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Aktuelles Thema: Privatisierung - eine immer wiederkehrende Strategie Drucken E-Mail

Die folgenden Ausführungen habe ich im Mai 2011 verfasst. Sie sind aktueller denn je. Sogar die Akteure sind zum Teil die gleichen geblieben. Der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll macht sich derzeit ganz besonders für Privatisierungen stark, vor allem für jene, die seine Machtstellung nicht gefährden. Siehe "Steuernews/Arbeit und Wirtschaft".

Unsere Politiker sind nicht Eigentümer des Volksvermögens, sondern seine Verwalter. Daher: Keine Privatisierungen ohne vorhergehende Volksabstimmungen!

 

Aktueller Kommentar vom Mai 2011:

 

Die neoliberale Strategie schwenkt auf die Privatisierung um

Die Neoliberalen ändern wieder einmal ihre Strategie. Es ist die Privatisierung, auf die sie nun umschwenken. Sie wird, ob in Griechenland oder in Österreich von den Neoliberalen nun ganz besonders als DAS Mittel gepriesen, um die steigenden Staatsschulden, welche durch die Finanzkrise und dem danach erfolgten Zugriff auf die Steuergelder ganzer Volkswirtschaften verursacht wurde, in den Griff zu bekommen - oder besser gesagt: um die neoliberale Umverteilung von volkswirtschaftlichem Vermögen zu Gunsten einer vermögenden Schicht fortzusetzen.

In Österreich sind es insbesondere der Wirtschaftskammerpräsident Leitl und der Präsident der Industriellenvereinigung Veit Sorger, welche zur weiteren Privatisierung von Staatsbetrieben bzw. Staatsanteilen an Betrieben drängen und sich „in den Dienst der guten Sache“ stellen.

Nachdem die Neoliberalen für die Aufrechterhaltung eines systemkranken, aber für sie selbst durchaus profitablen Finanz- und Wirtschaftssystems die Steuerzahler ganzer Volkswirtschaften in die Geiselhaft genommen und ausgequetscht haben, scheint diese Geldquelle aus mehreren Gründen zu versiegen:

  1. Die Abgaben- und Steuerbelastung für die Mehrheit der Bevölkerung ist bereits so hoch, dass bei weiteren Belastungen nicht ganz einkalkulierte Widerstände breiter Gesellschaftsgruppen zu erwarten sind
  2. Eine weitere Anhebung der Steuer- und Abgabenquote hätte zur Folge, dass eine massive Diskussion über die Anhebung von Vermögenssteuern und anderer Steuerprivilegien der Vermögenden einsetzen würde, ein Szenario, dass die Neoliberalen unbedingt vermeiden wollen
  3. In Griechenland, wo die neuerlich beabsichtigten Steuer- und Abgabeerhöhungen zu massiven Widerständen innerhalb der Bevölkerung und zu zahlreichen Generalstreiks führt, zeigt sich, dass sich das neoliberale System selbst gefährdet, wenn es ihm nicht gelingt, die Bevölkerung, nachdem diese bewusst hinters Licht geführt wird, zu „Scheinverbündeten“ zu machen.

In so einer Situation pflegen die Neoliberalen ihre Strategie zu ändern und eine neue „Einnahmequelle“ zu erschließen. Die systemerhaltenden staatlichen Mittel werden nämlich nur dann weiter fließen, wenn die Staatshaushalte nicht vollkommen aus den Fugen geraten, indem den Staaten beispielsweise keine Kredite mehr gewährt werden, welche sie den Neoliberalen zur weiteren Umverteilung von Unten nach Oben zur Verfügung stellen können.

Daher schießen sie sich nun auf die Argumentation ein, durch eine Privatisierung würde am schnellsten wieder Geld in die Staatskassen fließen. Auch wenn diese Argumentation auf den ersten Blick verlockend erscheinen mag, so ist die Privatisierung bei näherer Betrachtung alles andere als ein taugliches Mittel zum Schuldenabbau, weil sie nämlich mittel- und längerfristig sowohl das teuerste als auch sozial unverträglichste ist.

Die Privatisierung von staatlichen Unternehmen trifft uns nämlich in dreifacher Hinsicht:

  • als ArbeitnehmerInnen
  • bei der Verteilung von Steuern
  • als Konsumenten.

Als ArbeitnehmerInnen möchten wir sichere Arbeitsplätze, eine gute Entlohnung sowie verträgliche Arbeitsbedingungen.

Als BürgerInnen möchten wir möglichst wenig an Steuern bezahlen und möglichst viel an Förderungen erhalten.

Als Konsumenten möchten wir preisgünstige und qualitativ hochwertige Waren und Dienstleistungen erhalten.

Sehen wir uns unter diesen Aspekten einmal einige „Paradebeispiele“ solcher Privatisierungen an:

Die Teilprivatisierung der Post beispielsweise (welche nun weiter vorangetrieben werden soll) hat eine so genannte „Straffung der Organisationsstruktur“ mit sich gebracht, durch welche Hunderte von Postämtern geschlossen und Arbeitsplätze reduziert bzw. Beamte in irgendwelchen sinnlosen Pools „geparkt“ wurden, bis sie freiwillig bei Kürzung der Gehälter zu Hause bleiben oder in Frühpension „gegangen werden“. Die Gebühren wurden drastisch erhöht, die Serviceleistungen nahezu überall empfindlich eingeschränkt. Die so genannten „sozial verträglich abgebauten“ Arbeitsplätze sind auf unbestimmte Zeit weg und belasten die Arbeitslosenrate zusätzlich. Von allfälligen Gewinnen aus dem Unternehmen profitieren wenige Aktionäre. Die Zeche dafür zahlt eine ganze Volkswirtschaft, indem unprofitable Bereiche des Unternehmens „ausgegliedert“ oder überhaupt stillgelegt werden oder aber zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur für die Bevölkerung nach wie vor mittels Steuergelder betrieben oder gestützt werden müssen (Beispiel Busverkehr, vor allem in ländlichen Gebieten).

Jüngstes Beispiel ist die Schließung der 2001 endgültig privatisierten Zigarettenproduktion der Austria Tabak in Hainburg – durch welche 240 Arbeitsplätze in Hainburg und 80 in der Zentrale in Wien vernichtet werden.

Der Mutterkonzern Japan Tobacco Industries (JTI) verlegt die Produktion in ein anderes EU-Land.


Nach Ablauf der gegebenen Standortgarantie wurden bereits die Werke in Schwaz und Fürstenberg stillgelegt (160 Arbeitsplätze). 2007 wurde das Unternehmen von Gallaher an JTI verkauft und von dieser eine weitere Standortsicherung abgegeben. Aber 2009 schloss der japanische Konzern die Linzer Tabakfabrik und vernichtete dadurch 275 weitere Arbeitsplätze und nun erfolgte die Schließung der Produktion in Hainburg.

Nicht vergessen darf man, dass die Austria Tabak ein Unternehmen war, welches jahrzehntelang profitabel gearbeitet hatte und einen nicht unbedeutenden Beitrag zu den Staatsfinanzen geleistet hat. Nach der Privatisierung der Gewinne bleibt dem Steuerzahler nun die Verwaltung der Verluste durch verloren gegangene Arbeitsplätze.

 

Es muss endlich Schluss sein mit dem neoliberalen Wunschkonzert, Verluste auf die Steuerzahler umzuwälzen und Gewinne zu privatisieren! Wir dürfen nicht dabei zuschauen, wie durch weitere Privatisierungen private Konzerne immer mehr Macht auf die politische Gestaltung des Staates bekommen, der Staat seinen Aufgaben für das Gemeinwohl der Bürger nicht mehr nachkommen kann, wie Staaten auf diese Art und Weise immer erpressbarer werden.

 

Insbesondere die nun verstärkt zu erwartenden Angriffe der Neoliberalen, wichtige Bereiche, die das staatliche Gemeinwohl betreffen, sei es die Energieversorgung, Teile der Gesundheitsversorgung, des Bildungswesens oder gar der Wasserversorgung, zu privatisieren, ist entschieden entgegen zu treten.

 

Unsere gewählten Politiker sind nicht Eigentümer des Volksvermögens, sie sind dessen treuhändischen Verwalter und wir müssen Ihnen das Recht absprechen, dieses unser gemeinsames Eigentum einfach nach ihren Gutdünken zu verkaufen.

 

Die „Steuerinitiative“ fordert daher, dass es in Zukunft keine Privatisierungen von  Volksvermögen mehr geben darf, ohne vorher eine Volksabstimmung über ein diesbezügliches Vorhaben durchzuführen.


www.steuerini.at

 

F.d.I.v.: Gerhard Kohlmaier, Steuerinitiative im ÖGB, 1020 Wien, Mai 2011

 
2. Wochenkommentar vom 1.12.2013: Was ist, wenn sie streiken? Drucken E-Mail


Ein möglicher Streik der Lehrer erhitzt die Gemüter, mag sein, dass auch einer des öffentlichen Dienstes insgesamt im Raume steht.

Ja dürfen sie denn das, fragt sich so mancher und vergisst dabei, dass der Streik von Arbeitnehmern ein demokratisches Grundrecht ist. Selbst die Präsidentin des Wiener Stadtschulrates, Brandsteidl, meint in der „Krone“ vom 1. Dezember, dass ein Streik „nicht am Rücken der Kinder ausgetragen werden dürfe“. Ziemlich naiv, meine ich. Ich kenne keinen Streik, der Wirkung hat, wenn alles seinen alten Gang geht. Eisenbahner sollen nur streiken, wenn die Eisenbahn fährt, Metaller nur dann, wenn die Produktion aufrecht bleibt, Ärzte nur, wenn sie gleichzeitig operieren, Lehrer nur dann, wenn Schule stattfindet. Das ist politische Bildung auf einem Niveau, das ich keinem Schüler wünsche.

Bemerkenswert finde ich auch den Vorschlag der Frau Präsidentin, bei einem länger andauernden Streik einfach die Ferien zu kürzen, weil die Regelung ohnehin aus einer Zeit stamme, „in der die Kinder als Erntehelfer gebraucht wurden“. Eine völlig neue Sichtweise des Streikrechts offenbart sich da dem Bürger. Arbeitnehmer, die streiken, müssen in Hinkunft also mit einer drastischen Erhöhung ihrer Arbeitszeit rechnen: Eisenbahner holen eventuelle Verspätungen und doch ausgefallene Züge beispielsweise in ihrer Urlaubszeit nach, Metaller verzichten ebenfalls auf Urlaubstage, Ärzte operieren nach einem Streik Tag und Nacht durch, ja, und Lehrer unterrichten eben in den Ferien.

Zudem bin ich verwundert über den Vorschlag der Präsidentin, in diesem Fall die Sommerferien zu kürzen. Da wäre es doch viel naheliegender gleich zu handeln und die so genannten „Energieferien“ dafür zu nutzen. Diese wurden während der Ölkrise 1974 eingeführt, um in den Schulen Energie zu sparen. Was man sich heute dort spart, wird mittlerweile jedoch in wesentlich höherem Ausmaß an anderen Orten und durch das vermehrte Verkehrsaufkommen, Beschneiung und Betrieb von Wintersportgebieten usw. verbraucht. Ein ökologischer und von der Warte des Energiesparens aus gesehen auch ökonomischer Irrwitz.

Und schließlich könnten die Lehrer den eventuell versäumten Stoff ja auch während der so genannten normalen Unterrichtszeit nachholen, wenn die Kinder statt auf Schikurse, Sommersportwochen, Exkursionen in die Bundeshauptstadt usw. fahren, einfach an den Schulen bleiben und Unterricht stattfindet.

Doch ein guter Vorschlag, Frau Präsidentin. Meinen Sie nicht auch?

 

Gerhard Kohlmaier

 
Wochenkommentar vom 1.12.2013: Koalitionsverhandlungen, die Angst machen! Drucken E-Mail

 


ÖVP und SPÖ haben sich offenbar auf eine gemeinsame Überlebensstrategie geeinigt. Unter dem Motto „Täuschen wir die Bürger weiter!“ nimmt man sich einer Bildungsreform an, die den Namen nicht verdient. Alles, was bisher auf dem Tisch liegt - von der Zentralmatura über das neue Lehrerdienstrecht bis hin zur Ausbildungsfrage künftiger Pädagogen - ist ein Stückwerk, welches dem österreichischen Bildungssystem großen Schaden zufügen wird. Als wäre damit nicht schon genug des pädagogischen Irrsinns, haben die Rumpfparteien sich nun offensichtlich auch auf eine gemeinsame Schule bis zum 12. Lebensjahr geeinigt.

Der Bürger ist verwirrt, zumindest der ÖVP-Wähler, denn dass die SPÖ ein Verfechter der Gesamtschule ist, ohne die Bildungsausgaben drastisch zu erhöhen und für die Bereitstellung notwendiger Ressourcen zu sorgen, ist spätestens jedem klar, der den Inhalt des neuen Lehrerdienstrechts kennt. Dieses stellt die bürokratischen und institutionellen Weichen für diese Gesamtschule und garantiert die nachhaltige Zerstörung des staatlichen Schulwesens. Aber dass die ÖVP, die noch vor den Wahlen hoch und heilig versprochen hat, sie werde an der Langform des Gymnasiums auf jeden Fall festhalten, sich nun auch an dessen Demontage beteiligt, mutet auf den ersten Blick doch eigenartig an. Es darf vermutet werden, dass die Gegenleistung der SPÖ wohl darin bestehen wird, bei der Forderung nach Vermögenssteuern Zurückhaltung zu üben.

Was geschieht hier hinter den verschlossenen, aber mitunter doch durchlässigen Türen der Koalitionsverhandlungen? Offensichtlich sind die beiden Parteien gerade dabei den zukünftigen Machterhalt auf der Fortsetzung von Wählertäuschungen und Kompromissen zu besiegeln, die so faul sind, dass sie zum Himmel stinken. Während Ideenlosigkeit in zahlreichen zentralen Fragen unseres Gesellschaftssystems herrscht und ein gut durchdachtes Konzept eines zukünftigen Schulwesens weiter auf sich warten lässt, einigt man sich darauf, der Bevölkerung die „neue Tatkraft des Regierens“ auf dem Gebiet der Bildung vorzugaukeln. Eine Hauruck-Aktion folgt auf die andere. Hier erhofft man den Applaus der Bevölkerung, welcher - so denkt der politische Schelm - schon bisher mehrheitlich nicht aufgefallen ist, dass dieser Reformwahn die Zukunft ihrer Kinder und des Landes nachhaltig gefährden wird. Wie auch, sorgten die Parteien doch in nahezu jeder Stellungnahme dafür, dass der wahre Inhalt der Reformideen der Bevölkerung möglichst lang vorenthalten wird, aber ein Feindbild vom angeblich faulen Lehrer aufgebaut werden konnte.

Doch langsam wendet sich das Blatt, allmählich beginnen auch Schüler und Eltern zu verstehen, dass es dabei nicht um das zukünftige Wohl der Schülerinnen geht, sondern dass offenbar ein staatlicher Einheitsbildungsbrei für die breite Masse geschaffen werden soll, dem nur jene entkommen werden, die sich teure Bildung an Privatschulen leisten können. Es wird ihnen dabei immer klarer, dass dies kein „Kampf“ der Regierung gegen die Lehrer ist, sondern dass in erster Linie die Zerstörung des staatlichen Schulwesens und somit der Zukunftschancen von ohnehin bereits benachteiligten Bevölkerungsschichten im Zentrum des politischen Vorhabens steht. Bildung für die sozialen Eliten, Einsparungen bei allen anderen, die man ihrer Chancen beraubt, ist das wahre Ziel dieses Reformchaos. Diese Systemlogik kennen wir bereits: Geld für die Banken und Umverteilung hin zu den Vermögenden, aber geringe Löhne und Einsparungen in vielen Bereichen bei der Bevölkerung.

Die Verantwortung für dieses politische Trauerspiel tragen zwei von den Wählern bereits abgestrafte Parteien, welche ihre Pfründe um jeden Preis erhalten wollen. Dass das keine Zukunftsoption sein kann, wird den Bürgern immer bewusster, und es ist daher zu bezweifeln, ob sie dieses Regierungsverständnis von SPÖ und ÖVP noch länger tatenlos hinnehmen werden. (Gerhard Kohlmaier)


 

 
24.11. Wochenkommentar: Offener Brief an den Autor und Lehrer Niki Glattauer Drucken E-Mail

 

Offener Brief an den Autor und Lehrer Niki Glattauer

Wien, 24. November 2013

Sehr geehrter Herr Glattauer!

Am 24.11. erschien im „Kurier“ ein Interview mit Ihnen unter dem Titel „Glattauer: Streikdrohung ist eine Frechheit“ (http://kurier.at/politik/inland/glattauer-streikdrohung-ist-eine-frechheit/37.224.204). Ihre Art der Argumentation halte ich aus vielerlei Gründen für problematisch und ich nehme dazu daher wie folgt Stellung:

Den Widerstand der Gewerkschaft und der vielen Lehrer gegen das neue Lehrerdienstrecht u.a. deshalb abzulehnen, weil dieses ja „nur für junge Lehrer ab 2019“ gelte, zeigt, dass Sie nicht verstanden haben, dass dieses Dienstrecht wesentliche Bedingungen, unter denen eine Schule in der Zukunft arbeiten wird, regelt. Es geht dabei also nicht darum, dass Lehrer wie Sie davon betroffen wären - Ihr Gehalt bleibt, das sehen Sie wohl richtig - ungeschoren. Aber es geht um ein zukünftiges Schulsystem, dessen Qualität durch dieses Lehrerdienstrecht, entscheidend verschlechtert wird.

Wenn Sie dem neuen Dienstrecht die Gesamtnote „Gut“ geben und dies vorrangig damit begründen, dass dadurch endlich Pflichtschul- und AHS-Lehrer „auf ein Niveau gestellt werden“, dann unterstreichen Sie damit meinen Verdacht, Ihre Argumentation findet in erster Linie im Sinne einer Klientel statt, zu deren Vertretung Sie sich offenbar berufen fühlen: den Pflicht- und Hauptschullehrern. Das ist an sich nichts Unehrenhaftes: Problematisch wird es für mich aber dann, wenn diese Motivation offenbar einem Minderwertigkeitskomplex entspringt, weil sie die Bildungsaufgabe einer AHS-Oberstufe mit der einer Hauptschule gleichsetzen, wenn Sie allen Ernstes glauben, dass das Nichtkorrigieren von Hausübungen oder Schularbeiten einen Gradmesser für eine moderne Pädagogik darstellt. Offensichtlich halten Sie dann wohl auch gezielte Unterrichtsvorbereitungen für überholt.

Sie erkennen auch nicht, dass es nicht die Frage von Aufnahmsprüfungen in den Gymnasien wäre, welche die „Zwei-Klassen-Gesellschaft auseinandertriften“ lässt, sondern gerade dieses neue Dienstrecht, welches ein Einsparungspotential ungeheuren Ausmaßes, sowohl an Geld als auch an anderen Ressourcen (z.B. Zeitkonto für den einzelnen Schüler), im zukünftigen Schulwesen darstellt. Österreich ist nach der aktuellen OECD-Studie bereits jetzt Schlusslicht unter allen OECD-Ländern, was die Bildungsausgaben betrifft. Dieses Dienstrecht ist es, was die Entstehung von Privatschulen zur Folge haben wird. Natürlich werden diese nur für jene offen stehen, die sich diese Schulen auch leisten können.

Sind Sie sich bewusst, wovon Sie sprechen, wenn Sie behaupten, die Lehrer müssten „der Realität ins Auge sehen“ und daher Gehaltseinbußen bei gleichzeitiger Erhöhung ihrer Arbeitszeit hinnehmen. Beim Vergleich der Einkommen von Lehrern und anderen Akademikern nach 15 Berufsjahren liegen die österreichischen Lehrer weit unter dem OECD-Durchschnitt (In Deutschland verdienen sie gleich viel, im OECD-Durchschnitt 85% des durchschnittlichen Gehalts anderer Akademiker, in Österreich beträgt der Prozentsatz jedoch nur 62%. OECD (Hrsg.), Government at a Glance, 2013, S. 378). Das ist die Realität, Herr Glattauer. Diese jedoch ignorieren Sie, wenn Sie einer noch flacheren Gehaltskurve das Wort reden. Mir stellt sich daher die Frage, in wessen Interesse sie eigentlich agieren, wenn Sie Ihre Weisheiten unter das Volk bringen.

Ihre Kritik an den in Aussicht gestellten Kampfmaßnahmen der Gewerkschaft kann ich trotz eigener Vorbehalte der gewerkschaftlichen Arbeit in einigen inhaltlichen und taktischen Fragen ebenfalls nicht teilen. Die Gewerkschaft hat nie den Eindruck erzeugt, Lehrer würden nur 20 bis 24 Stunden arbeiten. Sie haben vielmehr ständig darauf hingewiesen, dass ihre Jahresarbeitszeit durchaus der anderer Berufsgruppen entspricht, sie vielleicht sogar übersteigt. Vielmehr waren das die herrschenden Politiker und die Medien, welche das Lehrerbild nachhaltig geschädigt haben. Aber auch Lehrer wie Sie tragen durch ihre undifferenzierte und unsachliche Art der Problemdarstellung nicht unwesentlich zum schlechten Image, das die Lehrer in der Bevölkerung haben, bei. Schließlich springen Sie auch noch auf das medial kolportierte, den Gewerkschaften unterstellte „Blockiersyndrom“ auf, ohne sich zu fragen, wie sehr sich der Verhandlungspartner bei den Gesprächen bewegt hat. Dass Sie sich dabei politisch instrumentalisieren lassen, halte ich für möglich.

Wenn Sie an Ihrer Schule dafür sorgen wollen, „dass kein Schüler etwas von den Kampfmaßnahmen merken wird“, halte ich das einerseits für begrüßenswert, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass Ihre wohl damit verbundene Darstellung der Problemlage jungen Menschen gegenüber zu verantworten ist, andererseits finde ich es aber auch schade, dass Sie damit Ihren Schülern quasi einen Maulkorb in zentralen demokratiepolitischen Fragen umhängen.

Gerhard Kohlmaier

 

 

 

 

 
Wochenkommentar vom 17.11.2013: Warum ein unbefristeter Lehrerstreik notwendig ist Drucken E-Mail

Ob die letzten HYPO-Bilanzen gefälscht sind, wie Medien vor kurzem in den Raum stellten, tut eigentlich nichts zur Sache. Welche Bilanz war bisher schon korrekt? So kann auch das Volk nicht wissen, wie viel ihm das Desaster noch kosten wird. Ihm, dem Steuerzahler.

Dass die Volksbanken-AG für 2014 den Steuerzahler neuerlich um eine Milliarde Bankenhilfe erleichtern wird, ist auch längst nicht mehr das eigentliche Problem, auch wenn es zum Murren Anlass gibt. Auch hier bleibt völlig ungewiss, um wie viele Milliarden der Steuerzahler in Zukunft noch erleichtert werden wird.

Und wenn das Milliardenloch in der Bilanz der Regierung von kolportierten 40 Milliarden nun plötzlich nach Regierungssichtweise auf 24 Milliarden geschrumpft sein soll, so weiß der Staatsbürger, dass diese Aussage sowie die Berechnungsweise nichts bedeuten. Sie ist so viel wert wie der Wunsch, der nächste Sommer möge doch weniger heiß werden.

Was der Staatsbürger jedoch inzwischen weiß, ist die Tatsache, dass er von seinen gewählten Repräsentanten und deren Vasallen in wichtigen staatlichen und mächtigen privaten Institutionen ständig getäuscht und belogen wird.


Dieses Lügen und Täuschen ist mittlerweile sogar salonfähig geworden. So meinte u.a. auch die Wirtschaftsforscherin Schratzenstaller , man könne doch von den Parteien nicht verlangen, dass sie vor den Wahlen die Wahrheit sagten. Das sei doch systembedingt.

Das aber ist das eigentliche Problem. Dieses System hat keinerlei Reinigungskraft, weil es durchsetzt von Akteuren ist, welche die Karrierestufenleiter nur dann erklimmen, wenn sie sich beim Mittäuschen und Tarnen bewährt haben.


Ein gutes Beispiel für diese Täuschungsmanöver ist das neue Lehrerdienstrecht. Hierbei wird dem Volk vorgegaukelt, es handle sich dabei um einen wichtigen Bestandteil einer neuen Bildungsoffensive, durch den die Qualität des Schulwesens verbessert werden kann. Dass jeder im Schulbetrieb Tätige weiß, dass das Gegenteil der Fall ist, tut nichts zur Sache. Die zahlreichen während des Begutachtungsverfahrens eingebrachten Bedenken gegen das Gesetz wurden von Regierungsmitgliedern nicht einmal gelesen. Die Einwände von im Unterrichtswesen Beschäftigten, von Eltern, von Schülern interessieren die „Volksvertreter“ nicht, wissen sie doch ganz genau, dass der Grund für dieses Gesetz nicht eine Erhöhung, sondern eine Reduktion der Bildungsqualität im öffentlichen Schulwesen bewirken wird. Das aber ist der eigentliche Zweck dieses Gesetzes, denn dadurch wird ein wichtiger Schritt zur „Liberalisierung“ des Schulwesens vollzogen. Die Folge davon wird ein Zweiklassenschulsystem sein, in welchem qualitativ hochwertige Bildung nur mehr an teuren Privatschulen für jene erhältlich sein wird, die es sich auch leisten können. Zudem nützt die Regierung im Rahmen dieses Gesetzesvorhabens auch noch die Gunst der Stunde, um die Beendigung der Sozialpartnerschaft zu erproben und das Gesetz ohne Zustimmung der Gewerkschaft zu beschließen.


Die Akteure dieses Systems fühlen sich längst nicht mehr dem Volk verpflichtet, sondern dem international agierenden Finanzkapital, den großen Konzernen und den international tätigen Organisationen, welche die Steuerungsmechanismen in der Hand haben und vorgeben. Sie sind einer echten Systemkritik und Systemänderung nicht zugänglich, weil sie einerseits systemblind und daher in diesem Sinne einfallslos sind, andererseits würden sie sich dadurch selbst in Frage stellen und fürchten daher um ihre gut dotierten Systemrollen.


Einzig und allein das Volk vermag es unter Ausschöpfung aller noch existierenden demokratischen Grundrechte und durch vermehrte politische Aktivität des einzelnen Bürgers jenen Druck auf die herrschende Politik zu erzeugen, welcher die Akteure in wichtigen Fragen zum Umdenken zwingt. Eine solche Gelegenheit könnte sich kommende Woche bieten, wenn die Regierung das neue Lehrerdienstrecht tatsächlich beschließen sollte. Die Folge davon muss ein unbefristeter Streik der Lehrer sein, dem sich all jene anschließen sollten, die gegen eine Verminderung der Bildungschancen und eine Reduktion der Bildungsqualität im Interesse der Zukunft ihrer Kinder sind, aber auch all jene, welche es nicht so einfach hinnehmen wollen, dass die Sozialpartnerschaft außer Kraft gesetzt wird. (Gerhard Kohlmaier)


 
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