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Beim Weltwirtschaftsforum in Davos, das diese Woche endete, waren sich die Vertreter der Industrienationen im Wesentlichen einig: Es geht bergauf, die Zahlen verkünden, das Ärgste an der Finanz- und Wirtschaftskrise sei überstanden.
Der Aufschwung als Zahlenwerk, wirtschaftliches Wachstum als Parameter für... - ja, wofür eigentlich? Für den statistischen Abbau von Staatsschulden durch Finanztricks, für positive Bankbilanzen, für neue Möglichkeiten des internationalen Finanzkapitals die weltweiten Märkte unter ihre Alleinherrschaft zu bringen.
Das alles lässt sich mit Zahlen belegen. Zahlen, die auf geduldigem Papier stehen, denn sie können und werden bereits morgen überholt sein. Dann gelten eben andere Zahlen. Man, das heißt die politischen Akteure und Heilsverkünder einer neoliberalen Wirtschaftsordnung, haben sich getäuscht, sie konnten nicht voraussehen, wie sich die Märkte entwickeln würden. Die österreichische Regierung übt dieses Szenario seit Jahren. Denn schließlich sei ja alles so kompliziert, so vernetzt, so global.
Nichts gegen Zahlen, denn zweifelsohne kann man Schuldenquoten, Wachstum, Gewinne, aber auch Arbeitslosigkeit usw. in Zahlen ausdrücken. Aber neben der Unsicherheit solcher Prognosen wiegt noch viel schwerer, dass diese Zahlenspiele so überhaupt nichts über die Befindlichkeit der Menschen aussagen, deren Lebensbedingungen von diesen Kennzahlen abhängig gemacht werden. Und es sind doch schließlich die Menschen, um deren Wohlbefinden es gehen sollte, wenn man über Wirtschaft spricht.
Wirtschaftliches Handeln im Dienste der Menschen. Nein, das ist längst nicht mehr gemeint, wenn die Regierungen der Industriestaaten das Wort Ökonomie in den Mund nehmen. Sie meinen damit im Wesentlichen Kennzahlen, durch welche sich für das Finanzkapital die Möglichkeiten des Einflusses auf die Politik, deren Gewinnspannen und Möglichkeiten Geld durch Spekulation zu vermehren ausdrücken lassen. Weisen diese Zahlen nach oben, dann ist die Wirtschaftswelt für diese Konzerne in Ordnung.
So lobte man in Davos die griechische Regierung, welche sich an den von der Troika auferlegten Sanierungskurs halte, erste Früchte zeige, die sich in solchen Zahlen ausdrücken lassen. Die Realität der Lebensbedingungen der Griechen im Land spielt dabei eine untergeordnete Rolle, obwohl sich auch diese in Zahlen ausdrücken lässt. Die Realeinkommen der Menschen sind in den letzten 5 Jahren um fast 40% gesunken, die Arbeitslosigkeit liegt bei nahezu 30%, die Jugendarbeitslosigkeit bei 50%. An die 150000 Universitätsabsolventen haben in diesem Zeitraum das Land verlassen. Viele Griechen können sich die Grundbedürfnisse des Lebens wie Essen, Wohnen, Teilhabe am kulturellen Leben nicht mehr leisten, die Selbstmordrate hat gigantische Ausmaße angenommen, weil die Menschen keine Auswege aus ihrer Tristesse mehr sehen.
Davon müsste die Rede sein, wenn man - zugegeben auch in Davos - die hohen Arbeitslosigkeitszahlen in vielen Ländern bedauert. Wie kann man regionale Wirtschaftskreisläufe stärken, wie kann man eine Geldwirtschaft, welche auf Geldvermehrung durch Geld mittels Spekulation, Korruption, Monopolstellung usw. fußt, wirksam und langfristig verhindern.
Vergessen wir die Zahlen. Blicken wir doch endlich auf die Qualität unserer Ökonomie, die sich im Wohlbefinden der Menschen ausdrücken soll. Wir brauchen einen Wirtschaftsbegriff, in welchem sich dieses Wohlbefinden unter anderem in der Identifikation mit der Tätigkeit ausdrückt, welche Menschen verrichten, nicht in der Abscheu davor. Wir benötigen eine Wirtschaft, in der die Gewinne wieder in den Wirtschaftskreislauf einfließen bzw. zur Erhöhung der menschlichen Lebensqualität verwendet werden. Wir müssen dem Mammon Geld und Konsum endlich abschwören und Wirtschaftswachstum als Wohlfühlwachstum verstehen.
Aber, so meinen die Davoser Politiker fast einstimmig, Griechenland sei auf einem guten Kurs. Man müsse den Sparkurs im Land nur konsequent fortsetzen, die Entlassungen von Menschen im öffentlichen Dienst und in unrentablen Wirtschaftsbereichen vorantreiben, Steuern erhöhen, Sozialleistungen weiter einschränken. Dann könne man dort wieder Geschäfte machen, dann sei Griechenland gerettet. Als ob das Finanzkapital nicht schon in und mit der Krise seine Geschäfte auf Kosten der griechischen Bevölkerung gemacht hätte. Es geht den Davoser Politikern in Wirklichkeit darum, eine Umverteilungspolitik fortzusetzen, die wenige zu Gewinnern, den Großteil der Menschen aber zu Verlierern dieses Systems stempelt. Dafür müssen die Zahlen herhalten.
Gerade wir Österreicher konnten in den letzten Monaten feststellen, welche Bedeutung Zahlen für unsere Regierung haben: Budgetzahlen, Wachstumszahlen, Arbeitslosenzahlen, Staatsschuldenzahlen....Sie dienten und dienen in erster Linie zur Schönfärberei einer Politik, die auf sogenannten Systemzwängen besteht, die durch diese Zahlenspiele untermauert werden sollen. Diese Systemzwänge eines neoliberalen Wirtschaftssystems und einer neoliberalen Politik bestehen jedoch nur so lange, so lange die Menschen dieses System auch für vernünftig halten. Das jedoch ist immer weniger der Fall. Immer deutlicher wird den Menschen bewusst, dass dieses Wirtschaftssystem und seine sogenannten Wachstumszahlen nichts mehr mit einer Verbesserung ihrer Lebensbedingungen zu tun hat, sondern im Gegenteil mit einer Verschlechterung.
So lange jedoch unser Begriff von Wirtschaften auf Zahlen beruht, welche uns Politiker und Lobbyisten eines fragwürdigen Wirtschaftssystems und eines noch fragwürdigeren Geldsystems vorgeben, machen wir uns zu Handlangern oder/und zu modernen Sklaven dieses Systems.
Wir müssen diese selbst verschuldete Unmündigkeit endlich ablegen und andere, neue Wege einschlagen, wobei wieder der Mensch und seine Bedürfnisse im Vordergrund der wirtschaftlichen Aktivitäten stehen soll. Vorschläge dazu gibt es zur Genüge. An ihnen mangelt es nicht, wohl aber an der Bereitschaft der Regierungen, einer Ökonomie im Interesse der Menschen zum Durchbruch zu verhelfen. Von Davos und den Regierungen der Industrieländer dürfen wir uns in diesem Zusammenhang auch in Zukunft nichts erwarten außer Zahlen, die längst notwendige Veränderung müssen wir selbst vorantreiben. Sei es in der Umsetzung neuer Formen von Wirtschaften, sei es in der Verweigerung von Konsum um des Konsum willens, sei es in einer neuen Form von Geldwirtschaft. Und es wird uns dabei nicht erspart bleiben, weit über den Wahltag hinaus politisch aktiv zu werden und auf künftige politische Rahmenbedingungen für diese notwendigen Veränderungen zu pochen. Dabei werden die einfallslosen Zahlenjongleure unserer heutigen Parteien keine Rolle mehr spielen.
Gerhard Kohlmaier, www.steuerini.at, 26.1.2014
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