Täglich sind sie da, täglich Gesprächsthema - die Widersprüche, die unser aller Leben begleiten. Sie gehören gleichsam zum Leben, sind selbst Bestandteil wissenschaftlichen Arbeitens. Naturgemäß nehmen sie in einer pluralistischen, vom digitalen Zeitalter und dessen Informationsflut gezeichneten Welt noch zu.
Das ist auch nicht weiter schlimm. Verwerflich ist allerdings, wenn offensichtliche Widersprüche nicht weiter ergründet werden, nicht Gegenstand des fachlichen und öffentlichen Diskurses darüber werden und in einer Art vernünftigen Konsens enden, sondern je nach Interessenlage
ein Standpunkt zum Nonplusultra erklärt wird. Wissenschaft, Medien, besonders aber die Politik sind in dieser Hinsicht jedoch seit Ausbruch der Corona-Erkrankung säumig.
In den Nachrichten vom 17.2. wird um 18:00 Uhr gemeldet, etliche Tiroler hätten sich mit dem Corona-Virus infiziert, obwohl sie bereits einmal daran erkrankt waren.
Einige Minuten später, um 18:06 Uhr, berichtet der selbe Sender in einer Informationssendung von einer Studie, die den Nachweis erbracht hätte, bereits einmal Infizierte seien gegen eine Neuinfektion „weitgehend immun“. Man solle sie daher auch zunächst nicht impfen, da Impfstoff ohnehin knapp sei. Ein Widerspruch, welcher „gleich geheimnisvoll für Kluge wie für Toren“ (Goethe, Faust) bleibt.
Verschiedene österreichische Zeitungen berichteten vor einigen Tagen über vier britische Studien, welche das Sterberisiko bei der britischen Variante des Virus untersucht haben sollen. Im Vergleich zu anderen Varianten von Sars-CoV-2 steigt demzufolge das Sterberisiko laut der „London School of Hygiene & Tropical Medicine“ um 58%, das „Imperial College London“ spricht von 38%, Wissenschafter der Universität von Exeter beziffern das erhöhte Risiko mit 70% und „Public Health England“ kommt auf 65%.
Wohlgemerkt - es handelt sich hier angeblich um wissenschaftliche Studien. Die Frage bleibt offen, wer hier was unter Wissenschaft versteht. Oder aber lassen sich die Ergebnisse überhaupt nicht vergleichen, weil in der einen Studie Äpfel mit Birnen und in der anderen mit Zitronen verglichen werden?
Ähnlich verhält es sich seit Wochen bei der Diskussion um die Wirksamkeit des Astra-Zeneca-Impfstoffes. Laut den diversen Berichten und Einschätzungen von Experten, insbesondere in Österreich, wirkt dieser durchaus gut bei milden und moderaten Verläufen der Erkrankung, wenn auch etwas weniger als andere Impfstoffe, gegen schwere Erkrankungen sei die Wirkung sogar sehr gut, beteuern diverse Experten in den Medien. Zahlreiche österreichische Ärzte sowie Krankenhauspersonal haben mittlerweile trotzdem eine Impfung mit Astra-Zeneca abgelehnt.
Eine Studie der Universitäten Oxford und Witwatersrand ergab nun allerdings, dass das Serum bei milden und moderaten Verläufen der südafrikanischen Mutationsvariante vollkommen wirkungslos ist. Ob es schwere Verläufe verhindern kann, ist noch nicht ausreichend geklärt. Tägliche Meldungen zeigen, dass auch wir in Österreich vor dieser Variante nicht geschützt sind und sie sich immer mehr ausbreitet. Südafrika will nun 1 Million Impfdosen an Astra-Zeneca zurückgeben. Na, vielleicht nimmt sie dann die österreichische Regierung.
Ein letztes Beispiel, das wohl allen noch in Erinnerung ist: die „Maskenproblematik“. Noch im Februar 2020 sprach sich das österreichische Gesundheitsministerium gegen das Tragen von einfachen Mundschutzmasken aus, weil diese „keinen wirksamen Schutz gegen Viren oder Bakterien, die in der Luft übertragen werden“ böten. Einzig FFP3-Masken wurde eine Wirksamkeit zugestanden. Im März 2020 riet selbst die WHO davon ab, Masken zu tragen, wenn man nicht selbst schon erkrankt sei. Ende März desselben Jahres sah die Sache anders aus: Das Gesundheitsministerium verordnete quasi eine generelle Maskenpflicht. Mittlerweile ist man nahezu wieder auf dem „Wissensstand“ von Februar 2020 angekommen. Ein einfacher Mund-Nasenschutz wird wieder als unzureichend eingestuft. Allerdings trägt das Land nach wie vor keine FFP3-Masken, sondern FFP2-Produkte.
Mit solchen und ähnlichen Widersprüchen von so genannten Experten in diversen Meldungen und Informationssendungen ist der Medien-Konsument tagtäglich konfrontiert. Die Liste an Beispielen dafür ist mittlerweile so zahlreich, dass sie jedes Format sprengen würde. Wen wundert es da, dass die Bürger weder den Aussagen in den Medien noch denen der Politiker, welche häufig noch mehr und tagtäglich Widersprüche unters Volk bringen, zu deren Klärung sie jedoch wenig bis nichts beitragen, Glauben schenken.
Widersprüche verlangen nach einer Klärung, und wenn diese nicht in einem offenen, nachvollziehbaren Diskurs von jenen erfolgt, die sie in die Welt werfen, dann müssen sie in irgendeiner Weise von den Betroffenen selbst, von den Bürgern, gelöst werden. Und das machen die Menschen auch, indem sie sich gemäß ihres Bildungsgrades und anderer Voraussetzungen einen Reim auf die Geschehnisse machen, weil sie den federführenden Institutionen und Experten längst nicht mehr trauen. Das ist der wahre Grund der Corona-Müdigkeit der Menschen sowie des Misstrauens gegen so manche Erklärung von Politikern oder so genannten Experten, und dieser ist nicht nur nachvollziehbar, sondern dieses Misstrauen besteht zurecht.
21.2.2021
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