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Aktuelles Thema/2, 23.5.: Das ungerechtfertigte Gefasel über Stabilität Drucken E-Mail

 

Das tägliche Beteuern zahlreicher Protagonisten - vom Bundespräsidenten angefangen, über den Bundeskanzler bis hin zur NEOS-Chefin Meinl-Reisinger - in der derzeitigen politischen Situation des Landes ginge es um Stabilität, mutet mehr als seltsam an.

Offensichtlich soll nun diejenige Person, also Kurz, für Stabilität sorgen, welche diese in der jüngsten politischen Vergangenheit des Staates bereits zweimal aufs Spiel gesetzt hat. Innerhalb von knapp zwei Jahren ließ der Bundeskanzler zwei Regierungen platzen.

Die Stabilität einer Regierung an einer Person festmachen zu wollen, wie das derzeit von oben erwähnten Personenkreis geschieht, bedeutet allerdings, den Charakter der parlamentarischen Demokratie gründlich zu missachten. In dieser ist nämlich die einzig vom Wähler dazu legitimierte Institution das Parlament. Dieses bestimmt, dem Wähler und Bürger verpflichtet, über das Wohl des Landes. Und Letzteres ist keine Frage einer Person, sondern eine Frage der Inhalte.

Indem der Bundespräsident seit Beginn der politischen Krise offensichtlich in all seinen Wortmeldungen diese Stabilität auf die Person Kurz und seine ÖVP reduziert, brüskiert er damit nicht nur alle anderen Parteien, sondern insgeheim das höchste demokratisch gewählte Gremium in unserem Land, den Nationalrat. Zur Erinnerung: 31,5% der Stimmen entfielen bei der letzten Wahl auf diese ÖVP, das heißt also, dass offenbar 68,5% der gewählten politischen Vertreter für unfähig erklärt werden, diese Stabilität zu gewährleisten.

Dass Van der Bellen unsere Verfassung keine anderen Möglichkeiten in die Hand gegeben hätte, ist schlichtweg falsch. Selbstverständlich hätte er auch die Regierung auflösen können und für die Zeit einer Übergangsregierung für eine das Kräfteverhältnis im Nationalrat abbildende Regierung sorgen oder zumindest plädieren können. Dann wäre tatsächliche Kontrolle der Regierungstätigkeit sogar unter einem Bundeskanzler Kurz gewährleistet gewesen, würden sich die anderen Parteien gemäß diesem Verhältnis im Nationalrat auch in der Regierung wiederfinden.

Auch das Argument, Österreich müsse an einem Kanzler Kurz festhalten, um unsere Interessen in der EU und im Ausland umsetzen zu können, entbehrt jeglicher vernünftiger Grundlage, denn selbstverständlich sind diese Interessen nicht von einer Person abhängig. Dies belegt auch die Antwort eines deutschen Politikers, der gefragt wurde, ob es ein Problem sei, wenn Kurz nicht am Europäischen Rat am 20./21.Juni teilnehmen könne: „Ehrlich gesagt. Das ist vollkommen egal.“

 

Was ist also diese Stabilität, von der einige nicht genug bekommen, sie immer wieder zu beschwören? Sie ist nichts anderes als eine ungerechtfertigte, nicht haltbare Bevorzugung einer politischen Richtung. Diktaturen weisen in dieser Hinsicht die größte Stabilität auf, wohin sie führen, sollten sich jedoch alle Beteiligten an der derzeitigen Diskussion in Erinnerung rufen.

 

Gerhard Kohlmaier, 23.5.2019


 
Aktuelles Thema, 22.5.2019: Van der Bellen bleibt einiges schuldig Drucken E-Mail

Bundespräsident Van der Bellen hat zur Zeit wahrlich kein leichtes Amt inne. Allerdings gibt die österreichische Verfassung in der jetzigen Situation den zu beschreitenden Weg ganz klar vor.

Umso mehr überrascht es, dass der Bundespräsident in seinen Reden den Anschein erweckt, die Expertenregierung unter einem Bundeskanzler Kurz sei die einzige Regierungsoption. Mit keinem Wort erwähnt Van der Bellen in seinen Reden, dass es nun die Aufgabe des Nationalrates sei, diesen Regierungsvorschlag zu bestätigen oder auch nicht. Gerade dieses Wechselspiel zwischen der Aufgabe des Bundespräsidenten, der Regierung und des Nationalrates ist in der derzeitigen Situation das A und O unserer Verfassung. Mit keinem Wort erwähnt er, dass dies ein völlig normaler Vorgang im Rahmen unserer Verfassung sei. Vielmehr erweckt er bei all seinen Auftritten den Anschein als wäre dieses Kabinett unter Kurz die einzige Option für unser Land. Noch dazu hat es der Herr Bundespräsident sozusagen live miterlebt, auf welche Art und Weise der Bundeskanzler seit Bekanntwerden des Videos mit allen taktischen Mitteln um sein politisches Überleben gekämpft hat. Und da stellt er sich nun hin und präsentiert diesen Mann gleichsam als die einzige Führungspersönlichkeit für unser Land! Ist es tatsächlich so schlecht um uns bestellt?

Ebenso wirkt es befremdend, wenn die höchste politische Autorität im Lande davon spricht, dass die meisten Politiker in diesem Lande das Leben aller verbessern wollten, bekommt doch der Staatsbürger gerade in der derzeitigen Situation ein gänzlich anderes Bild von Politikertätigkeiten geliefert: ein Bild, welches in allen Parteien von Strategiedenken zum eigenen Vorteil und von Machtdenken gezeichnet ist, bei welchem das Wohl der Bürger sekundär ist.

Die Zuversicht Van der Bellens, das werde man schon hinkriegen, das sei etwas typisch Österreichisches, weist wenig Beruhigendes auf. Vielmehr ist diese Aussage ein Verweis darauf, dass der Bürger versichert sein könne, dass auch in dieser Angelegenheit vieles vertuscht und niemals aufgearbeitet werden wird. Denn gerade darin lag und liegt ja das typisch Österreichische in solchen Fällen, egal ob es sich dabei um den BAWAG-Skandal, den Eurofighter-Skandal usw. handelte.

 

Statt die Österreicher auf diese Art und Weise beruhigen zu wollen, hätte ich mir vom Bundespräsidenten wenigstens einige Worte zur lückenlosen Aufklärung der Ereignisse und des Sachverhalts erwartet sowie eine klare Information für die Bürger, die Möglichkeiten betreffend, welche unsere Verfassung im konkreten Fall bietet. Das sollte man von einer moralisch integren 1. Persönlichkeit in diesem Staat einfordern dürfen, zumindest dann, wenn es ihr ein tatsächliches Anliegen ist, den politischen Sumpf in diesem Lande trockenzulegen. Aber leider ist das so nicht geschehen.


 
Aktuelles Thema: Wir, das Volk, müssen uns für die Umverteilung einsetzen und können ihr auch zum Durchbruch verhelfen! Drucken E-Mail

 

Es ist im Wesentlichen unwichtig, auf Grund welcher Studie man die Vermögensverteilung in Österreich betrachtet, weil sich alle darin einig sind, dass in unserem Land im internationalen Vergleich eine besonders hohe Vermögensungleichheit besteht. Fasst man, wie das schon Aristoteles tat,  unter Vermögen all das zusammen, was einen monetären Wert besitzt, so ist diese Verteilungsungleichheit in keinem anderen EU-Land so hoch wie in Österreich.

Während in den südlichen und östlich gelegenen Ländern Europas die große Mehrheit der Menschen in den eigenen vier Wänden lebt, also Immobilienvermögen besitzt, beträgt der Anteil der Immobilienbesitzer in Österreich gerade einmal 47,7% (Agenda Austria, 2015). Diese Tatsache korreliert jedoch stark mit den Einkommensverhältnissen. Denn das Brutto-Durchschnittseinkommen von Arbeitern und Angestellten in Österreich inkl. 13. und 14. Monatsgehalt ist 2360 Euro. Nur 10% der Arbeitnehmer verdienen mehr als 4259 Euro brutto (Hauptverband der Sozialversicherungsträger, 2016). Dass man bei diesen Einkommen Probleme mit dem Auskommen hat und sich beim Vermögensaufbau schwer tut, liegt auf der Hand.

Dazu kommt, dass spätestens seit der Finanzkrise und den darauf folgenden Geldschwemmen der EZB eine weitere Ära der Umverteilung gesellschaftlich erzielter Wertschöpfung von unten nach oben folgte. Die Schere zwischen Einkünften aus Lohnarbeit und Kapitalgewinnen ging noch weiter auseinander, einerseits deshalb, weil man Gewinne privatisierte und Verluste verstaatlichte, andererseits auch deshalb, weil sich Renditen in erster Linie auf den Immobilienmärkten erzielen ließen - oder aber durch das Erben von Vermögen.

Insgesamt besitzen 1% der Österreicher, die Reichsten, 40,5% des Nettovermögens, während die ärmsten 50% zusammen gerade einmal 2,5% des gesamten Nettovermögens ihr Eigen nennen können (AK, Nationalbank 2017).

Aus den genannten Gründen ist das Festhalten am derzeitigen Steuersystem, wie es die türkis-blaue Regierung praktiziert, ein Festhalten an einer extrem ungleichen Verteilung der gesellschaftlich erbrachten Wertschöpfung zum Wohle weniger Vermögender und zum Nachteil der überwiegenden Mehrheit der Bürger.

Weil die Regierung in der Verteilungsfrage Klientelpolitik gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung betreibt, muss sie ständig davon ablenken. Dies gelingt ihr vor allem durch die Schaffung neuer Feindbilder, welche sie für die prekäre finanzielle Situation zahlreicher Österreicher verantwortlich macht. Sie gibt vor, es seien die Ausländer, die Asylwerber, welche den Österreichern Arbeitsplätze wegnehmen, Sozialleistungen beanspruchen und die der Grund für ihre schlechte finanzielle Situation seien. Während sie einem neuen Nationalismus, dem große Teile der Bevölkerung aufsitzen, das Wort redet, geht die Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen weiter hurtig voran. In Wahrheit ist es die von der Regierung geschützte Klientel und die dieser eingeräumte Steuerprivilegien, welche diese Schieflage erzeugen.

Selbstverständlich spielt, was die konkreten Lebensverhältnisse der Österreicher betrifft, auch das relativ hohe Niveau des österreichischen Sozialstaates eine Rolle, das bedeutet, dass viele Leistungen, für die in anderen Ländern die Bürger selbst die Mittel aufbringen müssen, in Österreich solidarisch im Rahmen des Sozialstaates aufgebracht werden. Aus diesem Grund bewirkt aber auch jeder Abbau von Sozialleistungen eine Verschärfung des Ungleichgewichts in der Vermögensverteilung und lässt die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter aufgehen. Es ist daher besonders verwerflich, wenn die türkis-blaue Regierung im Bereich der Sozialversicherungen Leistungskürzungen vornimmt oder aber eine Familienpolitik betreibt, von welcher die ärmsten und kinderreichsten Familien am wenigsten profitieren.

Auch in der Steuerpolitik strebt diese Regierung keine Veränderung der Verteilungsfrage an. Im Gegenteil: Sie tut alles, um die in Österreich herrschende Vermögensungleichheit noch zu vergrößern. So kommt die Senkung der Körperschaftssteuer im Ausmaß von 1,5 bis 2 Milliarden vor allem großen Konzernen a la Raiffeisen u.a. zugute, weil 80% der Gewinne auf diese Konzerne entfallen. Trotz guter Konjunkturlage liegt Österreich bei der Lohnentwicklung jedoch deutlich unter dem Durchschnitt aller OECD-Staaten (OECD, 2017).

Verändern lässt sich diese ungleiche Verteilungsfrage von volkswirtschaftlichem Vermögen nicht durch eine neue Art des Nationalismus, durch Ab- und Ausgrenzung, durch Fremdenfeindlichkeit, sondern einzig und allein durch eine Umverteilung von oben nach unten. Letztere ist am einfachsten durch einen Umbau des Steuersystems zu erzielen.

Diese ist unter der derzeitigen Regierung jedoch nicht zu erwarten, ganz im Gegenteil, die Eingriffe bzw. die als Reform verkauften Maßnahmen gehen nicht nur aus Verteilungsfragen in die falsche Richtung, sondern auch aus ökologischen Gründen, indem sie nahezu sämtliche wichtigen Antworten auf Zukunftsfragen außer acht lassen.

Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass auch Vorgängerregierungen diese notwendige Umverteilung der gesellschaftlichen Wertschöpfung nicht in Angriff genommen haben. Auch sie haben sich dem Primat des Marktes über die Politik untergeordnet und selbst einem Neoliberalismus gefrönt, aus dessen Klammern sie sich bis heute nicht befreien konnten. Insbesondere die Sozialdemokratie steht für diese Entwicklung, ein Grund dafür, warum sie in der Auseinandersetzung mit konservativen und rechtspopulistischen Parteien für viele Wähler an Glaubwürdigkeit eingebüßt hat. Auch die Gewerkschaften haben aus unterschiedlichen Gründen neoliberaler Politik kaum etwas entgegengesetzt, sie haben in Zeiten der größten Umverteilungswelle volkswirtschaftlicher Wertschöpfung von unten nach oben, von den Arbeitnehmern hin zu den Vermögenden, diesen Trend sogar unterstützt, indem sie ihren Mitgliedern lange Zeit eine Politik der Sozialpartnerschaft, die es zu dieser Zeit längst nicht mehr gegeben hat, vorgegaukelt und faule Kompromisse im Rahmen von Sozialkämpfen als das kleinere Übel verkauft haben.  Gut gelebt haben dabei nur die Funktionäre, für die Arbeitnehmer führte diese Vertretungspolitik zum geordneten Abbau mühsam errungener Arbeits- und Sozialrechte und wird bis dato fortgesetzt.

Man kann und muss davon ausgehen, dass die überwiegende Mehrheit der österreichischen Bürger für eine Umverteilung der gesellschaftlich erzielten Wertschöpfung von oben nach unten, von den Vermögenden hin zur Mehrheit der Bevölkerung hin eintritt. Eine solche ist am effektivsten mittels der Einführung von Steuern zu gewährleisten, denn der Großteil der Wertschöpfungsverteilung in einem Staat wird über die Steuerpolitik geregelt.

Wie der französische Ökonom Piketty nachgewiesen hat, haben gerade Erbschaften eine große Bedeutung für die ungleiche Verteilung von Vermögen. Daher ist eine progressive Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen unumgänglich. Nahezu 40% der Streuung von Vermögen lassen sich auf Erbschaften zurückführen. Obwohl in 18 EU-Staaten aus diesen Gründen eine Erbschaftssteuer abzuführen ist, wurde diese in Österreich mit 1.1.2008 ersatzlos abgeschafft. Der Verfassungsgerichtshof hatte bemängelt, dass die Bewertungsvorschriften von Grundstücken dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen. Statt das Gesetz nachzubessern, verzichtete die SPÖ-ÖVP-Regierung vollständig auf dieses Regulativ. Dabei ergäbe sich bei einer Besteuerung von 25% ab einer Freibetragsgrenze von 1 Million Euro ein Steueraufkommen von ca. 700 Millionen Euro. Betroffen davon wären nur die reichsten 1-2% der Bevölkerung.

Aber auch die Einkommensverhältnisse tragen wesentlich zur ungleichenVermögensverteilung bei. Aus diesem Grund sollten auch die Spitzeneinkommen einer progressiven Besteuerung unterliegen. Was spricht dagegen, auf Top-Einkünfte, die über 500 000 Euro jährlich liegen, Steuersätze von 80% einzuführen. Nichts. Oder kann mir jemand erklären, wie jemand ein Managergehalt von mehreren Millionen Euro mit seiner Leistung rechtfertigen kann.

Eine längst überfällige Änderung im Steuersystem ist die Umstellung der Sozialversicherungsleistungen von Gehältern und Löhnen hin zur erzielten Wertschöpfung eines Unternehmens. Die Sozialversicherungsbeiträge der Unternehmen sind derzeit an die Lohnsumme gekoppelt. Das führt dazu, dass personalintensive Unternehmen relativ viel an Sozialversicherungsbeiträgen abführen, während Unternehmen, die wenig personalintensiv sind und mit neuen Technologien arbeiten, trotz Milliardengewinnen kaum etwas zur Sicherung von Sozialversicherungsleistungen beitragen. Die mit der Umstellung verbundenen Schwierigkeiten in Einzelbereichen (Einpersonenunternehmen, öffentlicher Bereich,…) sind bekannt und leicht zu lösen.

Und selbstverständlich benötigen wir dringend eine neue Form von Steuer, um die von K.H. Grasser unter dem Titel „Kapitalmarktoffensive“ im Jahr 2000 abgeschaffte Börsenumsatzsteuer durch eine effektive Besteuerung von Finanzgeschäften zu ersetzen. Es ist nicht verwunderlich, dass es unter dem österreichischen Ratsvorsitz der Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Finanztransaktionssteuer“ Finanzminister Hartwig Löger war, der das Ende des Vorhabens einer europäischen Variante der Finanztransaktionssteuer verkündete. Das jedoch bedeutet nicht mehr oder weniger, als dass sich die Finanzlobby gegenüber einer Politik durchgesetzt hat, die längst nicht mehr im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung agiert. Wir brauchen Investitionen in die Realwirtschaft, nicht aber Spekulationen auf den Finanzmärkten. Wohin uns letztere führen, hat uns unter anderem die Finanzkrise gezeigt. Es ist also dringend notwendig dieser Finanzwirtschaft Zügel anzulegen, sowohl im Rahmen der nationalen als auch der internationalen Steuergesetzgebung.

Nun wissen wir jedoch aus der Vergangenheit, dass die Regierenden kein Interesse an dieser Art von Umverteilung mittels eines Umbaus des Steuersystems haben. Zu sehr sind die Repräsentanten des Volkes mittlerweile Teil eines Systems, welches zwar der Mehrheit der Bevölkerung zum Nachteil gereicht, von dem sie jedoch persönlich profitieren, so lange sie es gewähren lassen. Regierungen, Parteien oder Gewerkschaften werden diese längst fälligen Änderungen daher auch in Zukunft nicht herbeiführen.

Es muss also das Volk selbst sein, das die Regierenden zum Handeln zwingt. In einer Demokratie ist diese Willensäußerung des Volkes dann für jede Regierung verbindlich, wenn sie im Rahmen von Wahlen und von Volksabstimmungen erfolgt. Wahlgemeinschaften zum Thema „Umverteilung“ sind eine Möglichkeit, diesbezügliche Veränderungen im Rahmen der parlamentarischen Demokratie herbeizuführen. Eine andere sind Volksabstimmungen. Mit Volksabstimmungen kann dem Willen des Volkes gegen die Interessen von Parteien, Lobbyisten, gegen die Interessen und die Macht der Reichen zum Durchbruch verholfen werden. Und wenn man Volksabstimmungen von „oben“ weiterhin verhindert, dann soll sie das Volk selbst durchführen: Volksabstimmungen von „unten“ als demokratische Willensäußerung des Volkes, welche von jeder Regierung umzusetzen ist.

Gerhard Kohlmaier, Jänner 2019

 

P.S.:Beide Vorschläge (Wahlgemeinschaften, Volksabstimmung) wurden von der Steuerinitiative bereits 2008 konkretisiert und finden sich ausgearbeitet unter http://www.steuerini.at/index.php?option=com_content&view=article&id=6:strategien-gegen-eine-neoliberale-politik&catid=16:programm&Itemid=19 und auf der Homepage http://www.umverteilung.at

 
Aktuelles Thema vom 21.10.2018: Sie bekommen nie genug. Warum sollten sie auch! Drucken E-Mail

Lohn- und gehaltsabhängige Bürger können sich, insofern sie fleißig und sparsam sind und ihr Einkommen überhaupt die Lebenserhaltungskosten deckt, unter Umständen etwas auf die Seite legen. Reich können sie dadurch nicht werden, dafür sorgen schon die Banken, aber für einen Notgroschen mag es hie und da noch reichen.

Die Vermögenden wurden und werden nie durch Arbeit reich, sondern indem sie andere für sich arbeiten lassen, den durch Lohnarbeit und Warenverkauf erzielten Mehrwert abschöpfen und diesen im Regelfall in Finanzprodukte und Finanzspekulationen investieren. Nicht sie arbeiten, sondern nach den Lohnsklaven soll nun das Geld selbst für sie arbeiten und sich vermehren. Verspekulieren sie sich bei ihren Finanzmanövern, dann werden nicht selten die Steuerzahler - im Wesentlichen also noch einmal die Lohnabhängigen, denn der Fiskus schont die Vermögenden - zur Kasse gebeten, um die ärgsten Verluste zu verhindern.

Die Finanzkrise und deren Folgen stehen beispielhaft für diese von den Regierungen unterstützten Machenschaften. Der HYPO-Skandal ist ein weiteres Beispiel für diese Praxis.

Aber den Vermögenden reicht diese Bereicherungsstrategie nicht. Die von der etablierten Politik direkt und indirekt bereitgestellten Schenkungen ans Kapital, die Steuersenkungen und Steuerbefreiungen, Stiftungskonstruktionen, Steueroasen u.v.a.m. sind ihnen zu wenig. Laut einer IWF-Studie wurden die Steuern für Reiche in den OECF-Staaten seit 1981 von 62% auf 35% gesenkt. In Österreich unternimmt die neue Regierung Kurz große Anstrengungen, um diesen Trend nach unten fortzusetzen. Trotzdem scheint die Gier der ohnedies überproportional Begünstigten kein Ende zu nehmen. Sie sind ständig auf der Suche nach neuen Steuerschlupflöchern, nach neuen Möglichkeiten, um diese Gier zu befriedigen.

Der jüngst aufgedeckte Skandal dieser Bereicherungsstrategie wird mitunter als „Coup des Jahrhunderts“ bezeichnet. Es handelt sich dabei nach Ansicht des Mannheimer Universitätsprofessors Christoph Spengel um „den größten Steuerraub in der Geschichte Europas“, bei welchem zwischen 2001 und 2016  Steuergelder in der Höhe von 55 Milliarden Euro zu Unrecht eingeheimst wurden.

Die so genannten Cum-Cum- und Cum-Ex-Geschäfte haben es dabei wahrlich in sich. Es handelt sich dabei um Machenschaften von Spekulanten, um an das von ehrlichen Bürgern eingezahlte Steuergeld zu kommen und dieses zu plündern. Wie gesagt, über 15 Jahre hindurch eine erfolgreich angewandte Strategie. Im Wesentlichen wurde dabei die bereits bezahlten KESZ mehrfach rückerstattet.

Im Sommer 2017 wurde dieser Steuerbetrug von Aktienhändlern, Banken, Steuerberatern und Anlegern von einem Reporterteam erstmals aufgedeckt, während die politischen Finanzexperten in den Ländern offensichtlich eineinhalb Jahrzehnte entweder in der Pendeluhr geschlafen haben oder die Machenschaften gewähren ließen. Nun wurde das wahre Schadensausmaß wiederum durch ein Konsortium von Journalisten aus 12 Ländern aufgedeckt.

Die Plattform „abbendum“ und das Magazin „News“ berichten, dass Österreich bedeutend stärker von diesen Betrügereien betroffen ist als bisher an die Öffentlichkeit gedrungen ist. Schätzungsweise dürfte der österreichische Fiskus bis 2014 zwischen 50 und 100 Millionen Euro jährlich an die Betrüger ungerechtfertigter Weise ausbezahlt haben. Rechnete man die vermutete Summe über den Betrugszeitraum hoch, dann käme man auf ein Schadensausmaß zwischen 700 Millionen und 1,4 Milliarden Euro. Keine Peanuts, möchte man glauben, vor allem in Zeiten von Sozialabbau.

Laut dem Rechnungshof hat es Österreich über Jahre hinweg verabsäumt, dem Treiben durch eine bessere Kontrolle Einhalt zu gebieten. Seit 2007 bemängelt er die unzureichende Personalausstattung der Finanzbehörden. Nun stellt sich zudem heraus, dass kaum Unterlagen über diese betrügerische Rückerstattung von KEST-Geldern vorliegen.

Doch das österreichische Finanzministerium gibt bekannt, dass bisher kein Schaden eingetreten sei und Finanzminister Lager beteuert in einer parlamentarischen Anfrage am 20.9.2018, dass über 38 Millionen an ungerechtfertigten Auszahlungen verhindert werden konnten.

Wir werden wohl nie erfahren, wie groß der Schaden in Österreich wirklich ist, denn im Unterschied zu Deutschland, wo derzeit mehrere Gerichtsverfahren in der Causa anhängig sind, spricht man in Österreich vom „Stoppen“ ungerechtfertigter Zahlungen. Gerichtsverfahren, um tatsächlich Licht ins Dunkel zu bringen und das wahre Schadensausmaß zu ermitteln und die Betrüger gemäß der Gesetzeslage aus dem Verkehr zu ziehen, sind in Österreich derzeit offenbar nicht anhängig. Auch von einem Untersuchungsausschuss zur Angelegenheit ist derzeit keine Rede. Offensichtlich behandelt man hierzulande Steuerbetrug ab einem gewissen Ausmaß auf höchster Ebene immer noch als eine Art Kavaliersdelikt. Gemäß der Devise: Die Kleinen sind zu scheren, bei den Großen lässt man den Wildwuchs weiterhin wuchern.

 

Kein Wunder, dass sie nicht genug bekommen. 21.10. 2018



 
Aktuelles Thema, 21.1.2018: Im Würgegriff der Finanzeliten Drucken E-Mail

Die amerikanische Ratingagentur S&P hat die Kreditwürdigkeit von Griechenland um eine Stufe hinaufgesetzt (von B- auf B), weil sich die Aussichten auf wirtschaftliches Wachstum verbessert hätten. Schön, wird sich so mancher denken, endlich geht es aufwärts mit dem krisengeschüttelten Land. Mitnichten.

S&P gibt mit dieser Hinaufstufung ein Signal, dass Ausfallrisiken für Kredite im Falle Griechenlands eine Spur geringer geworden sind. Durch die bisherigen Hilfspakete von einzelnen Staaten, ESM. EFSF und IWF erhielt das Land seit 2010 fast 260 Milliarden Euro.

Ungeachtet der Tatsache, dass große Teile der griechischen Bevölkerung über Jahrzehnte hinweg ein äußerst eigenartiges Verhältnis zu ihrem Staat hatten, den sie auf ihre Weise zu ihrem eigenen Vorteil ausplünderten, sich solcherart auch durchaus an ihm bereichert haben und der Ruf nach eben diesem Staat nun mitunter auch merkwürdig erscheinen mag, waren und sind es die politischen Eliten dieses Staates, welche die Weichenstellungen gestellt haben und stellen, die in erster Linie den Geldeliten zugute kommen.

So floss der Großteil der Milliarden an Hilfsgeldern zwar nach Griechenland, um dann sogleich wieder den Weg ins Ausland anzutreten, um Gläubigerforderungen zu erfüllen. Die Schulden wurden also nur umverteilt - von privaten Gläubigern wie Banken hin zu Staaten und Steuerzahlern. Der griechische Staatshaushalt konnte höchstens von 5% der genannten Summe profitieren, und das auch nur, damit die staatlichen Rahmenbedingungen erhalten bleiben. Für die ehemaligen Gläubiger und zukünftigen Finanzoligarchen ist die Hinaufstufung ein erstes Signal, ihre „Griechenland-Zockerei“ wieder fortzusetzen, denn sie bedeutet im Wesentlichen nur, dass das Land wieder leichter an Kredite kommen wird und so die Verschuldung fortsetzen kann.

Die soziale Situation im Land ist erschreckend: die Armutsquote hat sich seit 2008 verdoppelt, wobei es an Verhöhnung der Menschen grenzt, dass als arm nur jemand eingestuft wird, der weniger als € 176 im Monat zur Verfügung hat, Renten und Löhne wurden so drastisch gekürzt, dass sie nicht mehr zum Leben reichen, die Gesundheitsversorgung ist in vielen Teilen des Landes nicht gesichert, die Arbeitslosenrate ist die höchste in der EU. Nach zahlreichen Privatisierungen und sozialen Einschnitten für die Menschen im Land beschloss die Regierung Tsipras am Jahresende die nächsten Einschnitte, u.a. wiederum bei den Pensionen, aber auch die Streikrechte von Gewerkschaften wurden beschnitten.

Große Teile der staatlichen griechischen Infrastruktur sind inzwischen privatisiert. Der deutsche Flugbetreiber „Fraport“ betreibt 15 griechische Flughäfen, darunter Thessaloniki, Kreta und Santorini. Airports, welche keine Profite abwerfen,wurden nicht übernommen. Die Verträge sind jedoch so gehalten, dass sie die Risiken beim griechischen Staat belassen, die Profite jedoch „Fraport“ zustehen. Das deutsche Unternehmen zahlt weder Steuern noch Wasserabgaben, in Zukunft steigende Strom- und Telekommunikationsgebühren zahlt ebenfalls der griechische Steuerzahler.

Der Hafen von Piräus wurde an den chinesischen Cosco-Konzern verkauft, der Hafen von Thessaloniki ging an einen Hedge-Fonds in München und den russischen Oligarchen Savidis.

Die griechische Staatsbahn wurde zu einem Spottpreis von 45 Millionen Euro an die italienische Bahn verkauft, die Schulden der Bahn in Höhe von 692 Millionen verblieben dem griechischen Steuerzahler. Das staatliche Glücksspielunternehmen OPAP ging zu 67% an einen tschechischen Eigentümer die restlichen 33% an einen privaten griechischen Reeder, wobei der Erlös des Verkaufs nur 1,5% des vorherigen Gewinns betrug.

Vier der wichtigsten Kraftwerke der Elektrizitätsgesellschaft DEI sollen noch 2018 privatisiert werden, auch die Metro in Athen, die Gaswerke sowie die Wasserversorgung für Athen und Thessaloniki sind weitere Privatisierungsobjekte.

Zusätzlich kam und kommt es zu einem regelrechten Ausverkauf von Immobilien und für die Zukunft lukrativen Grundstücken in Griechenland durch ausländische Investoren.

Der griechische Staat hat gewichtige Teile seiner Einnahmequellen verloren, er hat sie preisgegeben einem nach Rendite schielenden Finanzkapital und er hat sich mit Hilfe seiner politischen Repräsentanten in dessen Abhängigkeit begeben. Er hat Zukunft verspielt, statt diese - in einer zugegebenermaßen heiklen Gegenwart - neu zu gestalten.

Nun stufen die Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit des Landes wieder hinauf, denn das Land ist noch nicht genug ausgebeutet, es lässt sich noch verdienen an ihm. Doch man kann nur Geld verdienen, wo auch ein Geld ist. Und die griechische Bevölkerung ist nicht mehr kaufkräftig. Da muss man nachhelfen, indem man die neuerliche Verschuldung des Landes erleichtert. Nichts anderes bedeutet die Hinaufstufung durch die Ratingagenturen. Sie ist ein Signal dafür, dass der Spekulationskreislauf nun wieder fortgesetzt werden kann. Dass sich dadurch der Großteil der griechischen Bevölkerung in weitere Abhängigkeiten begeben wird, spielt dabei keine Rolle.

Auf diese Weise lässt der Würgegriff des Finanzkapitals zwar scheinbar nach, doch der Strick wird nur kurzfristig gelockert, um ihn im Bedarfsfall wieder anzuziehen. Dann geht der soziale Niedergang der Mehrheit der Bevölkerung weiter. Wäre es nicht besser für die Zukunft Griechenlands gewesen, zur Drachme zurückzukehren und eine systemische Veränderung im Staatswesen zu erwirken, welche die Grundlage für eine Neuausrichtung von Staat und Wirtschaft hätte sein können?

 

Das frage ich mich nicht nur im Fall Griechenlands. Mit solchen systemischen Fragen sollten auch wir uns auseinandersetzen, denn wir haben allen Grund dazu: drohende neuerliche Finanzkrisen, ökologische Katastrophen, ein sich zuspitzendes Ringen um die letzten Ressourcen dieser Erde, vor allem um Wasser, Kriegsgefahren praktisch in allen Teilen der Welt. Wenn das nicht Gründe genug sind, was dann?

(Gerhard Kohlmaier, Jänner 2018)

 
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