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Griechenland heute: eine Warnung für die Bevölkerung Europas Drucken E-Mail

 

Ein einmonatiger Aufenthalt in Griechenland - ich unternahm eine Rundreise am Peloponnes und war auch drei Tage in Athen - demonstrierte mir die Auswirkungen neoliberaler Politik auf Kosten der Mehrheit der Menschen. Die Sparpolitik, die man den Griechen als Gegenleistung für die Geldhilfe aufgezwungen hat und die in erster Linie durch Lohn- und Pensionskürzungen sowie den verschärften Abbau von Sozialleistungen die Mehrheit der Lohnabhängigen und Pensionsbezieher trifft, führt zur spürbaren Verarmung großer Teile der Bevölkerung. Während ein Großteil der vermögenden Griechen das Land entweder bereits verlassen haben oder zumindest ihr Vermögen, welches bisher kaum versteuert wurde, ins Ausland geschafft hat, wird nun ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung an den Rand ihrer materiellen Existenz gedrängt.

Der Tourismus am Peloponnes, eine bedeutsame Einnahmequelle für zahlreiche Griechen am Land, ist nahezu vollkommen zusammengebrochen. Dass ich in früher von zahlreichen Touristen aufgesuchten Orten der einzige Ausländer war, entsprach der Regel. Aber auch die griechischen Touristen - vor allem aus den großen Städten reisten die Griechen bisher gerne die ein oder andere Woche ans Meer oder verbrachten zumindest ein Wochenende dort - blieben aus. Allzu viele können sich solche Erholungsphasen nicht mehr leisten. Die Verkehrsfrequenz auf den Straßen ist spürbar geringer geworden. Viele Menschen, die in den Bergen wohnen, beziehen eine Pension von € 270.- Bei Lebensmittelpreisen wie bei uns wissen sie nicht mehr, wie sie die Ausgaben des täglichen Lebens bestreiten sollen. Auch die für diese Leute bisher getätigte Hilfestellung seitens ihrer Kinder, die in den Städten arbeiteten, bleibt vermehrt aus, weil diese selbst arbeitslos sind.

In Athen spürt man die um sich greifende Armut hautnah. Bettler, wohin man sieht, zahlreiche Menschen, die auf den Straßen oder in Häuserruinen schlafen, Geschäfte, die geschlossen haben bzw. schließen. Ein weiteres Problem stellt die zunehmende Kriminalität dar. Überfälle auf Passanten am helllichten Tag, Einbrüche in Geschäfte, Zunahme der organisierten Kriminalität.

In dieser kurz beschriebenen Situation macht die EU und die griechische Regierung weiterhin Druck auf all jene Bürger, die noch nicht ganz verarmt sind. Während man die Obdachlosen und Mittellosen längst ihrem Schicksal überlässt, fordert man von den Erwerbstätigen noch mehr Opfer. Dazu bediente man sich den ganzen Juli über des Damoklesschwertes der vollkommenen Staatspleite und des Austritts aus dem Euro-Raum. Weitere Einschnitte für die Bevölkerung, ein weiteres Belastungspaket im Umfang von 11,5 Mrd. € für die nächsten zwei Jahre wurde am 2.8. von der Regierung angekündigt. Und die neoliberalen Akteure der EU und des IWF zeigen sich zufrieden.

In dieser Situation reagiert der griechische Durchschnittsbürger - wie auch die Mehrheit der Bürger in allen EU-Staaten - nicht solidarisch, nicht im Sinne eines funktionierenden Gemeinwesens, aber auch nicht politisch. Nein, sein Denken und Handeln kreist einzig und allein um die Frage, wie er selbst in dieser Situation dem drohenden Schicksal der Verarmung entrinnen kann. Statt sich gegen die alltäglich wirksame Korruption von Politik- und Wirtschaftsbossen, aber auch der Beamtenschaft im Land zu stemmen, wird er selbst korrupt bzw. betrügt er den Staat, wo er nur kann. Je mehr der Durchschnittsgrieche von der Steuerlast bedroht wird, umso mehr, vor allem wenn es um das materielle Überleben geht, ist er zur Steuerhinterziehung bereit. Und auf den ersten Blick ist seine Argumentation auch noch verständlich: Einem Staat, in welchem die Steuergelder zu einem großen Teil nicht den Bürgern in Form einer funktionierenden Infrastruktur, einer guten Gesundheits- und Altersversorgung, einem guten staatlichen Bildungssystem zugute kommen, sondern in dunklen Kanälen verschwinden und zur Bereicherung einiger weniger dienen, muss man betrügen. Auf den zweiten Blick jedoch ist diese Sichtweise kontraproduktiv, führt sie doch über kurz oder lang weder zur Veränderung der Strukturen im Staatsgebilde noch zur langfristigen Absicherung bzw. Verbesserung der eigenen Situation. Im Gegenteil: der Einfluss des Staates wird dadurch noch mehr zurückgedrängt, die Stunde der Privaten hat geschlagen.

Die Vereinfachung der Lizenzvergabe für ausländische Unternehmen ist Bestandteil des neuen „Reformpaketes“ der Regierung, die Privatisierung der nationalen Eisenbahnorganisation TRAINOSE sowie deren Instandhaltungsbereichs ROSCO ist bereits auf Schiene gebracht. Nach der Schließung von nahezu allen Eisenbahnstrecken am Peloponnes kann nun der Ausverkauf lukrativer Strecken beginnen. Im Bereich der privaten Liegenschaften entlang der Küste tut sich für das internationale Finanzkapital ein wahres Eldorado an Möglichkeiten auf. Bereits jetzt können viele Griechen, die in den letzten Jahren in den Tourismus investiert haben - sei es in Form des Baus von Appartements, Hotels oder Gründen in Strandnähe - ihre Kredite nicht mehr bedienen. Ein Ausverkauf von gut gelegnen Liegenschaften ist nur noch eine Frage der Zeit. Dann werden auch sicherlich Baugenehmigungen, die den Einheimischen bisher teilweise verwehrt wurden, an internationale Konzerne vergeben werden. Die ansässige Bevölkerung darf dann in diesen „Wohlfühloasen“ zu Dumpinglöhnen ihren Lebensunterhalt verdienen.

Die in österreichischen Letztklassezeitungen so gerne zitierten „Pleitegriechen“ sind im Wesentlichen Opfer einer neoliberalen Politik, welche auch in allen anderen europäischen Ländern zielstrebig nach Erweiterung ihrer Finanzinteressen schielt. Während Milliarden und Abermilliarden von Geldern diesem Finanzkapital weiterhin zugeführt wird, hat der griechische Durchschnittsbürger nichts von diesen „Finanzspritzen“. Die griechischen Politiker fungieren dabei wie der Rest der europäischen Regierungen als Erfüllungsgehilfen des Kapitals.

Nach einer aktuellen Studie eines ehemaligen McKinsey-Managers liegen mehr als 20 Billionen Dollar in Steueroasen (Kurier, 4.8.2012). 20 000 000 000 000 Dollar -  zusammen mit den in den letzten Jahren angehäuften Vermögenswerten von wenigen Prozent der Bevölkerung - Geld genug, um die Krise in den Staaten zu beenden. Was wir dafür brauchen, ist nichts anderes als eine andere Steuerpolitik. Die Staaten müssen sich die Gelder dort holen, wo sie sind, dort, wo sie über aberwitzige, durch die Politik ermöglichte Machenschaften und Gesetze angehäuft werden konnten.

Ob dies mit diesen Politikern machbar ist, welche die Weichen für diese Vorherrschaft des internationalen Finanzkapitals gestellt haben, machbar ist, darf bezweifelt werden. Genau so muss jedoch auch in Frage gestellt werden, ob der individuelle Überlebenskampf des Einzelnen in der Gesellschaft (egal ob in Griechenland oder in anderen westlichen Staaten) ihn vor der Auslieferung seiner Lebensbedingungen an die Interessen dieses Kapitals bewahren kann.

Griechenland ist somit - nach zahlreichen anderen Staaten dieser Welt -  nicht mehr als ein weiteres Beispiel für die Vorherrschaft neoliberalen Besitzstrebens im Sinne der Theorie Friedmans über die Interessen der Bevölkerung hinweg. In dieser Situation ist Solidarität mit den Griechen letztlich Solidarität mit uns selbst, denn die Griechen von heute werden die Europäer von morgen sein.


F.d.I.v.: Mag. Gerhard Kohlmaier, Steuerinitiative im ÖGB, Wehlistr. 150/73, 1020 Wien, 4.8.2012


 

 
Steuerini-Sommerpause Drucken E-Mail

Liebe Leser der "Steuerini"-Hompage!

Auch ich mache einmal Urlaub. Daher wird die Homepage zwischen 1. Juli und 2.August nur sehr unregelmäßig aktualisiert. Auch die regelmäßige Erscheinung der Wochenkommentare ist in dieser Zeit nicht gesichert.

Ich wünsche Ihnen allen einen erholsamen Sommer.

Mit Steuerini-Grüßen

Mag. Gerhard Kohlmaier

 
Für diese Politik werden die Regierungen zur Verantwortung gezogen werden! Drucken E-Mail

 

Für diese Politik werden die Regierungen zur Verantwortung gezogen werden!

Ganz Europa stöhnt unter der Last von Schuldenbergen, allen voran sind es die Schulden der Banken, welche seit Jahren nun auch die Haushaltsschulden der Staaten explodieren lassen. Immer undurchsichtiger werden die Konstruktionen der Politiker, mit denen den europäischen Bürgern das Geld für Spekulationen des Finanzkapitals aus den Taschen gezogen wird. Nationale Sparpakete, EFSF, EFSM, ESM, Fiskalpakt - unter diesen, für die Mehrheit der Bevölkerung inhaltlich kaum transparenten Umverteilungskonstruktionen, die durch politische Beschönigungsreden der Regierenden für viele Menschen den Charakter einer aus Solidaritätsgründen mit in budgetäre Not geratenen Nachbarstaaten und deren Bevölkerung erforderlichen Hilfsaktion bekommt, hat man bewusst einen Kreislauf in Gang gesetzt, aus dem es kein Entkommen zu geben scheint.

Das Finanzkapital, diese für viele Menschen so unbekannte Größe, ist nichts anderes als das den Banken und Investmentgesellschaften zur Verfügung gestellte Geld, welches sich ursprünglich aus den Gewinnen des Wirtschaftsprozesses zusammensetzt, den Weg in den Wirtschaftskreislauf jedoch zunehmend meidet, weil sich seine Vermehrung durch spekulative Investments gelohnt hat und immer noch lohnt. Auf diese Weise konnte sich dieses Kapital in der Zeit des Wachstums von selbst vermehren. Die Absurdität der Geldvermehrung durch Geld und nicht durch Arbeit wurde durch die Hilfestellung der europäischen Regierungen im Sinne der Zulassung von dubiosen Finanzkonstruktionen sowie durch Gesetze, welche den Staaten selbst den Zugriff auf dieses Finanzkapital zunehmend unmöglich machte, nicht nur zur dominanten Wirtschaftsform, welche sich zunehmend von der Realwirtschaft loslöste, sondern auch zu einem die Politik der Länder bestimmenden Machtfaktor.

Dieses Finanzkapital treibt nun die europäischen Politiker, ihre eigentlichen Schöpfer, als Vasallen vor sich her und bedient sich dieser. Die Politiker hingegen geben vor im Sinne einer scheinbar vom Volk selbst gegebenen Legitimation als dessen Repräsentanten zu handeln. Dass sie jedoch längst nicht mehr im Interesse der Mehrheit der Bürger handeln, sondern immer deutlicher die Interessen des Finanzkapitals vertreten, wird zwar den Bürgern immer bewusster, allerdings werden seitens der Regierungen sowohl die Hintergründe und Zusammenhänge der Krise so sehr vernebelt, dass der Durchschnittsbürger nur schwer einen Überblick darüber gewinnen kann. Dazu kommen die in einer Zeit der wirtschaftlichen Rezession bestimmenden Ängste der Menschen um die eigene Zukunft, welche einen klaren Blick auf das Geschehen erschweren und an Stelle der politischen Einflussnahme die individuelle Suche nach den besten Bedingungen unter eben diesen politischen Verhältnissen treten lässt. Schließlich haben die Regierungen selbst die Einflussbereiche der Bürger auf die Politik so sehr zurückgedrängt, dass Mitbestimmung zur leeren Worthülse entartet ist.

Vor diesem Hintergrund beschließen die Regierungen nun die diversen Belastungspakete, genannt „Sparpakete“. Diese Bezeichnung ist allerdings irreführend, denn in Wahrheit handelt es sich dabei überwiegend um Enteignungspakete, welche zunehmend mehr Bürger an den Rand ihrer Existenz bringen. Seit nunmehr über vier Jahren, seit dem Ausbruch der so genannten „Krise“, zeigt sich, dass die Regierungen einen Kreislauf in Gang gesetzt haben, der für die Bevölkerung in einem Fiasko enden muss. Anstatt die Möglichkeiten der Machenschaften des Finanzkapitals zu beschränken, wurden sie in Wahrheit erweitert. Statt die Umverteilung der gesellschaftlichen Wertschöpfung von Unten nach Oben, von Arm zu Reich, von der Mehrheit der Menschen hin zu einer Minderheit, umzukehren, wird diese Entwicklung nun entscheidend verstärkt, indem unter Mithilfe der Regierungen ganze Volkswirtschaften im Interesse des Finanzkapitals einer modernen Form der Versklavung ausgesetzt werden. Über diese Enteignungspakete führen die Staaten unter unterschiedlichen Bezeichnungen dem Finanzkapital neues Geld zu. Die Folge davon sind neuerliche, teils höchst riskante Spekulationen - von den Regierungen legalisierte Casinospiele mit Nahrungsmittelpreisen, neue undurchsichtige Finanzprodukte, Währungsspekulationen und schließlich Wetten auf unterschiedliche Entwicklungen, wie zum Beispiel auf den Ruin von ganzen Staaten. Für das Finanzkapital sind somit rosige Zeiten angebrochen, denn wenn man ein glückliches Händchen im Casino der Finanzplätze hat, kann man nach wie vor gigantische Summen verdienen und somit seine eigene Macht und den Einfluss auf Regierungen noch vermehren, hat man jedoch einmal falsch gewettet, dann sorgen die als Vasallen funktionierenden Regierungen für das Abdecken der Verluste durch die Steuerzahler und für neues Kapital, das man setzen kann.

Damit das „Belastungsprogramm“ nicht sofort auf Widerstand der Betroffenen führt, bedient man sich seitens der Regierungen der scheibchenweise Demontage von Arbeitnehmerrechten. Seit Jahren sind Kürzungen von Zulagen, Lohnabschlüssen unter der tatsächlichen Inflationsrate, die Erhöhung der Steuer- und Abgabenbelastung für die Mehrheit der Bevölkerung Realität.

Im Bildungsbereich errichten Regierungen - ebenfalls scheibchenweise - unter dem Titel „Bildungsoffensive“ eine staatliche Einheitsschule, man betreibt in Wahrheit eine Bildungsdefensive, die ebenso wie die Einschnitte im Gesundheitsbereich zu einem Zweiklassensystem führen werden. Ein gutes Bildungsangebot, eine optimale Gesundheitsversorgung in Zukunft für all jene, die es sich leisten können, ein Grundversorgungsangebot für den Rest der Bevölkerung.

Nun soll der nächste Schritt folgen: der Angriff auf die von den Arbeitnehmern mühsam errungenen Sozialleistungen.

Die OECD spricht sich beispielsweise bereits für ein Pensionsalter von 70 Jahren aus und  empfiehlt zudem den jungen Menschen von heute die Eigenvorsorge, weil die staatliche Pension in Zukunft nicht mehr zur Lebenssicherung im Alter ausreichen werde. Zur Stützung der Forderung wird mit Datenmaterial manipuliert, die demographische Entwicklung unseriös dargestellt. Vergleiche mit unter 20-jährigen, bei denen um 1900 auf Grund der hohen Kindersterblichkeitsrate die Lebenserwartung vergleichsweise gering war, Datenmaterial, welches Schwerarbeiter und Begüterte in einem Topf wirft, dient dazu, die durchschnittliche Lebenserwartung in die Höhe zu schrauben. Volkswirtschaftlich gesehen wesentliche Parameter werden dabei bewusst ausgeblendet.

Diese Eigenvorsorge entartet zur Vorsorge für das Finanzkapital, denn dieses verfügt zunächst einmal über Jahrzehnte hinweg über diese Gelder. Wohin das in den letzten Jahren geführt hat, zeigt die Zeitung „Die Welt“ an einem Beispiel: In den letzten 14 Jahren haben sich die Pensionsfondsanteile eines „Vorsorgers“, der monatlich € 50.- eingezahlt hat, also insgesamt € 8400.- , nicht, wie versprochen, verdoppelt, sondern sie sind im Moment € 7200.- wert. (Die Welt, 15.6.2012) In Österreich hat diese „Vorsorge“ den Leistungsbeziehern bei den Betriebspensionen seit 2000 mehr als 50% Verluste gebracht (Kurier, 29.11.2011).

Gleichzeitig wird dem staatlichen Umlagesystem durch die staatliche Förderung der kapitalgedeckten Eigenvorsorge Geld entzogen. Nach dem Motto: Alles für das Finanzkapital, kaum mehr etwas für die Mehrheit der Menschen setzt man auch im Sozialbereich eine Politik fort, welche in dieser Form längst nicht mehr hinzunehmen ist.


Die europäischen Regierungen haben in den letzten Jahren gezeigt, dass sie zu einer Trendwende nicht bereit sind. Und sie haben auch vorgesorgt. Die EU-Battlegroups stehen nicht nur für internationale Kampfeinsätze bereit, sie können seit dem Vertrag von Lissabon auch innerhalb Europas eingesetzt werden, beispielsweise gegen Demonstranten. Sie könnten im Fall von sozialen Unruhen gegen das eigene Volk zum Einsatz gebracht werden. Österreich will ab 1. Juli 2012  wieder einige hundert Soldaten für Einsätze zur Verfügung stellen. Dass eine solche Teilnahme unserer Verfassung und unserem Status als neutrales Land widerspricht, scheint unserer Regierung vollkommen egal zu sein. Auch an diesem Beispiel wird klar, in wessen Interesse diese Regierung agiert.

Erfreulicherweise nimmt der Widerstand gegen diese neoliberale Politik in allen Ländern zu. Immer mehr Menschen erkennen, wohin dieser Weg des Regierens im Interesse des Finanzkapitals führt: zunächst einmal zu destabilisierenden Verhältnissen, zum Abbau von demokratischen Einflussmöglichkeiten, zu griechischen Verhältnissen, in weiterer Folge wohl auch zu spanischen, italienischen, portugiesischen und gesamteuropäischen mit einer nicht mehr zu bewältigenden Staatsverschuldung, einem Kaputtsparen der eigenen Bevölkerung und Wirtschaftsleistung, hoher Arbeitslosigkeit, Verlust der Alters- und Gesundheitssicherung usw.

Sparen ist an sich eine gute Sache. Aber einerseits kommt es darauf an, wo und wie man spart, andererseits ist es für den Zweck des Sparens entscheidend, wo und wie man das Gesparte wieder investiert. So wäre es beispielsweise sinnvoll im Bereich der fossilen Energie gewaltige Sparprogramme zu entwickeln und die dadurch zur Verfügung habenden Mittel in erneuerbare Energien zu investieren. Einerseits würde man dadurch energieautark werden und die Umwelt und die zu Ende gehenden Ressourcen dieser Welt schonen, andererseits könnten Investitionen dieser Art zahlreiche neue und nachhaltige Arbeitsplätze schaffen. Daher Ja zum Sparen, aber nein zum Sparen für die Interessen des Finanzkapitals.

Unsere europäischen Regierungen signalisieren kein entscheidendes Umdenken in der Frage einer nachhaltigen Zukunftspolitik im Interesse der Mehrheit der europäischen Bevölkerung. Im Gegenteil: Ihre neoliberale Politik verschärft die Krise für die Bevölkerungsmehrheit und schafft neue, immer undemokratischere Führungsverhältnisse. Der so gerne zitierte „Kampf um den Euro“ ist für zahlreiche Menschen Europas längst zu einem Kampf um das eigene Überleben geworden.

Wenn die Regierungen nach wie vor alle bereits hinlänglich bekannten Rezepte zur Umverteilung des gesellschaftlichen Vermögens von Oben nach Unten verweigern, wenn sie weiterhin als Vasallen des Finanzkapitals agieren, werden sie nicht nur den Zerfall der Europäischen Union auf dem Gewissen haben, sie werden verantwortlich zu machen sein für all die sozialen und eventuell militärischen Konflikte, die daraus erwachsen können. Denn die wichtigsten Weichenstellungen, die derzeit im politischen und wirtschaftlichen Bereichen innerhalb dieser EU gefällt werden, geschehen nicht im Namen der Mehrheit der Bevölkerung. Die Regierungen werden dafür eines Tages zur Verantwortung gezogen werden.

F.d.I.v.: Mag. Gerhard Kohlmaier, Steuerinitiative im ÖGB, www.steuerini.at, 17.6.2012

 

 
Wochenkommentar vom 10.6.2012: Die Steuerini unterstützt den Aufruf bzw. Offenen Brief der "Werkstatt für Solidarität" Drucken E-Mail

OFFENER BRIEF
an die Abgeordneten des österreichischen National- und Bundesrat

EU-Battlegroups - NICHT IN UNSEREM NAMEN!
Stoppen Sie sofort die Teilnahme Österreichs an den EU-Battlegroups!

Sehr geehrte Damen und Herren,

ab 1. Juli.2012 sollen österreichische SoldatInnen im Rahmen der EU-Schlachtgruppen („battle groups“) erneut „Gewehr bei Fuß“ stehen, um innerhalb weniger Tage auf Beschluss des EU-Rates und unter deutschem Kommando in Militärmissionen der Europäischen Union geschickt zu werden. Diese EU-Kampftruppen dienen für Angriffskriege der EU v.a. in den rohstoffreichen Regionen Afrikas, des Nahen und Mittleren Osten, ein Mandat des UN-Sicherheitsrates ist nicht erforderlich. Bei der ersten Battlegroups-Bereitschaft Österreichs (1. Halbjahr 2011) standen österreichische Truppen bereits knapp davor, in den Libyen-Krieg entsendet zu werden.

Seit dem EU-Vertrag von Lissabon können diese Kampftruppen auch für Militäreinsätze im Inneren der EU eingesetzt werden. EU-Kommissionspräsidenten Barroso hat Gewerkschaften in südeuropäischen Staaten bereits damit gedroht, „dass sie als Demokratien, wie wir sie bisher kennen, verschwinden könnten, wenn sie nicht bereit sind die Sparpakete durchzuführen.“ (Daily Mail, 15.6.2010) Werden demnächst österreichische SoldatInnen zur Niederschlagung sozialer Proteste nach Griechenland geschickt? Schrecken die Machteliten bald nicht mehr davor zurück, das „Ende des Sozialstaates“ (O-Ton Mario Draghi, EZB-Chef), wie es durch den EU-Fiskalpakt droht, auch mit militärischer Gewalt durchzusetzen?

Die Teilnahme Österreichs an diesen Kampftruppen ist klar neutralitäts- und staatsvertragswidrig. Aufgrund der raschen Abrufbereitschaft durch die EU wird eine Parlamentsbeteiligung ausgehebelt. Wir rufen Sie als Nationalrats-Abgeordnete daher auf, endlich die Notbremse zu ziehen: STOPPEN SIE SOFORT DIE TEILNAHME ÖSTERREICHS AN DEN EU-BATTLE-GROUPS! Sollten ab 1. Juli 2012 österreichische SoldatInnen wieder für diese Kampftruppen abmarschbereit stehen, lassen wir Ihnen und der Regierung jedoch eine klare Botschaft zukommen: Ihr habt derzeit zwar die Macht, Gesetze mit Füßen zu treten und das Leben von Menschen bei EU-Kriegen aufs Spiel zu setzen, aber ihr habt nicht unsere Legitimation: NICHT IN UNSEREM NAMEN!

Mit freundlichen Grüßen!

Ich unterstütze diesen Offenen Brief


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Wochenkommentar vom 3.6.2012: Schmieds Danaergeschenk Drucken E-Mail

Die Ankündigung von Frau Minister Schmied, die Einführung der Zentralmatura nach lang geäußerten Bedenken von Eltern, Schülern und Lehrern nun doch um ein Jahr zu verschieben, kommt spät. Vielerorts vielleicht zu spät. Die verständliche Freude vieler Kritiker und Gewerkschaftsvertreter darüber ist aus meiner Sicht jedoch nicht unbedingt nachvollziehbar.

Denn an den Schulen sind die Lehrfächerverteilungen für das nächste Schuljahr bereits längst unter Dach und Fach, das heißt, die Stundentafeln für das nächste Schuljahr sind bereits fixiert. Diese Stundentafeln bzw. die Anzahl der Stunden in den unterschiedlichen Fächern haben jedoch bedeutenden Einfluss auf die Wahlmöglichkeiten der SchülerInnen für die mündliche Reifeprüfung. Es darf davon ausgegangen werden, dass diese Stundentafeln in Hinblick auf die zu erwartende Einführung der Zentralmatura im Jahre 2014 (BHS/2015) erstellt wurden.

Wenn Schulen nun jedoch - nach der Verlautbarung der Frau Minister - die Reifeprüfung nach dem alten Modell durchführen wollen, so ergeben sich mitunter Probleme in der Wahlmöglichkeit von Fächern bzw. Fächerkombinationen für die SchülerInnen, da diese nun für das „alte“ Modell unter Umständen nicht auf die nötige Stundenzahl in bestimmten Fächern kommen, um in diesen auch die Reifeprüfung ablegen zu können. Es könnte also so manche Ungerechtigkeit in der Wahlmöglichkeit von Fächern und Fächerkombinationen bevorstehen, sodass die Schulen in solchen Fällen auf eine Veränderung der Lehrfächerverteilung drängen müssten. Ob die Schulbehörde einem solchen Szenario zustimmen würde, darf bezweifelt werden. Ob die Zeit dazu bis zum Beginn des kommenden Schuljahres ausreicht, ebenso.

Dass Bundesministerin Schmied sich dieser Problematik bewusst war, darf angenommen werden. Die Einwände gegen die Einführung der Zentralmatura im Jahr 2014 waren von Beginn an so heftig und die Ministerin hätte eine Aufschiebung rechtzeitig vor Erstellung der Stundentafeln für das nächste Schuljahr ankündigen können. Ob es Teil ihrer Strategie war, damit so lange zu warten, bis die skizzierte Problemlage wirksam wird, ist möglich. So dürfte sich das verspätete Geschenk an manchen Schulstandorten als Danaergeschenk entpuppen und die von Schmied gewünschte freiwillige Durchführung der Zentralmatura 2014 zu einer unfreiwilligen werden. (Gerhard Kohlmaier)

 
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