Christian Felbers Friedensillusion
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In den letzten Jahren ist die Diskussion darüber, mit welchen Mitteln eine weltweite Friedenssicherung erreicht werden könnte, angeheizt durch Kriege zwischen Russland und der Ukraine und in letzter Zeit durch Konfliktherde und Kriege im Nahen Osten, nahezu explodiert. Dass neben den erwähnten und in der Medienberichterstattung ständig präsenten Konflikten aber ein großer Teil der stattfindenden zwischen- und innerstaatlichen Konflikte in Afrika und Asien von der europäischen Öffentlichkeit nahezu unbemerkt stattfinden, ist eine nicht unbedeutende Tatsache, denn Kriege scheinen die Menschen erst dann zu interessieren, wenn sie in irgendeiner Form davon betroffen sind.
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Nun hat insbesondere der jüngste NATO-Beschluss in Den Haag, die Rüstungsausgaben der Mitgliedsländer bis 2035 zu erhöhen, zahlreiche Aktivisten auf den Plan gerufen, sich dazu zu äußern, darunter auch den Initiator der Gemeinwohl-Ökonomie und ATTAC-Mitbegründer Christian Felber.1)
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Er spricht dabei von einem „überstürzten Zugeständnis an Trump“, wohl wissend, dass die USA auch unter den Präsidenten Obama und Biden höhere Rüstungsausgaben der anderen NATO-Staaten gefordert haben. Ein nicht gänzlich auszuschließender Angriff Russlands auf einen oder mehrere NATO-Staaten sei dafür „das ganze Argument“, behauptet Felber und spricht von einer „Aufrüstungsspirale“, welche in Gang gesetzt werde. Davon kann allerdings im Moment zumindest keine Rede sein. Der Großteil der NATO-Staaten hat seine eigene Wehrfähigkeit in den letzten Jahrzehnten derart vernachlässigt, dass sie ohne Unterstützung durch die USA nicht in der Lage wären, einen Aggressor ernsthaft aufzuhalten bzw. diesen vor einen Angriff abzuschrecken. Es wird also ein längst fälliger Schritt nachgeholt, zu welchem die einzelnen Staaten sich in ihren Verfassungen auch bekannt haben. Im übrigen gilt dies auch für Österreich, welches sich sogar als neutraler Staat gemäß Artikel 9a des Bundesverfassungs-Gesetzes zu diesem Schutz seiner Einwohner vor einem Aggressor verpflichtet sieht. Ja, und schließlich ist das „ganze Argument“ auch das derzeit entscheidende, nimmt man die Drohungen Putins und seine imperialistisch geprägte Politik ernst. Wer das nicht tut, verkennt nicht nur die konkrete Situation, sondern hat offenbar auch das imperialistische Ausmaß der Zarenzeit sowie der Sowjetunion verdrängt.
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Felber setzt sich unkritisch und realitätsverweigernd auf einen vollkommen verwaschenen Friedensbegriff der derzeitigen Friedensbewegung, wenn er auf dem „Weg zum ewigen Frieden“ ein Konzept zu entwickeln versucht, welches nahezu absurd anmutet.
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So sollten die derzeit vorhandenen neutralen Staaten andere Staaten ebenfalls zur Neutralität ermutigen. Er meint also in Europa Österreich, die Schweiz, Monaco, Liechtenstein, Moldau und den Vatikan, außerhalb Europas wären dies beispielsweise Costa Rica, die Mongolei oder Turkmenistan. Die Schweiz ist bis auf die Zähne bewaffnet, Österreich schielt in der Außenpolitik immer mehr nach einem europäischen Verteidigungsbündnis, andere, ehemals neutrale Staaten wie Finnland oder Schweden sind inzwischen NATO-Mitglieder. Die Mongolei stärkt gerade ihre Verteidigungsfähigkeit durch eine Zusammenarbeit mit Vietnam, Turkmenistan baut seit Jahren seine militärischen Kapazitäten aus und hat mit etwas über 7 Millionen Einwohner bereits an die 700 Panzer. Wovon Felber hier spricht, ist im Bereich von Märchen anzusiedeln, weist jedoch keinen Bezug zur politischen Realität auf.
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Auch der Vorschlag, ein Kriegsverbot ohne UN-Mandat in Verfassungen festzuhalten, wird vor allem autokratische Staatsführer wenig beeindrucken. Dass „Militärbündnisse jenseits der UNO verlassen“ werden sollten, mag zwar auch einem Felber’schen Traum entsprungen sein, die Realität ist jedoch genau eine entgegengesetzte, immer mehr Staaten treten Bündnissen bei oder versuchen solche aufzubauen, wie zum Beispiel innerhalb der EU.
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Dass Felber auch für Abrüstungsgespräche eintritt, ist Mainstream auch unter jenen, die das eigene Land wehrfähig sehen möchten. Das eine schließt das andere nicht aus.
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Insgesamt hat Christian Felber versucht eine Friedensvorstellung zu verbreiten - in welchem Interesse auch immer -, welche im Wesentlichen die faktische Realität ausblendet und eher eine problematische Illusion entwickelt, aber nicht eine Vision.
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1) https://www.derstandard.at/story/3000000276267/friede-durch-aufruestung
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Gerhard Kohlmaier, 3.7.2025
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