interesse der neutralen Länder.
Das zielt auch auf China ab, das seine Bereitschaft, Taiwan notfalls zu erobern, laut verkündet.

Natürlich ist ein Frieden durch Verhandlungen angesichts des durch den Krieg verursachten Leides höchst wünschenswert. Aber wenn er dem Aggressor einen Teil der Beute überlässt, dann ist er nur die Vorstufe zu weiteren Kriegen. Stückweise Eroberung ist ein Teil der russischen Strategie. So lange das ukrainische Volk kämpfen will, müssen wir es unterstützen. Die Ukraine hat zu entscheiden, wann sie aufhören will. Die Gefahr eines atomaren Krieges wird gerne ins Treffen geführt. Diese Gefahr gibt es, aber sie ist unwahrscheinlich. Die USA haben in Vietnam verloren und keine Atomwaffen eingesetzt. Die Sowjetunion hat in Afghanistan verloren und keine Atomwaffen eingesetzt. Russland kann seine Landgewinne in der Ukraine aufgeben, ohne Atomwaffen einzusetzen.

Wenn der Wink mit dem möglichen Atomkrieg das stärkste aller Argumente ist, dann steht die Welt vor der ungehinderten Herrschaft atomar bewaffneter Großräuber. Russland und die NATO rutschen immer mehr in eine offene Konfrontation hinein. Und wir müssen alles tun, um einen offenen Krieg dieser beiden zu verhindern. Aber wenn sich die NATO einfach zurück zieht, bedeutet das nur die nächste Konfrontation auf einer höheren und damit gefährlicheren weiteren Stufe. Denn Russland wird nach einer erfolgreichen Aggression in der Ukraine den Schluss ziehen, dass weitere Aggression eine bewiesenermaßen nützliche Strategie ist. Damit wird die Wahrscheinlichkeit immer größer, dass die Welt in einen Krieg zwischen den USA und China mit Russland als Juniorpartner gerät, wobei Russland vor allem auf Europa fixiert ist.

Wenn Russland sich durch die politische Entwicklung in der Ukraine bedroht fühlt, dann hat diese durch die laufenden Ereignisse noch viel mehr Recht dazu. Es ist daher sinnvoll und in gewisser Weise friedensstiftend, wenn sie der EU und der NATO beitreten könnte. Allerdings ist es dringend notwendig, dass NATO und Russland einen Weg der Koexistenz ohne Krieg finden. Das ist als Ziel von notwendigen zentralen Verhandlungen beider Seiten auf der obersten Ebene anzustreben. Atomare Bewaffnung und die Stationierung von Atomwaffen haben dabei große Wichtigkeit. Da hat eine europäische Friedensbewegung große Aufgaben vor sich. Eine falsche Ausrichtung der Friedensbewegung wäre ein Drängen der Bewegung zu einem Frieden, der dem Räuber einen Teil der ukrainischen Beute läßt.
Überhaupt muß sich die Friedensbewegung vor einer strategischen Falle hüten: vor lauter Sehnsucht nach dem Frieden den Großmächten zu erlauben, kleinere Staaten zu überwältigen, um ihre Großmacht-Interessen zu befriedigen - also den Weltkrieg zu verhindern. Da haben Neutralität und gelebte Blockunabhängigkeit eine wichtige Funktion. Natürlich behindert eine unabhängige Ukraine das Ziel Russlands, zum Status der Sowjetunion zurück zu kehren. Aus geopolitischen und wirtschaftlichen Gründen braucht eine Supermacht Russland die Einverleibung der Ukraine. Eine Welt, die den Frieden sucht, braucht das Gegenteil.

Mit den USA im Ukraine-Krieg teilweise zusammen zu arbeiten, bedeutet nicht die Unterordnung unter einen US-Imperialismus. Genau so wenig hat die Friedensbewegung im Vietnam-Krieg sich dem sowjetischen Imperialismus untergeordnet.

Die Ukraine ist übrigens kein faschistischer aggressiver Staat. Sie hat ein Problem mit aggressiven rechten Strömungen, aber das hat Russland in weit größerem Ausmaß.

Die Ukraine bewältigt ihr Faschismusproblem bisher. Die Wahlergebnisse dort sind ein starkes Anzeichen dafür. In Russland jedoch gewinnt die äußerste rechte Seite immer mehr an Einfluß. Siehe dazu die Dokumentationen auf ARTE.

März 2023, Hans Kohlmaier ( Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spambots geschützt! JavaScript muss aktiviert werden, damit sie angezeigt werden kann. )

 

 
Akt.Thema: Davos: Millionäre flehen um Besteuerung Drucken E-Mail

Als Gastkommentar vom 23.1.23 auch in der Wiener Zeitung: https://www.wienerzeitung.at/meinung/gastkommentare/2175408-Wenn-Millionaere-um-hoehere-Besteuerung-flehen.html

Davos: Millionäre flehen um Besteuerung

Es ist nicht ganz neu, dass Reiche höher besteuert werden wollen. Vor bereits 15 Jahren (2008) preschte der Milliardär Hans Peter Haselsteiner mit der Idee vor, den Spitzensteuersatz für hohe Gehälter wie Großverdiener und Topmanager auf 80% anzuheben. Zudem setzte er sich für eine Ertragsbesteuerung für jegliche Form des Vermögenstransfers, wie beispielsweise bei Erbschaften, ein. Seine Motive damals waren vor allem soziale Gerechtigkeit und Ausgeglichenheit sowie auch die persönliche Sicherheit, welche laut Haselsteiner dann gefährdet ist, wenn die Kluft zwischen Arm und Reich zu groß ist.

Inzwischen sind 15 Jahre vergangen. 15 Jahre, in denen die Reichen immer reicher wurden und die Mehrheit der Bevölkerung - gemessen am Gesamtvermögen in der Welt, welches noch nie so hoch war wie heute - immer ärmer. Erstaunlich ist nicht nur der Vermögenszuwachs der Reichen, sondern insbesondere auch die Tatsache, dass selbst globale Krisen, wie die Finanzkrise oder Corona, dazu beitrugen, deren Reichtum zu vermehren. Einer der Gründe dafür ist, dass gerade in Krisenzeiten die Umverteilung von staatlichen Geldern hin zu den reichsten 10% der Gesellschaften noch besser funktioniert als zu „Normalzeiten“. So konnten beispielsweise während der zweijährigen Corona-Krise die 10 Vermögendsten der Welt ihr Vermögen verdoppeln, während für 99 Prozent der Menschen in diesem Zeitraum teils starke Einbußen des Wohlstandes zu verzeichnen sind.

Aber nicht nur weltweit ist die Schere zwischen Arm und Reich ein zunehmendes Problem, auch in Österreich oder Deutschland besitzen die obersten 10% der Bevölkerung rund zwei Drittel des Vermögens, das reichste Prozent alleine ca. ein Drittel, während auf die ärmsten 50% nicht einmal 3% des Nettovermögens fallen.

Ein objektives Gesetz, wonach der Großteil des volkswirtschaftlichen Reichtums immer einer Minderheit von Menschen zukommen muss, ist mir nicht bekannt, wohl aber ein Steuersystem und problematische Strukturen, welche dafür Sorge tragen und von Regierungen demokratischer Staaten installiert und hochgehalten werden

Dieses Steuersystem muss dringend verändert werden, und zwar nicht nur weil es ungerecht verteilt, sondern auch um den Bestand der Demokratie zu gewährleisten. Die Transformational Economics Commission der Earth4All-Initiative kommt zu dem Schluss, dass die eklatante Vermögens- und Einkommensungleichheit zu sozialen Spannungen und Unruhen führen wird und die Demokratie destabilisiert.

Dies haben nun auch 30 weltweit führende Ökonomen und Wirtschaftswissenschaftler aus 16 Ländern erkannt und anlässlich des derzeit stattfindenden Weltwirtschaftsforums in Davos an die dort anwesenden Staats- und Regierungschefs einen Offenen Brief verfasst, in welchem sie vor sozialen Spannungen und Demokratieverlust warnen, wenn die Regierungen nicht endlich dafür Sorge tragen, dass dieser Umverteilung von unten nach oben, von der Masse der Menschen hin zu wenigen Vermögenden, Einhalt geboten wird.

Aber auch die Millionäre selbst haben einen Offenen Brief an die Verantwortlichen in Davos geschrieben. Die „Patriotic Millionaires“ sowie die Initiative von Vermögenden „Tax me now“, in welcher auch die österreichische Millionenerbin Marlene Engelhorn aktiv ist, fordern darin eine sofortige Besteuerung der Reichen. Der Brief schließt mit der wohl rhetorisch gemeinten Frage, was oder wer die Regierenden daran hindere.

Wie einfältig, wie zukunftsvergessen müssen Regierende sein, deren Bürger von einer Krise nach der anderen gebeutelt werden und denen das soziale Fundament der Gesellschaft - eine notwendige Bedingung jeden demokratischen Staates zusammenzubrechen droht -, diesem Begehren nicht nachzukommen!

Jänner 2023

 
Akt.Thema, 20.12.22: "Tango korrupti" - und ein Ansatz zur Gegensteuerung Drucken E-Mail

„Tango korrupti“ - und ein Ansatz zur Gegensteuerung

Seit einigen Tagen erschüttert ein Korruptionsskandal das Europäische Parlament oder besser gesagt die Bürger der Europäischen Union. In zahlreichen europäischen Ländern, etwa in Ungarn, Serbien, Rumänien, aber auch in Griechenland und Italien, ist Bestechlichkeit im öffentlichen und politischen Sektor des Landes an der Tagesordnung.

Vor einigen Wochen erklärte der ehemalige Sektionschef im Finanzministerium Thomas Wieder im „Report“, das Ausmaß an Korruption ginge auch in Österreich seit Jahren weit über die nun bekanntgewordenen Chats von Thomas Schmied hinaus und ziehe sich durch alle Ministerien und Parteien. Überrascht ist davon eigentlich niemand mehr, denn spätestens seit Straches Ibiza-Auftritt ist das Vertrauen der österreichischen Bürger in die Redlichkeit unserer Repräsentanten endgültig im Keller. Das Land taumelt von einem Korruptionsskandal in den nächsten. Politikverdrossenheit ist das Resultat, in gewisser Weise eine durchaus spürbare Ohnmacht der Bürger und Wähler dem politischen System und seinen Akteuren gegenüber.

Die Schaffung von verschiedenen Institutionen zur Korruptionsbekämpfung, das Etablieren von Ethikräten u.a.m. war bislang nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein der demokratiegefährdenden Korruptionstangos, welche fleißig weitergetanzt werden. Die langjährigen Forderungen nach wirklicher Transparenz von politischen Entscheidungsprozessen blieb im Wesentlichen ungehört. Österreich nimmt nach einer weltweit durchgeführten Transparenz-Rangliste den letzten Platz ein. Die längst überfällige Abschaffung des Amtsgeheimnisses (Informationsfreiheitsgesetz) ist seit eineinhalb Jahren in Begutachtung, aber nicht beschlossen. Eine endgültige Form des Gesetzes lässt, wie Interessen der Parteien, Länder und Gemeinden und jüngste Diskussionen darüber bereis zeigen, kaum deutliche Verbesserungen der Situation erwarten.

In dieser schwierigen Situation werden die Nachteile einer repräsentative Demokratie gegenüber dem direktpolitischen Einflussmöglichkeiten des Volkes auf das politische Geschehen besonders drastisch offengelegt. Die Geister, die der Wähler rief, wird er allzu oft bis zum nächsten Wahltermin nicht mehr los. Und es ist sogar äußerst fraglich, ob er diese Schädlinge eines demokratischen Staates selbst dann wieder los wird, denn das Wählerhirn wird manipuliert, es ist vergesslich und mitunter empfindet es die Machenschaften der Politiker bereits als vollkommen normal, da sie ja sozusagen täglich stattfinden und ein Gewöhnungseffekt eingetreten ist. Eine resignative Einstellung macht sich breit, man könne die Situation nicht ändern, ist eine durchaus gängige Haltung vieler Bürger in unserem Staat. Längst bezieht sich diese Haltung nicht nur auf strafrechtliche und moralisch bedenkliche Machenschaften unserer Politiker, sondern auch auf zahlreiche politische Entscheidungen, bei denen sich die Frage stellt, ob sie im Sinne der Mehrheit der Staatsbürger gefällt werden.

Doch, man kann, oder besser gesagt, man könnte die Situation zumindest verbessern. Denn unsere repräsentative Demokratie hat ein Problem, welches sozusagen seit Jahrzehnten die politischen Repräsentanten vor dem Bürger schützt. Dieses liegt mehr oder weniger in der Verfassung begründet bzw. in der Auslegung derselben. Im Wesentlichen besteht es darin, dass wichtige, per Verfassung eingeräumte Möglichkeiten der direkten Mitbestimmung des Volkes zahn- und wirkungslos bleiben, weil deren Einfluss auf das politische Geschehen nicht vom Volkswillen, sondern von parteitaktischen Überlegungen abhängig ist. Dies trifft insbesondere auf das Instrument des Volksbegehrens zu, dessen Inhalte und Anliegen für den Nationalrat nicht bindend sind. Letzteres gilt im Übrigen auch von der Volksbefragung, welche seit ihrer Einführung 1989 überhaupt erst einmal, nämlich 2013 zur österreichischen Wehrpflicht, durchgeführt wurde.

Das einzige Instrument, welches dem Volkswillen zum Durchbruch verhelfen kann, weil das Ergebnis vom Nationalrat umgesetzt werden muss, ist die Volksabstimmung. Diese ist allerdings nur über einen bereits vorliegenden Gesetzesbeschluss möglich und bedarf der mehrheitlichen Zustimmung der Parlamentarier. In der Geschichte der zweiten Republik kam dieses Instrument daher auch erst zweimal zur Anwendung, 1978 über die Betriebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf und 1994 über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union.
Es liegt im Wesen der repräsentativen Demokratie, dass politische Entscheidungen von den gewählten politischen Mandataren zu treffen sind, allerdings besteht überhaupt kein Widerspruch dazu, diesen Repräsentanten die Entscheidungsfindung durch eine Ausweitung der direkten demokratischen Möglichkeiten des Volkes zu erleichtern. Insbesondere dann, wenn sie in ihrer politischen Tätigkeit den Eindruck erwecken, sie agieren am Volkswillen vorbei, aus welchen Gründen auch immer.

In der 2. Republik wurden seit 1964 insgesamt 72 Volksbegehren durchgeführt. 58 Begehren wurden von mehr als 100 000 Bürgern unterzeichnet und erreichten somit die festgesetzte Mindestanzahl an Stimmen, die eine Behandlung im Nationalrat verpflichtend machen. 9 der 72 Volksbegehren wurden von mehr als 10% der Wahlberechtigten (derzeit ca. 6,4 Millionen Bürger) unterschrieben. Das ist ein beachtliches Bürgervotum, wenn man bedenkt, mit welchen Hürden die Betreiber dieser Volksentscheide im Laufe der Einleitungs- und Eintragungsverfahren zu kämpfen hatten. Allerdings blieb ein Großteil der Willenskundgebungen des Volkes abgesehen von einer Kurzzeitbehandlung im Nationalrat unbeachtet und hatte keinerlei oder nur sehr geringfügige Auswirkungen auf die konkrete Regierungsarbeit.

Es ist daher dringend notwendig, dieses Instrument der direkten Demokratie zu stärken.

Volksbegehren, welche zumindest von 10% der Wahlberechtigten unterzeichnet werden, sollten eine verpflichtende Sondersitzung des Nationalrates nach sich ziehen. Diese sollte im ORF übertragen werden, das Ergebnis der Sitzung sowie die Haltungen der einzelnen Parteien dazu sollten als amtliche Mitteilung allen Bürgern zugänglich gemacht werden.

Volksbegehren, welche zumindest die Zustimmung von 20% der Wahlberechtigten erhalten, sollten ebenso in einer Sondersitzung des Nationalrates mit amtlicher Ergebnisveröffentlichung münden, sie sollten jedoch auch zwingend eine Volksabstimmung nach sich ziehen. Eine solche könnte man nach einer Textänderung des Kernanliegens des Begehrens, welche eindeutig mit Ja oder Nein zu beantworten ist, zumindest im Rahmen der nächsten Nationalratswahl den Bürgern zur Abstimmung vorlegen, will man den administrativen Aufwand gering halten. Sodann soll das Abstimmungsergebnis für die folgende Regierung bindend sein.

Eine weitere Möglichkeit, eine Volksabstimmung sogar zeitnah zum Volksbegehren selbst durchzuführen, bietet uns die digitale Welt, zumindest zukünftig. Die Zustimmung für die elektronische Stimmabgabe ist bereits derzeit hoch in der Bevölkerung. Man kann davon ausgehen, dass trotz einiger Bedenken dieser Wahlform, die Zukunft von Wahlen davon geprägt sein wird.
Eine diesbezügliche Änderung unserer Verfassung erfordert zwar eine 2/3-Mehrheit im Parlament, will man jedoch den mündigen Staatsbürger ernst nehmen, will man verhindern, dass unsere gewählten Repräsentanten von einem Wahltermin bis zum nächsten vollkommene Narrenfreiheit haben und nach Lust und Laune am Volkswillen vorbei regieren können, dann ist die Aufwertung von Volksabstimmungen ein Gebot der Stunde.

Dezember 2022

Auch in der "Wiener Zeitung": https://www.wienerzeitung.at/meinung/gastkommentare/2172542-Tango-Korrupti-und-ein-Ansatz-zur-Gegensteuerung.html

 
Aktuelles Thema, 27.9.2022: Holt endlich das Geld dort, wo es ist! Drucken E-Mail

Die etablierte Politik befindet sich seit Jahren in einem Dilemma. Nach Jahrzehnten der nahezu ungezügelten Förderung von neoliberaler Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik zeigen sich spätestens seit der Finanzkrise die Schattenseiten eines Systems, welches sich nun - zur Aufrechterhaltung seiner geschaffenen Machtpositionen, Monopole und Pfründe - sowohl gegen die Interessen der Mehrheit der Bürger wendet, als auch in Form von immens starken Marktpositionen sowie Lobbyisten gegen ihre Schöpfer selbst, der etablierten Politik, welche ihrem Anspruch nach - zumindest in der westlichen Welt - überwiegend demokratisch ausgerichtet war und den sozialen Ausgleich auf ihre Fahnen geheftet hatte.Die Corona-Krise, der Krieg Russlands gegen die Ukraine, aber auch die klimatische und ökologische Krisensituation haben dieses Dilemma nun noch verschärft.

Ungeachtet der Frage, ob das Coronavirus jemals das von den Regierungen der Bevölkerung angedrohte Gefahrenpotential für unsere Gesellschaften in sich trug oder aber mehr mit dem eines Grippevirus vergleichbar war oder ist, haben die getroffenen politischen Entscheidungen in dieser Zeit sowohl in der EU als auch in allen westlichen Staaten enorme Kosten verursacht.

Nach Agenda Austria resultieren daraus allein in Österreich bis 2024 Wohlstandsverluste von ca. 175 Mrd Euro, die Staatsausgaben dafür betrugen bis dato ca. 70 Mrd Euro. Die Höhe dieser Beträge wird einem bewusst, wenn man bedenkt, dass das Staatsbudget Österreichs für 2022 laut Budgetentwurf einnahmeseitig mit 86,4 Mrd veranschlagt ist. Die Verschuldung des österreichischen Staates beträgt derzeit 344 Mrd Euro, das sind 80% des BIP. Interessanterweise sind die Vermögen der 100 reichsten Haushalte in Österreich während der 2 Jahre Corona-Krise um ungefähr 30% gestiegen, während der Großteil der Bevölkerung immer weniger besitzt und derzeit über 1,5 Millionen Bürger in unserem Land als armutsgefährdet gelten, also nach dem von der EU gesetzten Standard über ein Einkommen von 1126 Euro verfügen. Das ist bereits jeder 6. Bürger des Staates.

Der Krieg in der Ukraine und dessen Auswirkungen sind vielfältiger Natur, wie der normale Staatsbürger täglich erfahren muss. Laut Agenda Austria bringt zwar die hohe Inflation dem Staat heuer und im nächsten Jahr Mehreinnahmen von ca. 11 Mrd Euro, sie bringt allerdings zahlreiche Bürger an den Rand ihrer Existenz und enteignet still und heimlich große Teile des Mittelstandes. Auf der anderen Seite stehen wiederum Konzerne, allen voran die Energiekonzerne, aber auch Rüstungs-, Lebensmittel- und Saatgutkonzerne, die in hohem Maße Profiteure des Krieges sind. Ihre Gewinne explodieren förmlich.

Gleichzeitig verursacht die dringend notwendige Energiewende enorme Kosten, welche ebenfalls der normale Staatsbürger zu tragen hat bzw. zu tragen haben wird, vor allem deshalb, weil sie nicht ausreichend einhergeht mit einem systemischen Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft. Auch hier überwiegt kurzfristiges Profitdenken von Wenigen und nicht das Wohl aller Bürger in Hinblick auf eine lebenswerte Zukunft.

Die Regierungen der Staaten sind längst in Geiselhaft des Finanzkapitals, der wirklich Vermögenden sowie der großen Konzerne. Und sie agieren in erster Linie in deren Interesse. Die Steuerlast der einzelnen Haushalte ist mit Ausnahme der Lohnsteuer nicht progressiv gestaltet, was einerseits dazu führt, dass die ärmsten 10 Prozent in etwa gleich hoch besteuert sind als die reichsten 10 Prozent, berücksichtigt man auch Umsatzsteuer und die Beiträge zur Sozialversicherung. Auch Einkünfte aus Kapital sind nicht progressiv besteuert, sondern unabhängig von der Höhe der Dividenden bzw. Einkünfte mit 27,5%. Die Einnahmen aus der Körperschaftssteuer machen in unserem Land ca. ein Drittel der Einnahmen aus Lohnsteuern aus. Und immer wieder stoßen Regierungen vor, um diesen schlechten Wert durch eine Kürzung der Körperschaftssteuer zusätzlich zu verringern. Vermögenssteuern sind für die österreichischen Regierungen gleichsam ein Tabu, seit knapp 15 Jahren gibt es weder eine Schenkungs- noch eine Erbschaftssteuer, obwohl das reichste Prozent der Österreicher an die 50% des Gesamtvermögens besitzt und durch die staatliche Umverteilungspolitik von unten nach oben noch ständig an Vermögen zulegen kann. Machten vermögensbezogene Steuern in den 60er-Jahren noch 4% des Steueraufkommens aus, so liegt dieser Wert derzeit bei knapp 1 Prozent, hauptsächlich eingehoben über die Grundsteuer, wo er jedoch vielfach nicht die wirklich Vermögenden trifft.

Während also die Durchschnittsbürger unter der Steuerlast stöhnen und bedingt durch die hohe Inflation sich immer schwerer dabei tun, sich selbstverständliche Grundbedürfnisse wie Wohnen oder Heizen leisten zu können, werden die Reichen und Vermögenden immer reicher. In vielen wichtigen Bereichen des Staates fehlt es mittlerweile an Geld, so etwa in der Gesundheits- und in der Bildungspolitik. Diese Aushöhlung des Sozialstaates geht wiederum zu Lasten derer, die ohnedies bereits genug an Steuern zahlen, die Vermögenden sind darauf nicht angewiesen. Sie zahlen sich ihre Privatschulen und private Krankenversorgung selbst.

Das Vertrauen der Bürger in diese etablierte Politik und in die staatlichen Instanzen bröckelt seit geraumer Zeit, nicht nur in Österreich, sondern europa- und weltweit. Politische Skandale sowie Politiker, die unter Korruptionsverdacht stehen, bewirken eine weitere Abkehr zahlreicher Bürger von der Demokratie und ihren Institutionen. Das ist eine gefährliche Entwicklung und will man ihr nicht früher oder später durch Polizei- und Militärgewalt Einhalt gebieten, dann muss man jetzt politisch handeln und sich die Einnahmen, welche der Staat zur Erfüllung seiner vielfältigen Aufgaben zum Wohle aller Menschen im Staat benötigt, sich endlich dort holen, wo die Anhäufung von Vermögen besonders hoch ist. An dieser Besteuerung von Vermögen führt kein Weg vorbei, will man die Demokratie als Staatsform retten und die Aufgaben meistern, welche vor uns liegen.

27.9.2022       Gerhard Kohlmaier

 
Woko vom 23.2.2022:Dem Charakter eines "Hohen Hauses" unwürdig Drucken E-Mail

Dem Charakter eines „Hohen Hauses“ unwürdig

Unsere Parlamentarier geben bei jeder Parlamentssitzung ein jämmerliches Bild einer demokratiepolitisch sinnvollen Lösungsfindung für anstehende Problemlagen ab. Dieses Zerrbild jeglicher Art von Regeln einer vernünftigen Kommunikation wird auch in regelmäßigen Abständen vom ORF in die Wohnzimmer der Bürger übertragen. So wieder einmal in den jüngsten Plenarsitzungen zu den Themen „Arbeitsmarkt“, „Europa“ und den Volksbegehren „Impfpflicht. Striktes Nein“ und „Kauf regional“.

So lobenswert es ist, dass durch diese Übertragungen den Bürgern ein Bild von der „Arbeit“ unserer Parlamentarier gegeben wird, so erstaunlich ist andererseits die Tatsache, dass in einer funktionierenden Demokratie die Bürger selbst den Protagonisten dieses nahezu absurden Schauspiels offenbar bewusstlos folgen.  

Ein Volksvertreter nach dem anderen erhebt seine parteipolitisch getönte Stimme und richtet diese an das Plenum. Doch niemand hört zu. Ein Teil der Abgeordneten ist ständig abwesend, ein weiterer in Gespräche mit anderen vertieft. Zahlreiche gewählte Mandatare überprüfen offenbar ihre eigenen Chatverläufe am Handy, wieder andere widmen sich einer sicherlich spannenden Lektüre oder geben sich einem kurzen Nickerchen hin. Aber fast niemand hört dem Redner wirklich zu.

Interessant ist jedoch, dass ab und zu, nämlich immer dann, wenn der Redner eine kurze Pause einlegt, um zu atmen, oder seine Stimme zur Intonation anhebt, Applaus ertönt. Gleich einer Initialzündung sind dann die Mitglieder der Fraktion des Redners darauf konditioniert, das nicht Gehörte durch ihr Klatschen zu unterstützen. Die den anderen Fraktionen zugehörigen Volksvertreter sind sozusagen selbst von diesem Automatismus befreit und können weiterhin jenen Interessen nachgehen, welche mit dem eigentlichen Sinn der Veranstaltung nichts zu tun haben.

Zuhören ist ein wesentlicher Bestandteil einer gelungenen Kommunikation. Die Parlamentarier treten dieses Prinzip mit Füßen. Konsequenzen gibt es keine. Dieses Nichtzuhören wird etwa nicht wie in der Schule oder bei jeder vernünftigen Diskussion geahndet, ganz im Gegenteil. Der den Vorsitz solcher Plenarsitzungen innehabende Präsident selbst sendet nämlich sowohl mimisch als auch gestisch Signale aus, dass das Gesprochene belanglos und zuzuhören so etwas wie ein kaum wünschenswerter Luxus ist.

Auch die einzelnen Redner liefern nahezu ausnahmslos Paradebeispiele für ein Kommunikationsverhalten, welches alle Regeln einer gelungenen Kommunikation außer Acht lässt. Da stehen teils haarsträubende Verallgemeinerungen an der Tagesordnung, Konkretisierungen der Problematik sind die Ausnahme. Im Zentrum der Reden steht die Kritik an getroffenen Maßnahmen und Entscheidungen, nicht aber die Lösung von Problemlagen.

Es ist davon auszugehen, dass unseren Abgeordneten, sowohl diesen am Rednerpult als auch jenen im Plenum, bewusst ist, dass durch die TV-Übertragung solcher Plenarsitzungen eine besondere Art der Öffentlichkeitswirksamkeit ihres Tuns bzw. Nicht-Tuns gegeben ist. Dieser Umstand scheint ihnen entweder egal zu sein, oder aber sie sind unfähig zu erkennen, welches bedauernswertes Bild sie dabei abgeben. Beides ist jedoch nicht nur dem Charakter eines „Hohen Hauses“ unwürdig, sondern stellt auch einen Affront gegenüber jeden Bürger dieses Landes dar. Es wäre höchst an der Zeit, für Änderungen dieses beschämenden Verhaltens unserer Volksvertreter zu sorgen, denn offensichtlich sind sie selbst dazu nicht in der Lage.

 
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