Steuerini
Woko vom 5.11.: Wahlversprecher Drucken E-Mail

Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen zwischen der Kurz-ÖVP und der FPÖ stellen nun die verhandelnden Parteiobmänner fest, dass doch etliche, teilweise von allen Parteien während der Wahl- und Vorwahlzeiten beschlossene Maßnahmen nicht gegenfinanziert seien und ein nicht unbeträchtliches Loch im Haushaltsbudget des Staates hinterlassen würden. Welch eine Überraschung!

Gröbere Probleme dürfte dabei die Abschaffung des Pflegeregresses ab dem kommenden Jahr verursachen. Länder und Gemeinden bezeichnen den jährlich dafür vorgesehenen Kostenersatz von 100 Millionen bereits jetzt als viel zu gering. Neu ist das nicht, denn bereits in der Diskussion rund um die Einführung gab es Berechnungen, die zumindest von 600 bis 700 Millionen jährlichen Zuschuss des Bundes an Länder und Gemeinden ausgingen. Von der Caritas bis hin zum WIFO und dem IHS warnten zahlreiche Institutionen vor einer vorschnellen Einführung ohne entsprechende Gegenfinanzierung. Berücksichtigt man die Folgewirkungen der neuen Gesetzeslage und nicht nur den derzeitigen Pflegebedarf, dann dürften die Folgekosten in den nächsten Jahren noch viel höher sein und in die Milliarden gehen.

Nun ist die Abschaffung an sich auf den ersten Blick eine gerechte Sache, denn Pflegebedürftigkeit wird nun wie eine Krankheit gesehen, für welche die Allgemeinheit aufzukommen hat. Sieht man sich jedoch die Sache genauer an, kann man berechtigte Zweifel an der Ausgeglichenheit und Gerechtigkeit der Maßnahme hegen. Denn in Wahrheit bewirkt die Maßnahme eine weitere Umverteilung volkswirtschaftlichen Vermögens von unten nach oben, denn ohne Maßnahmen wie eine Erbschafts- oder Vermögenssteuer zur Finanzierung lachen sich dabei die Vermögenden ins Fäustchen.

Die Besitzlosen, die Geringverdiener, aber auch der Mittelstand dürfen nun die Pflege all jener mitfinanzieren, die bisher für die Kosten selbst aufkommen mussten, weil sie eben über genügend Vermögen verfügen.

Hinzu kommt, dass in den nächsten Jahren auf Grund der Gesetzeslage mit einem beträchtlichen Ansteigen des Betreuungsinteresses in Pflegeeinrichtungen gerechnet werden muss, der Pflegebedarf in den nächsten Jahrzehnten ohnedies beträchtlich ansteigen wird und die Kosten explodieren werden. Wer soll das bezahlen?

Im Wesentlichen sind drei Varianten denkbar: Kurz und Strache, beide lehnen ja neue Steuern für Vermögende ab, werden sich das benötigte Geld durch eine Kürzung anderer staatlicher Leistungen, vor allem im Sozialbereich, holen. Eine zweite Möglichkeit besteht darin, dass die kommende Regierung die Kosten in den Pflegeheimen selbst senkt, also die Qualität der Pflege vermindert. Schließlich könnten die Koalitionsverhandler aber auch auf die Idee kommen, die Zugangsmöglichkeiten zu den Einrichtungen für Pflegebedürftige zu erschweren.

Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen: Letztendlich werden von den gesetzten Maßnahmen vor allem jene getroffen werden, denen man eine Entlastung versprochen hat. Was man ihnen mit der einen Hand scheinbar gegeben hat, wird ihnen die künftige Regierung mit der anderen Hand wieder nehmen.

 

Und ich befürchte, dass diese Vorgangsweise nicht alleine auf die Pflegeproblematik beschränkt bleiben wird, sondern auch für andere Wahlversprechen einer Kurz/FPÖ-Regierung Geltung haben wird und so den Großteil der Bürgerinnen und Bürger nicht ent-, sondern belasten wird.


 
Woko vom 29.10.: Die Vorzeichen stehen schlecht! Drucken E-Mail

Nun wird es ernst. Die Kurz-ÖVP und die FPÖ beginnen die Koalitionsverhandlungen. Das so genannte „neue Regieren“ steht dabei von Anfang an unter Voraussetzungen, die andeuten, dass das Vorhaben wenig bis nichts mit jener Veränderung politischen Agierens zu tun hat, das sich die Mehrheit der Österreicher angeblich so sehnlich wünschen. Denn ich behaupte, dass in wesentlichen Bereichen der „Neugestaltung“ Wege beschritten werden, welche die Macht der Parteien über die Interessen der Menschen stellt. Zwei Beispiele möchte ich dafür anführen:

Die Diskussion über die Abschaffung von Pflichtmitgliedschaften in den Kammern gibt uns bereits einen Vorgeschmack auf das, was uns erwartet. Hier drängt die FPÖ (unter Mithilfe der NEOS) massiv auf eine Schwächung der Kammern, ist ihr politischer Stellenwert in diesen Interessensvertretungen kaum bzw. überhaupt nicht vorhanden. Eine solche Schwächung der Arbeitnehmerrechte käme natürlich einer Partei, dessen Industriesprecher Reinhard Pisec sich noch im November 2016 für eine Erhöhung der Arbeitszeit auf 42 Stunden eingesetzt hat, sehr gelegen.

Auch Kurz liebäugelt mit dieser Idee, geht es in den Arbeiterkammern um eine Zurückdrängen des Einflussbereiches von Arbeitnehmern und in der Wirtschaftskammer um eine Übernahme von deren Aufgabenbereichen durch die Partei, um eine kontrollierte Machterweiterung des direkten Parteieneinflusses im Bereich der Länder und des Bundes.  Dieses neue Regieren will die Macht der Regierung erweitern, den Einflussbereich von Interessensvertretungen von Arbeitnehmern sowie kleinen und mittleren Betrieben schmälern.

Eigenartig und nichts Gutes ahnend sind auch die Vorzeichen für die Koalitionsverhandlungen in der Bildungspolitik. Mit großem medialen Getöse holte Sebastian Kurz Anfang August den Mathematiker Rudolf Taschner als Bildungssprecher in seine Mannschaft. Endlich jemand, der sich in Fragen der Bildung auskennt. So in etwa war das politische Signal. Während des Wahlkampfes übte sich der Neugeworbene zunehmend in bildungspolitischem Schweigen oder er wurde dazu veranlasst. Möglich wäre, dass seine Äußerungen über die „gsunde Watschn“, seine nicht unproblematischen Äußerungen zum Klimawandel und andere, kaum mehrheitsfähige Standpunkte Taschners diesen frühzeitiger in ein politisches Abseits gestellt haben, als sich das der Professor (oder auch Kurz) erträumt hat. Möglich wäre aber auch, dass die für ihn ungewohnte parteipolitische Realität des Agierens und Taktierens Taschner auf sich selbst zurückgeworfen und zum Verstummen gebracht haben.

Offensichtlich hält es Kurz daher nun für notwendig, in bildungspolitischen Fragen noch einmal auf einen schon zu Mitterlehners Zeiten umstrittenen „Experten“ zurückzugreifen: auf Andreas Salcher. Der populistische Autor, als solcher mittlerweile „Experte“ in zahlreichen Lebensfragen, von der Freundschaft bis hin zum Tod, gilt allerdings gerade in Bildungsfragen unter den sich täglich mit Schule und Bildung Beschäftigten als wenig kompetent, bezeichnet sich jedoch selbst als Freund des „Lehrergewerkschaftsbashings“, also der Beschimpfung von Standesvertretern. Salcher ist das Signal der Kurz-ÖVP an die Standesvertretung der Lehrer, dass er in Hinkunft ihren Einfluss genauso einzuschränken gedenkt als den der Kammern. Und Salcher ist mit seinen bildungspolitischen Schnell- und querschüssen auch ein Signal dafür, dass die Demontage des österreichischen Schulwesens hurtig fortgesetzt werden wird.

 

Ich würde mich so gerne täuschen in meinen Prognosen, ich würde so gerne glauben an eine bessere Bildungs- und Sozialpolitik zu Gunsten der Mehrheit der Menschen in diesem Land. Aber die Vorzeichen stehen schlecht und geben Anlass zur Besorgnis.

 

 
Kurz: Ein politisches Chamäleon? Drucken E-Mail

 

Dass Sebastian Kurz in zahlreichen politischen Fragen eine klare Linie vermissen lässt und vor allem in Detailfragen äußerst wortkarg bleibt, hat sich im Wahlkampf gezeigt und wird wohl noch zu einem nationalen Problem werden. Aber auch in Fragen einer zukünftigen Europapolitik steuerte der Außenminister einen Kurs, der auf der internationalen politischen Bühne recht umstritten ist.

Der nach eigenen Angaben glühende Europäer, Außenminister Sebastian Kurz, trat daher beim EU-Gipfel am vergangenen Donnerstag in Brüssel dazu an, gegenüber den Staats- und Regierungschefs anderer EU-Staaten, aber auch gegenüber den eigenen Granden der Europäischen Volkspartei zu bekunden, dass er tatsächlich so ein überzeugter Europäer sei, wie er vorgebe. Notwendig wurde dieser Auftritt, weil Kurz im österreichischen Wahlkampf berechtigte Zweifel an einer EU-freundlichen Politik aufkommen ließ und Regierungschefs europäischer Staaten sowie Vertreter verschiedener EU-Kommissionen seit Jahren den Schlingerkurs des Außenministers in einigen EU-Fragen mit Sorge beobachten.

Tatsächlich sind etliche Positionen, welche Kurz in Fragen einer zukünftigen EU-Politik einnimmt, für ein gemeinsames Vorgehen aller EU-Staaten eher hinderlich oder stehen überhaupt im Gegensatz zu EU-Regelungen.

Nach der Übernahme großer Teile des FPÖ-Wahlprogrammes schwenkte der Außenminister auf einen populistischen Strache-Kurs ein, indem er den Zusammenhang zwischen nationaler Selbstbestimmung und europäischer Integration bewusst ausblendete und auf eine „Wir san wir“ - Haltung in Fragen setzte, die jedoch mit nationalen Alleingängen nicht zu lösen sind, beispielsweise in der Flüchtlings- und Integrationsfrage. Verbündete in der Sache sucht er im Kreis der Repräsentanten der Visegrad-Staaten zu finden, also in Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn, welche ein gemeinsames Vorgehen der EU-Staaten in der Flüchtlingspolitik ablehnen und auf Abschottung ihrer Staaten setzen. Der ungarische Ministerpräsident Orban z.B. setzt sich entschieden gegen eine gemeinsame europäische Migrationspolitik ein. Kurz liebäugelte mit diesem Kurs auf nationaler Ebene und machte ihn zu seinem Wahlprogramm. Zahlreiche mahnende Töne, seine und Orbans Vorschläge betreffend, wie sie etwa im Sommer aus Italien zu vernehmen waren, hielten ihn nicht von diesem Kurs ab. Nun, nach erfolgreich geschlagener Wahl, ruderte der Bundeskanzler in spe in Brüssel sofort wieder zurück, war um Abschwächung seiner osteuropäischen Annäherung bemüht und sprach von „Brückenkopf Österreichs“ in der EU.

Ein nicht unwesentlicher Wahlkampfslogan von Kurz war es auch, die Zuwanderung ins österreichische Sozialsystem bremsen bzw. verhindern zu wollen. Dabei bemühte er Beispiele von Arbeitskräften aus anderen EU-Ländern, welchen er die Sozialleistungen für ihre in den Herkunftsländern verbliebenen Kindern kürzen möchte. Und Kurz sonnte sich im Applaus der rechten Seite und der freiheitlichen Stimmen, die er dafür verbuchen konnte. Allerdings übersah der überzeugte Europäer dabei wohl wissentlich, dass nämlich eine derartige Kürzung im Widerspruch zum Grundsatz der EU steht: Alle Bürger von EU-Staaten sind so zu behandeln wie österreichische Bürger! Hier stellt sich der Außenminister gegen eine der wichtigsten EU-Regelungen, welche man wohl nur dann umgehen kann, wenn man sich zu einem Austritt aus dieser EU entscheidet.

Kurz ist ein Machtpolitiker, der nicht davor zurückschreckt, die Ausländer- und Flüchtlingsfrage genauso für seine Interessen einzusetzen, wie dies in der österreichischen Vergangenheit bisher nur rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien getan haben. Letztlich hat er dieser Taktik auch seinen Wahlsieg zu verdanken. Allerdings hat er dadurch nicht unwesentlich an Reputation innerhalb der EU eingebüßt. Gerade weil Österreich im zweiten Halbjahr 2018 den EU-Ratsvorsitz übernimmt und sich ein Sebastian Kurz auf längere Sicht gegen Merkel, Macron und Gentiloni nur politisch kalte Füße holen kann, gibt sich der Außenminister nun wieder betont europäisch.

Die Taktik des Außenministers erinnert an den Farbwechsel eines Chamäleons. Auch diesem gelingt es, sich durch diese Veränderung zu tarnen, den Gegner zu täuschen. Allerdings muss man auch wissen, dass diese Eigenheit der Farbveränderung mit der Zeit abnimmt. Und dann ist das Tier seinen Gegnern ausgeliefert.

 

 
Endergebnis der Nationalratswahl vom 15.10.2017 Drucken E-Mail

Partei: % , Mandate im Nationalrat

Liste KURZ: 31,5, 62

SPÖ: 26,9, 52

FPÖ: 26, 51

NEOS: 5,3, 10

Liste PILZ: 4,4, 8

GRÃœNE: 3,8, 0

Sonstige: 2,2, 0

 

Wahlbeteiligung:  80%

 
Woko vom 11.10.: Was für ein kläglicher Journalismus! Drucken E-Mail

Seit Beginn des Wahlkampfes bieten die österreichischen Medien den Bürgern dieses Landes ein emotionales Sittenbild der österreichischen Politik. Nicht Inhalte stellen die Journalisten in den Vordergrund, sondern ihre eigene Befindlichkeit sowie die der Parteichefs und der politischen Protagonisten. Jede, mitunter auch noch so dumme Worthülse eines Politikers wird aufgegriffen, jede Mimik und Gestik gedeutet. Spricht der „alte“ oder der „neue Strache“, wie versucht er Wähler zu manipulieren, tritt Kurz staatsmännisch oder aggressiv auf, reagiert Kern zu empfindlich, hat er gar ein „gläsernes Kinn“? Das alles sind Fragestellungen, welche die Wahlkampfberichterstattung der österreichischen Medienlandschaft prägen. Abgesehen davon, dass einige Boulevardblätter ganz offen Stimmung für oder gegen einen Kandidaten machen und ihnen offensichtlich jeder Untergriff recht ist, der die Verkaufszahlen in die Höhe treibt.

Ja und mitunter hört man ein bedauerndes Wort darüber, dass die Inhalte in dieser Wahlauseinandersetzung zu kurz kämen, wohl auch, weil sie teilweise zu kompliziert für das gemeine Volk wären.

Dabei wäre es die Aufgabe der Journalisten, gerade über diese Inhalte zu informieren. Das Volk ist nämlich nicht zu dumm, es wird nur nicht oder sehr unvollständig informiert. Dieser journalistischen Aufgabe kommen die meisten Medien überwiegend nicht nach. Die Oberflächlichkeit des Wahlkampfes, den sie zu Recht bedauern, ist u.a. auch das Ergebnis ihrer Berichterstattung.

Ähnlich verhält es sich mit der Moderation der Gespräche in den audiovisuellen Medien. Ungestört können sich da Wahlwerber den Großteil der Sendung über ihr Verständnis von Einwanderung unterhalten, weil eben dieses eine emotionale Spaltung der Zuseherschaft begünstigt. Konkrete sachliche Fragestellungen sind die Ausnahme. Offensichtlich ist eine hohe Zuschauerquote am leichtesten dann zu erreichen, wenn diese Emotionalität im Vordergrund der so genannten Berichterstattung steht.

Und schließlich wären da noch die Analytiker, welche im Fokus ihrer Interpretationen ebenfalls die Stimmung eines Gespräches, die Frage, welcher Politiker welche Wählerschichten anspricht und ähnliche Fragen haben. Auch bei ihnen gehen die Sachfragen kläglich unter.

 

Karl Kraus hat über den Journalismus einmal überspitzt gemeint: „Der Journalismus ist ein Terminhandel, bei dem das Getreide auch in der Idee nicht vorhanden ist, aber effektives Stroh gedroschen wird.“ Leider halten sich zahlreiche österreichische Journalisten an diese Charakterisierung.

 
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