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woko vom 2.6.: Wir sollten die Inhalte bestimmen! Drucken E-Mail

Die Übergangsregierung steht - und Österreich auch noch immer. Ohne Kurz, ohne Strache, Kickl und Konsorten. Sogar das informelle EU-Treffen ging mit einem Interimskanzler Löger anstandslos über die Bühne. Warum sich Bundespräsident Van der Bellen nicht von Anfang an, nach Scheitern der ÖVP-FPÖ-Koalition, für eine Übergangsregierung aus Experten bzw. zumindest aus allen im Parlament vertretenen Parteien stark gemacht hat, bleibt zumindest rätselhaft. Warum er den mit allen Raffinessen geschmierten türkisen Parteichef Kurz das Vertrauen für eine neuerliche Regierungsbildung ausgesprochen hat, hinterlässt selbst noch im Nachhinein einen bitteren Geschmack. Aber immerhin scheint Van der Bellen aus dieser Fehleinschätzung der Dinge gelernt zu haben. Und nun scheinen wir eine Verwaltungsregierung zu bekommen, die bis zu den Neuwahlen im Herbst die notwendigen Geschicke des Landes lenken kann.


Was dann kommt, liegt zwar zum Teil in den Händen der Bürger unseres Landes, aber eben nur zum Teil. Kein Wähler weiß im Vorhinein, welche Koalitionsmöglichkeiten sich nach der Wahl ergeben. Da sind die Wähler wesentlich hilfloser als die Politiker selbst. Im Gegenteil: Während Politiker die Optionen vorbereiten, werden die Wähler nicht selten von ihnen hinters Licht geführt, was diese Optionen betrifft. Slogans wie „Wer FPÖ wählt, wählt eine rot-grüne Koalition“ oder „Wer NEOS wählt, entscheidet sich für eine Regierung Kurz mit NEOS-Beteiligung“ werden getrommelt werden. Welche tatsächliche Regierungskoalition schlussendlich gebildet wird, hängt weniger vom Wählerwillen ab, sondern von taktischen Überlegungen der Parteien, den Möglichkeiten der Pfründeaufteilung und den Machtmöglichkeiten der Parteien.

Trotz allem ist das Votum der Wähler in einer Demokratie von Belang. Zumindest beeinflusst es einen Trend und macht nicht alle Konstellationen so mir und dir nichts möglich. Neben der im Wahlkampf zu erwartenden Schlammschlacht zwischen den Parteien ist es gerade die Unterstützung der Inhalte, das Programm der wahlwerbenden Parteien, welches diesen Trend unterstützt.

Und hier darf man gespannt sein. Nicht das strategische Geschick der einzelnen Protagonisten der Wahl, nicht das bessere Auftreten, das Aussehen und andere Nebensächlichkeiten sollten die Wahlentscheidung der Bürger beeinflussen, sondern einzig und allein das Programm der Parteien, die Inhalte, welche sie vertreten und durchzusetzen gedenken.


Diese Inhalte sind jedoch letztendlich auch von uns selbst, von den Bürgern abhängig. Wir sind es, die durch aktive Beteiligung am politischen Prozess, den Parteien diese Inhalte auch aufzwingen können. Möge uns das gelingen, dann kann diese bevorstehende Wahl eine Chance für einen politischen Neuanfang in wichtigen Bereichen sein.

 
27.5.2019: Regierung Kurz am Ende Drucken E-Mail

Dem Misstrauensantrag der SPÖ gegen Kanzler Kurz und die gesamte Regierung wird im Parlament mehrheitlich zugestimmt. Die derzeitige Regierung ist damit Geschichte.

 
Woko, 25.5. Gastkommentar von Hans Kohlmaier Drucken E-Mail

Im Interesse der Republik

Im Interesse der Republik soll dem Bundeskanzler Kurz das Misstrauen ausgesprochen werden! Solch eine Forderung erfordert eine sorgfältige Begründung.
Beginnen wir daher mit der Situation des politischen Lebens in Österreich seit dem allgemeinen Bekanntwerden des Ibiza-Videos.

Diese Situation ist nicht alltäglich, aber sie ist ein Normalfall im Leben einer parlamentarischen Republik. Personen, die in ihrer Funktion des öffentlichen Lebens nicht als geeignet erscheinen (oder es nicht sind), werden abberufen oder treten zurück. Das ist zwar nicht der Alltag, aber es kommt in den demokratischen parlamentarischen Republiken immer wieder vor. Es wundert daher nicht, dass in den Verfassungen dieser Fall eindeutig geregelt ist. Für die Stabilität ist daher verfassungsmäßig vorgesorgt.

Diese Fälle stellen grundsätzlich keine Krise im politischen Leben dar, denn auch BerufspolitikerInnen sind Menschen und können Fehler begehen. Zur konkreten Krise wird ein solcher Fall nur, wenn die handelnden Personen die anerkannten Regeln des politischen Lebens (das bedeutet vor allem die Verfassung) verletzen oder bei formaler Einhaltung der Regeln gegen den Geist der öffentlichen Sache (res publica) handeln. Dieser Geist der öffentlichen Sache besteht vor allem in dem Bemühen trotz unterschiedlicher Interessen und Meinungen letztlich den Zusammenhalt der Bevölkerung zu erhalten oder wieder herzustellen.
Wie der Bundespräsident Van der Bellen zu Recht feststellt, löst die geltende österreichische Verfassung einen Fall wie den des Ibiza-Videos in „Schönheit und Eleganz“. Wir haben aus der Vergangenheit gelernt und unsere Verfassung spiegelt das wieder.

Drei (wenn auch in unterschiedlichen Momenten unterschiedlich) starke Institutionen spielen zusammen.
Die Regierung repräsentiert die momentane politische Mehrheit und wird nicht direkt gewählt. Das Parlament ist vom Volk gewählt und spiegelt die politische Haltung derer wider, die sich (zumindest bei der Wahl) politisch beteiligt haben. Der Bundespräsident wird direkt vom Volk gewählt und soll die Interessen der Gesamtbevölkerung (auch der nicht Wahlberechtigten und Nichtwähler) über die Parteigrenzen hinweg verkörpern. Deswegen ist es auch üblich, dass der Bundespräsident (ob Mann oder Frau) in Österreich nach seiner (ihrer) Wahl eine Parteizugehörigkeit zurücklegt.

Diese formale Ausgestaltung unserer Verfassung fördert eine möglichst reibungsfreie Auflösung der politischen Gegensätze, indem alle Interessen zu Wort und Einfluss kommen können. In der geglückten Verbindung zwischen den Geboten der Paragraphen und dem versöhnend lösendem Geist, der eine konstruktive Zukunft möglich macht, liegt eben die „Schönheit und Eleganz“ der Verfassung.

Unabhängig davon wie man Kanzler Kurz politisch einschätzt erfordert die Fairness im politischen Wettbewerb einen Rücktritt des Bundeskanzlers!
Andernfalls wird der Amtsvorteil den gesamten Wahlkampf mit Gehässigkeit vergiften. Bundeskanzler Kurz liefert selbst seit den ersten Tagen der neuen Situation die besten Beispiele dafür.

Der Geist der Verfassung ruft nach drei günstigen möglichen Wegen in dieser Übergangszeit. Man kann eine Regierung aus verdienten BürgerInnen bilden. Eine solche Regierung kann einem Kabinett von Berufspolitikern (mindestens) ebenbürtig sein. Der Lebensweg von Van der Bellen ist ein schönes Beispiel dafür: vom Universitätsprofessor zum Bundespräsidenten. Und die Qualität der österreichischen Beamtenschaft sichert das praktische Funktionieren.
Man kann eine Regierung aus den Abgeordneten (Männer und Frauen) aller Parlamentsparteien bilden. Das bildet nicht nur die momentanen politisch organisierten Kräfteverhältnisse ab. Darüber hinaus schafft eine solche Regierung möglichst gleiche Bedingungen auf der Bühne des öffentlichen Wahlkampfverhaltens in der Regierung.
Man kann drittens, als Kompromiss der beiden vorherigen Vorschläge, die jetzige Regierung belassen - aber mit einem Bundeskanzler Fischler (ehemaliger EU-Kommissar) oder Konrad (ehemaliger Spitzenmanager und Aktivist der Zivilgesellschaft) an der Spitze. Nur der raffinierteste Medienprofi aus der Riege der wahlkämpfenden Berufspolitiker sollte keinen Startvorteil auf der wichtigsten öffentlichen Bühne haben - Sebastian Kurz.

In dem Zusammenhang gilt noch ein wichtiges Argument: eine der größten Parteien im Lande sind die Nichtwähler. Viele Menschen sind von den Berufspolitikern enttäuscht. Deren Ränkespiele um Macht und Durchsetzung von Eigeninteressen haben sie am Sinn einer Teilnahme an Wahlen in der parlamentarischen Demokratie verzweifeln lassen.
Der Geist unserer Verfassung gebietet, möglichst alle Menschen in der Republik am politischen Leben teilnehmen zu lassen.
Das soll neben dem Parlament vor allem dem Herrn Bundespräsidenten eine Richtschnur sein. Möglichst große Fairness im kommenden Wahlkampf ist eine der wichtigsten politischen Weisheiten in der jetzigen Phase.

Vergessen wir nicht: die jetzige Regierung wird bis zur erfolgreichen Einsetzung einer neuen Regierung nach der Wahl im Amt sein- vielleicht viel länger als manche denken. Und das Leben geht weiter. Nach der Wahl wird die Republik Österreich auch in dem Ausmaß erfolgreich funktionieren, in dem ein Ausgleich der legitimen Interessen aller politisch relevanten Parteien erfolgt.

In einer parlamentarischen Republik ist nicht die Überwältigung des politischen Konkurrenten das Hauptziel, sondern ein Ausgleich der verschiedenen politisch legitimen Interessen, der in der Praxis ein Funktionieren des Staates ermöglicht.


Das ist der gute Geist der Verfassung!

 

Hans Kohlmaier, ein Bürger, 25. 05. 2019

 
Aktuelles Thema/2, 23.5.: Das ungerechtfertigte Gefasel über Stabilität Drucken E-Mail

 

Das tägliche Beteuern zahlreicher Protagonisten - vom Bundespräsidenten angefangen, über den Bundeskanzler bis hin zur NEOS-Chefin Meinl-Reisinger - in der derzeitigen politischen Situation des Landes ginge es um Stabilität, mutet mehr als seltsam an.

Offensichtlich soll nun diejenige Person, also Kurz, für Stabilität sorgen, welche diese in der jüngsten politischen Vergangenheit des Staates bereits zweimal aufs Spiel gesetzt hat. Innerhalb von knapp zwei Jahren ließ der Bundeskanzler zwei Regierungen platzen.

Die Stabilität einer Regierung an einer Person festmachen zu wollen, wie das derzeit von oben erwähnten Personenkreis geschieht, bedeutet allerdings, den Charakter der parlamentarischen Demokratie gründlich zu missachten. In dieser ist nämlich die einzig vom Wähler dazu legitimierte Institution das Parlament. Dieses bestimmt, dem Wähler und Bürger verpflichtet, über das Wohl des Landes. Und Letzteres ist keine Frage einer Person, sondern eine Frage der Inhalte.

Indem der Bundespräsident seit Beginn der politischen Krise offensichtlich in all seinen Wortmeldungen diese Stabilität auf die Person Kurz und seine ÖVP reduziert, brüskiert er damit nicht nur alle anderen Parteien, sondern insgeheim das höchste demokratisch gewählte Gremium in unserem Land, den Nationalrat. Zur Erinnerung: 31,5% der Stimmen entfielen bei der letzten Wahl auf diese ÖVP, das heißt also, dass offenbar 68,5% der gewählten politischen Vertreter für unfähig erklärt werden, diese Stabilität zu gewährleisten.

Dass Van der Bellen unsere Verfassung keine anderen Möglichkeiten in die Hand gegeben hätte, ist schlichtweg falsch. Selbstverständlich hätte er auch die Regierung auflösen können und für die Zeit einer Übergangsregierung für eine das Kräfteverhältnis im Nationalrat abbildende Regierung sorgen oder zumindest plädieren können. Dann wäre tatsächliche Kontrolle der Regierungstätigkeit sogar unter einem Bundeskanzler Kurz gewährleistet gewesen, würden sich die anderen Parteien gemäß diesem Verhältnis im Nationalrat auch in der Regierung wiederfinden.

Auch das Argument, Österreich müsse an einem Kanzler Kurz festhalten, um unsere Interessen in der EU und im Ausland umsetzen zu können, entbehrt jeglicher vernünftiger Grundlage, denn selbstverständlich sind diese Interessen nicht von einer Person abhängig. Dies belegt auch die Antwort eines deutschen Politikers, der gefragt wurde, ob es ein Problem sei, wenn Kurz nicht am Europäischen Rat am 20./21.Juni teilnehmen könne: „Ehrlich gesagt. Das ist vollkommen egal.“

 

Was ist also diese Stabilität, von der einige nicht genug bekommen, sie immer wieder zu beschwören? Sie ist nichts anderes als eine ungerechtfertigte, nicht haltbare Bevorzugung einer politischen Richtung. Diktaturen weisen in dieser Hinsicht die größte Stabilität auf, wohin sie führen, sollten sich jedoch alle Beteiligten an der derzeitigen Diskussion in Erinnerung rufen.

 

Gerhard Kohlmaier, 23.5.2019


 
Übergangsregierung mit ÖVP-Aufpassern Drucken E-Mail

Nach Angeloben der neuen Minister ist bei Sebastian Kurz von "Expertenregierung" kaum mehr eine Rede. Der neue Terminus heißt "Übergangsregierung". Und das noch dazu unter ÖVP-Kabinettschefs für alle neuen Minister. Also eigentlich eine ÖVP-Alleinregierung. Da ist nicht zu erwarten, dass die Oppositionsparteien ähnlich gelassen wie der Bundespräsident mitspielen werden.

 
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