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Aktuelles Thema: Wir, das Volk, müssen uns für die Umverteilung einsetzen und können ihr auch zum Durchbruch verhelfen! Drucken E-Mail

 

Es ist im Wesentlichen unwichtig, auf Grund welcher Studie man die Vermögensverteilung in Österreich betrachtet, weil sich alle darin einig sind, dass in unserem Land im internationalen Vergleich eine besonders hohe Vermögensungleichheit besteht. Fasst man, wie das schon Aristoteles tat,  unter Vermögen all das zusammen, was einen monetären Wert besitzt, so ist diese Verteilungsungleichheit in keinem anderen EU-Land so hoch wie in Österreich.

Während in den südlichen und östlich gelegenen Ländern Europas die große Mehrheit der Menschen in den eigenen vier Wänden lebt, also Immobilienvermögen besitzt, beträgt der Anteil der Immobilienbesitzer in Österreich gerade einmal 47,7% (Agenda Austria, 2015). Diese Tatsache korreliert jedoch stark mit den Einkommensverhältnissen. Denn das Brutto-Durchschnittseinkommen von Arbeitern und Angestellten in Österreich inkl. 13. und 14. Monatsgehalt ist 2360 Euro. Nur 10% der Arbeitnehmer verdienen mehr als 4259 Euro brutto (Hauptverband der Sozialversicherungsträger, 2016). Dass man bei diesen Einkommen Probleme mit dem Auskommen hat und sich beim Vermögensaufbau schwer tut, liegt auf der Hand.

Dazu kommt, dass spätestens seit der Finanzkrise und den darauf folgenden Geldschwemmen der EZB eine weitere Ära der Umverteilung gesellschaftlich erzielter Wertschöpfung von unten nach oben folgte. Die Schere zwischen Einkünften aus Lohnarbeit und Kapitalgewinnen ging noch weiter auseinander, einerseits deshalb, weil man Gewinne privatisierte und Verluste verstaatlichte, andererseits auch deshalb, weil sich Renditen in erster Linie auf den Immobilienmärkten erzielen ließen - oder aber durch das Erben von Vermögen.

Insgesamt besitzen 1% der Österreicher, die Reichsten, 40,5% des Nettovermögens, während die ärmsten 50% zusammen gerade einmal 2,5% des gesamten Nettovermögens ihr Eigen nennen können (AK, Nationalbank 2017).

Aus den genannten Gründen ist das Festhalten am derzeitigen Steuersystem, wie es die türkis-blaue Regierung praktiziert, ein Festhalten an einer extrem ungleichen Verteilung der gesellschaftlich erbrachten Wertschöpfung zum Wohle weniger Vermögender und zum Nachteil der überwiegenden Mehrheit der Bürger.

Weil die Regierung in der Verteilungsfrage Klientelpolitik gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung betreibt, muss sie ständig davon ablenken. Dies gelingt ihr vor allem durch die Schaffung neuer Feindbilder, welche sie für die prekäre finanzielle Situation zahlreicher Österreicher verantwortlich macht. Sie gibt vor, es seien die Ausländer, die Asylwerber, welche den Österreichern Arbeitsplätze wegnehmen, Sozialleistungen beanspruchen und die der Grund für ihre schlechte finanzielle Situation seien. Während sie einem neuen Nationalismus, dem große Teile der Bevölkerung aufsitzen, das Wort redet, geht die Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen weiter hurtig voran. In Wahrheit ist es die von der Regierung geschützte Klientel und die dieser eingeräumte Steuerprivilegien, welche diese Schieflage erzeugen.

Selbstverständlich spielt, was die konkreten Lebensverhältnisse der Österreicher betrifft, auch das relativ hohe Niveau des österreichischen Sozialstaates eine Rolle, das bedeutet, dass viele Leistungen, für die in anderen Ländern die Bürger selbst die Mittel aufbringen müssen, in Österreich solidarisch im Rahmen des Sozialstaates aufgebracht werden. Aus diesem Grund bewirkt aber auch jeder Abbau von Sozialleistungen eine Verschärfung des Ungleichgewichts in der Vermögensverteilung und lässt die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter aufgehen. Es ist daher besonders verwerflich, wenn die türkis-blaue Regierung im Bereich der Sozialversicherungen Leistungskürzungen vornimmt oder aber eine Familienpolitik betreibt, von welcher die ärmsten und kinderreichsten Familien am wenigsten profitieren.

Auch in der Steuerpolitik strebt diese Regierung keine Veränderung der Verteilungsfrage an. Im Gegenteil: Sie tut alles, um die in Österreich herrschende Vermögensungleichheit noch zu vergrößern. So kommt die Senkung der Körperschaftssteuer im Ausmaß von 1,5 bis 2 Milliarden vor allem großen Konzernen a la Raiffeisen u.a. zugute, weil 80% der Gewinne auf diese Konzerne entfallen. Trotz guter Konjunkturlage liegt Österreich bei der Lohnentwicklung jedoch deutlich unter dem Durchschnitt aller OECD-Staaten (OECD, 2017).

Verändern lässt sich diese ungleiche Verteilungsfrage von volkswirtschaftlichem Vermögen nicht durch eine neue Art des Nationalismus, durch Ab- und Ausgrenzung, durch Fremdenfeindlichkeit, sondern einzig und allein durch eine Umverteilung von oben nach unten. Letztere ist am einfachsten durch einen Umbau des Steuersystems zu erzielen.

Diese ist unter der derzeitigen Regierung jedoch nicht zu erwarten, ganz im Gegenteil, die Eingriffe bzw. die als Reform verkauften Maßnahmen gehen nicht nur aus Verteilungsfragen in die falsche Richtung, sondern auch aus ökologischen Gründen, indem sie nahezu sämtliche wichtigen Antworten auf Zukunftsfragen außer acht lassen.

Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass auch Vorgängerregierungen diese notwendige Umverteilung der gesellschaftlichen Wertschöpfung nicht in Angriff genommen haben. Auch sie haben sich dem Primat des Marktes über die Politik untergeordnet und selbst einem Neoliberalismus gefrönt, aus dessen Klammern sie sich bis heute nicht befreien konnten. Insbesondere die Sozialdemokratie steht für diese Entwicklung, ein Grund dafür, warum sie in der Auseinandersetzung mit konservativen und rechtspopulistischen Parteien für viele Wähler an Glaubwürdigkeit eingebüßt hat. Auch die Gewerkschaften haben aus unterschiedlichen Gründen neoliberaler Politik kaum etwas entgegengesetzt, sie haben in Zeiten der größten Umverteilungswelle volkswirtschaftlicher Wertschöpfung von unten nach oben, von den Arbeitnehmern hin zu den Vermögenden, diesen Trend sogar unterstützt, indem sie ihren Mitgliedern lange Zeit eine Politik der Sozialpartnerschaft, die es zu dieser Zeit längst nicht mehr gegeben hat, vorgegaukelt und faule Kompromisse im Rahmen von Sozialkämpfen als das kleinere Übel verkauft haben.  Gut gelebt haben dabei nur die Funktionäre, für die Arbeitnehmer führte diese Vertretungspolitik zum geordneten Abbau mühsam errungener Arbeits- und Sozialrechte und wird bis dato fortgesetzt.

Man kann und muss davon ausgehen, dass die überwiegende Mehrheit der österreichischen Bürger für eine Umverteilung der gesellschaftlich erzielten Wertschöpfung von oben nach unten, von den Vermögenden hin zur Mehrheit der Bevölkerung hin eintritt. Eine solche ist am effektivsten mittels der Einführung von Steuern zu gewährleisten, denn der Großteil der Wertschöpfungsverteilung in einem Staat wird über die Steuerpolitik geregelt.

Wie der französische Ökonom Piketty nachgewiesen hat, haben gerade Erbschaften eine große Bedeutung für die ungleiche Verteilung von Vermögen. Daher ist eine progressive Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen unumgänglich. Nahezu 40% der Streuung von Vermögen lassen sich auf Erbschaften zurückführen. Obwohl in 18 EU-Staaten aus diesen Gründen eine Erbschaftssteuer abzuführen ist, wurde diese in Österreich mit 1.1.2008 ersatzlos abgeschafft. Der Verfassungsgerichtshof hatte bemängelt, dass die Bewertungsvorschriften von Grundstücken dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen. Statt das Gesetz nachzubessern, verzichtete die SPÖ-ÖVP-Regierung vollständig auf dieses Regulativ. Dabei ergäbe sich bei einer Besteuerung von 25% ab einer Freibetragsgrenze von 1 Million Euro ein Steueraufkommen von ca. 700 Millionen Euro. Betroffen davon wären nur die reichsten 1-2% der Bevölkerung.

Aber auch die Einkommensverhältnisse tragen wesentlich zur ungleichenVermögensverteilung bei. Aus diesem Grund sollten auch die Spitzeneinkommen einer progressiven Besteuerung unterliegen. Was spricht dagegen, auf Top-Einkünfte, die über 500 000 Euro jährlich liegen, Steuersätze von 80% einzuführen. Nichts. Oder kann mir jemand erklären, wie jemand ein Managergehalt von mehreren Millionen Euro mit seiner Leistung rechtfertigen kann.

Eine längst überfällige Änderung im Steuersystem ist die Umstellung der Sozialversicherungsleistungen von Gehältern und Löhnen hin zur erzielten Wertschöpfung eines Unternehmens. Die Sozialversicherungsbeiträge der Unternehmen sind derzeit an die Lohnsumme gekoppelt. Das führt dazu, dass personalintensive Unternehmen relativ viel an Sozialversicherungsbeiträgen abführen, während Unternehmen, die wenig personalintensiv sind und mit neuen Technologien arbeiten, trotz Milliardengewinnen kaum etwas zur Sicherung von Sozialversicherungsleistungen beitragen. Die mit der Umstellung verbundenen Schwierigkeiten in Einzelbereichen (Einpersonenunternehmen, öffentlicher Bereich,…) sind bekannt und leicht zu lösen.

Und selbstverständlich benötigen wir dringend eine neue Form von Steuer, um die von K.H. Grasser unter dem Titel „Kapitalmarktoffensive“ im Jahr 2000 abgeschaffte Börsenumsatzsteuer durch eine effektive Besteuerung von Finanzgeschäften zu ersetzen. Es ist nicht verwunderlich, dass es unter dem österreichischen Ratsvorsitz der Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Finanztransaktionssteuer“ Finanzminister Hartwig Löger war, der das Ende des Vorhabens einer europäischen Variante der Finanztransaktionssteuer verkündete. Das jedoch bedeutet nicht mehr oder weniger, als dass sich die Finanzlobby gegenüber einer Politik durchgesetzt hat, die längst nicht mehr im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung agiert. Wir brauchen Investitionen in die Realwirtschaft, nicht aber Spekulationen auf den Finanzmärkten. Wohin uns letztere führen, hat uns unter anderem die Finanzkrise gezeigt. Es ist also dringend notwendig dieser Finanzwirtschaft Zügel anzulegen, sowohl im Rahmen der nationalen als auch der internationalen Steuergesetzgebung.

Nun wissen wir jedoch aus der Vergangenheit, dass die Regierenden kein Interesse an dieser Art von Umverteilung mittels eines Umbaus des Steuersystems haben. Zu sehr sind die Repräsentanten des Volkes mittlerweile Teil eines Systems, welches zwar der Mehrheit der Bevölkerung zum Nachteil gereicht, von dem sie jedoch persönlich profitieren, so lange sie es gewähren lassen. Regierungen, Parteien oder Gewerkschaften werden diese längst fälligen Änderungen daher auch in Zukunft nicht herbeiführen.

Es muss also das Volk selbst sein, das die Regierenden zum Handeln zwingt. In einer Demokratie ist diese Willensäußerung des Volkes dann für jede Regierung verbindlich, wenn sie im Rahmen von Wahlen und von Volksabstimmungen erfolgt. Wahlgemeinschaften zum Thema „Umverteilung“ sind eine Möglichkeit, diesbezügliche Veränderungen im Rahmen der parlamentarischen Demokratie herbeizuführen. Eine andere sind Volksabstimmungen. Mit Volksabstimmungen kann dem Willen des Volkes gegen die Interessen von Parteien, Lobbyisten, gegen die Interessen und die Macht der Reichen zum Durchbruch verholfen werden. Und wenn man Volksabstimmungen von „oben“ weiterhin verhindert, dann soll sie das Volk selbst durchführen: Volksabstimmungen von „unten“ als demokratische Willensäußerung des Volkes, welche von jeder Regierung umzusetzen ist.

Gerhard Kohlmaier, Jänner 2019

 

P.S.:Beide Vorschläge (Wahlgemeinschaften, Volksabstimmung) wurden von der Steuerinitiative bereits 2008 konkretisiert und finden sich ausgearbeitet unter http://www.steuerini.at/index.php?option=com_content&view=article&id=6:strategien-gegen-eine-neoliberale-politik&catid=16:programm&Itemid=19 und auf der Homepage http://www.umverteilung.at

 
Woko vom 20.1.19: Wie lange darf Herr Waldhäusl noch? Drucken E-Mail

 

Ja, wie lange noch hat der niederösterreichische Landesrat der FPÖ Narrenfreiheit? Ja, es ist Fasching, aber erstens sollte man über Faschingseinlagen lachen können, während Waldhäusls Äußerungen jeden klar denkenden Menschen die Sorgenfalten ins Gesicht treiben, zweitens sollte das närrische Treiben doch gemeinhin außerhalb der Regierungsbänke stattfinden. Waldhäusl jedoch macht aus seiner Bestellung zum Landesrat in Niederösterreich eine ganzjährige Narrenveranstaltung.

Man könnte glauben, er denkt sich nichts dabei, wenn er jugendliche Asylwerber hinter Stacheldraht einpferchen will, wenn der Betrag, den die Steuerzahler für diese Art der „Betreuung“ berappen müssen, das Dreifache von ordentlich geführten Asylantenheimen beträgt. Er ist zwar verantwortlich für die Unterbringung von jugendlichen Asylwerbern in Niederösterreich, aber offensichtlich nicht dafür, dass er diese privaten Betreibern zu exorbitanten Betreuungskosten zuschanzt. Ja, vielleicht denkt er sich bei all dem nichts, doch scheint diese Gedankenlosigkeit ansteckend zu sein und setzt sich bis in die höchsten Kreise der Landes- und Bundespolitik von FPÖ und ÖVP fort.

Dass Waldhäusl zwischen ausländischen und inländischen Wölfen unterscheiden kann, weist ihn als Wildbiologen aus, welchem nicht einmal profunde Kenner der Materie das Wasser reichen können. Dass er erstere zum Abschuss freigeben, während er letztere verschonen will, mag wohl als Beweis dafür dienen, wie sehr ihm das Heimische am Herzen liegt. Dass er, wie die Medien berichteten, Asylwerber mit Schweinen verglichen hat und Homosexuelle als „Schwuchteln“ sowie politische Gegner als Triebtäter bezeichnet haben soll, ist wohl auch Ausdruck dafür, wie sehr er sich mit biologischen Fragen auf hohem Niveau beschäftigt.

Die seinen Namen tragende „ Waldhäusl nunmehr GmbH & Co KG“, ein Firmengeflecht mit einer Beteiligung in Zypern, hat ein Wirtshaus in Waidhofen gekauft, welches von seiner Frau betrieben wird und die Gäste mit bodenständiger Küche versorgt. Selbstverständlich hat der Landesrat mit diesem Firmengeflecht so gut wie nichts zu tun, weil er ja, wie er selbst anmerkte, gar kein Mitspracherecht in dieser eigenartigen Firmenkonstruktion habe, welche auf der Webseite damit wirbt, dass sie u.a. „hervorragende Rahmenbedingungen in steuerlicher Hinsicht“ biete. Jemand wie dieser Volksvertreter, dem die Heimat über alles geht, kann doch auch gar kein Interesse daran haben, sich Steuervorteile durch eigenartige Firmenkonstruktionen zu verschaffen. Interessant ist jedoch, dass Waldhäusl Zeitungsberichten nach nun plane, die Geschäftsführung der „Waldhäusl nunmehr“ auf einen seiner Söhne zu übertragen. Wie macht er denn das, wenn er doch keinerlei Einfluss auf das Firmengeschehen hat?

Vor wenigen Tagen nun ließ Waldhäusl erneut aufhorchen, als er nach einer Kritik der Volksanwaltschaft an einer Flüchtlingsunterkunft sogleich die Abschaffung der Institution der Volksanwaltschaft zur Diskussion stellte. Erstmals sah sich nach diesem Angriff auf eine wichtige Kontrollinstanz unserer Demokratie selbst Clubchef Gudenus genötigt von einer Einzelmeinung zu sprechen, welche sich nicht mit programmatischen Forderungen der FPÖ decke, aber der Landeshauptfrau Miki-Leitner (ÖVP) sind die Äußerungen Waldhäusls  immer noch keinen Kommentar wert. Und wo bleiben die Stellungnahmen des Regierungschefs Kurz oder des Vizekanzlers Strache zum Politikverständnis des niederösterreichischen Landesrats? Offenbar sind sie mit der Art und Weise, wie Herr Waldhäusl Politik betreibt, durchaus einverstanden.

Wo aber bleibt schließlich der Aufschrei der Bürger sowie all jener Wähler, die den Politiker Waldhäusl in sein Amt gewählt haben. Er ist kaum zu vernehmen, und das macht wirklich nachdenklich.

 

 
Woko vom 13.1.19: Eine ideenlose, rückwärts gewandte Steuerreform! Drucken E-Mail

 

Steuern sind zum Steuern da. Ihr Lenkungseffekt von erwünschtem gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Verhalten, die Regelung der gesellschaftlichen Verteilung von volkswirtschaftlichem Vermögen muss neben der Tatsache, dass Steuern dem Staat notwendige Einnahmen bringen, um seine Aufgabenbereiche zum Wohle der Bevölkerung zu erfüllen, die grundsätzliche Überlegung vor jeder Steuerreform sein.

Die Signale, welche diese Regierung mit ihrer scheibchenweise bis über den nächsten Wahltermin hinaus verabreichten Steuerreform aussendet, sind klar. Im Vordergrund steht das Bild von einer Aktivität, so wie diese Regierung überhaupt von selbst erzeugten Bildern recht gut zu leben scheint. Das Bild vom Ausländer- und Flüchtlingsproblem, das Bild von einer Sozialversicherung für alle, wird nun durch das Bild von einer anderen Steuergesetzgebung erweitert.

So wie die Kurz-Strache-Regierung in Wahrheit nichts zur Lösung des Flüchtlingsproblems beigetragen hat, aber durch ihre Bilder Emotionen am Köcheln gehalten und die Bevölkerung gespalten hat, so wie die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger in Wahrheit keine Systemvereinfachung, sondern eine politische Umfärbungsaktion der Entscheidungsträger in den Sozialversicherungen war, genauso wenig verdient das Steuervorhaben nun die Bezeichnung Reform.

Die kalte Progression bringt dem Finanzminister, abhängig von der Inflationsrate und den Lohnerhöhungen, jährliche kräftige Steuermehreinnahmen. Fritz Pöltl, Wiener ÖAAB-FCG-Landesgeschäftsführer, schätzt diese alleine für 2018 auf 750 Millionen Euro.

Nachdem die Abschaffung der kalten Progression auch bereits unter der letzten SPÖ-ÖVP-Regierung Thema war und an unterschiedlichen Modellvorstellungen gescheitert war, macht sich nun die Kurz-Strache-Regierung an das Versprechen der Abschaffung. Allerdings erst im Jahr 2023. Bis dahin werden die dadurch erzielten Mehreinnahmen des Staates zwischen 4 und 6 Milliarden Euro betragen.

Bei einem von der Kurz-Strache-Regierung im Rahmen der verkündeten Steuerreform angepeilten Steuerentlastungsvolumen von 3,5 Milliarden Euro (incl. des bereits umgesetzten Familienbonus sollen es an die 5 Milliarden werden) bedeutet dies, dass die Finanzierung des Vorhabens bereits unter Dach und Fach ist: die Arbeitnehmer zahlen sich ihre Steuerentlastung zur Gänze selbst.

Mehr noch, sie dürfen auch die von der Regierung geplante Reduktion der Körperschaftssteuer von 25% auf 20% finanzieren, wodurch die Regierung die Unternehmen mit ca. 1,5 Milliarden Euro entlastet. Werden zudem nach den Vorstellungen von ÖVP-Wirtschaftministerin Schramböck die Steuersätze auf nicht entnommene Gewinne überhaupt auf 12,5% halbiert, dann beträgt nach Berechnungen der Industriellenvereinigung und der Wirtschaftskammer der jährliche Einnahmeentfall sogar 2,3 Milliarden Euro, also die Hälfte des Gesamtvolumens der sogenannten „Reform“. Erst die letzte schwarz-blaue Regierung setzte 2005 den für die Unternehmen relevanten Steuersatz von 34% auf 25% herab. Nun wird das Steuerdumping für Unternehmen nach unten fortgesetzt.

Von einer dringend notwendigen Ökologisierung des Steuersystems ist weit und breit nichts zu sehen. Eine zukünftige Steuerreform verdient nur dann denn Namen, wenn sie endlich daran geht, die Besteuerung vom Faktor Arbeit auf den Faktor Umweltnutzung zu legen. Darüber können auch Begünstigungen von emissionsarmen Fahrzeugen, von Photovoltaik und Wasserstoff in der Gesamthöhe von mickrigen 300 Millionen nicht hinwegtäuschen. So wird Österreich die gesteckten Klimaziele nicht erreichen können und verschläft wieder einmal wichtige steuerpolitische Lenkungseffekte für die Zukunft.


 
Woko vom 6.1.2019: Demokratie war gestern Drucken E-Mail

 

Wir leben in einer Zeit, in welcher die Demokratie im Wesentlichen nur noch als Farce dazu dient, den Bürgern vorzugaukeln, politische Entscheidungen hätten etwas mit dem Volks- bzw.Wählerwillen an sich zu tun. In Wahrheit ist dieser Wähler- oder Bürgerwille ein mit allen Raffinessen manipulierter bzw. von den politischen Parteien geschaffener. Der Verfassungs- und Verwaltungsjurist Heinz Meyer oder der britische Politikwissenschaftler Colin Crouch sprechen in diesem Zusammenhang von der Postdemokratie, in welcher zwischen Bürgern und politischen Repräsentanten eine in Sachfragen kaum mehr überwindbare Distanz aufgebaut wird. Gleichzeitig nützen die politischen Parteien vor allem die neuen Medien dazu, Scheinprobleme zu wichtigen Problemlagen hochzustilisieren, deren Lösungen sie sich dann unter Applaus der Bürger annehmen und so ihr Vertrauen - vor allem aber ihre Wählerstimme - gewinnen.

Insbesondere die seit einem Jahr tätige österreichische Bundesregierung, eine Allianz von ÖVP bzw. von dem, was von ihr übrig geblieben ist, und den Freiheitlichen beherrscht dieses Strategie hervorragend. Zuerst emotionalisiert man weite Teile der Bevölkerung mit Scheinfragen, dann nimmt man sich diesen Themen an, wobei weniger die Lösungsstrategie selbst im Vordergrund steht, sondern es reicht schon der bloße Anschein, sich darum gekümmert zu haben.

Ein gutes Beispiel dafür ist die Zusammenlegung der Sozialversicherungen. Die Regierung sonnt sich im Applaus, damit etwas geschafft zu haben, was vielen Bürgern schon lange Zeit ein Anliegen war. In Wahrheit hat sie die politische Einflussnahme auf die Sozialversicherungsträger zu ihren Gunsten verändert, hat Struktur- und Finanzierungsprobleme geschaffen, welche von den applaudierenden Bürgern geschlossen werden müssen, spricht jedoch von Einsparungen in Milliardenhöhe, wofür es kein einziges Indiz gibt.

In einer Welt, die aus verschiedensten Gründen immer unsicherer wird, baut die Kurz-Strache-Regierung keine Ängste der Bevölkerung ab, sondern sie schürt sie, um sie für ihre Interessen einzuspannen. Asylwerber werden so schnell zu gefährlichen Subjekten, welche man am besten hinter Stacheldraht aufbewahrt, Langzeitarbeitslose werden zu „Durchschummlern“ degradiert, die Fleißigen und Tüchtigen können hingegen auf Wunsch der Wirtschaft und in Interesse von Konzernen auch ruhig länger arbeiten. Sexualtäter müssen härter bestraft werden, weil ihre Gefährlichkeit aus irgendwelchen Gründen zugenommen habe, was allerdings kein Experte bestätigt. Bei all dem geht es nicht  um Information der Bevölkerung über Sachfragen, sondern es gehr um Irreführung, Manipulation und Emotionalisierung großer Bevölkerungsteile. Das ist der wahre Grund dafür, warum die derzeitige Regierung die Flüchtlingsfrage andauernd am Köcheln hält und Scheinbeiträge zu deren Lösung liefert. Die Wahrheit ist jedoch eine ganz andere: Wenn wir nicht bald die echten Probleme dieser Welt lösen, dann werden sich alleine aufgrund der Klimaerwärmung in den nächsten Jahrzehnten Millionen von Menschen aus anderen Kontinenten, in denen sie ihrer Lebensgrundlage beraubt wurden, auf den Weg nach Europa und nach Österreich machen. Und wir werden uns damit beschäftigen müssen, wie wir sinnvoll miteinander leben können, nicht aber damit, wie wir unsere Grenzen dicht machen können, denn das wird niemanden abschrecken.

Diese „Stimmungspolitik“ hat noch einen weiteren Vorteil für die derart agierenden Volksvertreter. Abseits der emotionalisierten und öffentlich gemachten Themen betreiben sie - von vielen Bürgern nahezu unbemerkt - eine Sachpolitik im Interesse von Lobbyisten, Parteifreunden und finanzkräftigen Unterstützern, nicht aber eine Politik im Interesse großer Bevölkerungsteile. Dadurch werden die wirklichen Sachthemen wenig nachhaltig im Interesse von Parteien behandelt, Diskussionen über nachhaltige Lösungsstrategien bleiben aus.

Und sollten wider Erwarten die Bürger doch auf der Lösung von wirklichen Problemen beharren, dann verweist man sie auf ein vollkommen zahnloses Instrument der direkten Demokratie, auf das Volksbegehren, und lässt das Bürgerbegehren sogar so deutlich gegen die Wand fahren, dass man bei der Diskussion darüber das Parlament verlässt und das Anliegen schubladisiert, wie uns dies die österreichische Bundesregierung bei den letzten drei Volksbegehren gezeigt hat.

 

Mit Demokratie, mit Mitspracherecht der Bevölkerung hat das alles so gut wie nichts mehr zu tun. Meyer und Crouch haben Recht: Wir befinden uns längst inmitten eines neuen Zeitalters - im Zeitalter der Postdemokratie. Wie wir darauf reagieren werden, darin besteht die Herausforderung.

 
16.12.2018: Weihnachtswünsche Drucken E-Mail

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe an der Arbeit der Steuerinitiative Interessierte!

Ein weiters Jahr neigt sich dem Ende zu - das 19. Jahr, seitdem die Steuerini aktiv ist. Im November des kommenden Jahres jährt sich der Gründungstag zum 20. Male.

In diesem Jahr sind wiederum nahezu wöchentlich Kommentare zum politischen Geschehen aus meiner Feder erschienen, zahlreiche davon wurden in der Wiener Zeitung, der Kleinen Zeitung und in anderen Printmedien veröffentlicht. Auch eine Bürgerinitiative - „Wohnraum statt Verkehrsstau“ - habe ich gegründet. Sie wehrt sich gegen die Errichtung einer Hochgarage durch die Pensionsversicherungsanstalt im 2. Wiener Gemeindebezirk. Unser Widerstand gegen dieses absurde Projekt wird im Frühjahr des kommenden Jahres fortgesetzt.

Das Ende diese Jahre hat vor allem in Frankreich gezeigt, dass die Bereitschaft vieler Menschen, sich gegen die Politik des Neoliberalismus zu stellen, zugenommen hat. Die Bewegung hat trotz ihrer unterschiedlichen Zusammensetzung gezeigt, wie schnell aus einem Funken ein Flächenbrand werden kann. Wie sich dieses Feuer entwickelt, kann derzeit wohl niemand voraussagen, aber es flackert bereits auch in anderen Ländern.

Ich werde meine Arbeit im neuen Jahr selbstverständlich fortsetzen, wobei ich neben dem alltäglichen politischen Geschehen mein Hauptaugenmerk wieder der Steuerfrage und der Umverteilung widmen werde.

Ich wünsche Ihnen/euch allen ein geruhsames Weihnachtsfest, vor allem aber alles Gute für 2019

 

Gerhard Kohlmaier

 


 
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