Aktuelles Thema, 28.7.: Mit Zaudern in der Steuerfrage ist kein Staat zu machen, erst recht keine Wahl zu gewinnen Drucken E-Mail

 

Es ist nichts Neues, dass sich die SPÖ mit der Forderung nach neuen Steuern schwer tut. Vermögensbesteuerung, Finanztransaktionssteuer, Besteuerung der Wertschöpfung u.a.m. prallten nicht nur am langjährigen Koalitionspartner ÖVP ab, sie fanden wohl auch nie Anklang bei den Wählern.

Letzteres scheint auf den ersten Blick verständlich, denn wer zahlt schon gerne Steuern. Allerdings nur auf den ersten Blick, denn der Staat benötigt Steuereinnahmen, um seinen Aufgaben nachzukommen, sei es im Bereich der Bildung, der öffentlichen Infrastruktur, im Pensions-, Gesundheits- und Sozialsystem. Fehlt es in diesen Bereichen an Einnahmen, dann steigen die Selbstbehalte gerade für jene Bürger, die sich diese Steigerung nicht leisten können. Für Vermögende sind Krankheitskosten, Altersvorsorge, Bildungskosten usw. in der Regel kein Problem, für die überwiegende Mehrheit der Lohnabhängigen jedoch sehr wohl.

Ein zweiter, wesentlicher Aspekt des Steuersystems ist Verteilung der Steuerlast. Sie sollte

je nach Einkommen und Vermögen gestaffelt erfolgen, wobei Geringverdiener in einem sozialen Staat geschont werden sollten, höhere Einkommensbezieher und Vermögende hingegen können mehr zum Staatswohl beitragen. Das ist bei Lohneinkommen im Wesentlichen der Fall, allerdings werden ärmere Haushalte nach einer aktuellen WIFO-Studie überproportional durch indirekte Steuern, z.B. durch die Mehrwertsteuer, belastet.

Anders sieht die Sache jedoch beim Steueraufkommen aus Vermögen und Unternehmensgewinnen aus. Während das oberste 1% rund 40% des Gesamtvermögens besitzt, entfallen auf die ärmere Hälfte nur 2,5%. Trotzdem liegt Österreich mit einer Vermögenssteuerquote von ca. 1,3% nahezu am Schlusslicht aller OECD-Staaten, wo alleine der Durchschnitt der Vermögensbesteuerung 5,6% am Gesamtsteueraufkommen ausmacht.

Auch die Unternehmen tragen immer weniger zum Gemeinwohl bei. Während die Beschäftigten 80% aller Steuern in Österreich zahlen, tragen Unternehmen trotz steigender Gewinne gerade einmal 20% dazu bei. Der höchste Steuersatz der Körperschaftssteuer lag 1972 noch bei 55%, derzeit beträgt er  25%, die alte Regierung unter Bundeskanzler Kurz wollte den Tarif noch weiter auf 20% senken.

Selbst die Europäische Kommission kritisiert im aktuellen Länderbericht sowohl das Vorhaben einer weiteren Senkung der Körperschaftssteuer als auch die geringe Vermögensbesteuerung und empfiehlt der österreichischen Regierung durch eine deutliche Anhebung der Vermögens- und Erbschaftssteuer eine größere Umverteilung von oben nach unten. Laut EU-Kommission liegt das Einkommenspotential bei der Vermögensbesteuerung je nach Gestaltung zwischen 2,7 und 6,3 Milliarden Euro.

Aber die Vorsitzende der SPÖ, Rendi-Wagner, wich selbst im letzten ZiB2-Interview zunächst auf Armin Wolfs Frage nach der Anhebung einer gerechteren Erbschafts- und Vermögensbesteuerung auf die Besteuerung großer internationaler Online-Konzerne aus, bevor sie - erst nach mehrmaligem Nachfragen des Moderators - eine mehr als vage Andeutung in diese Richtung machte. Sie spricht lieber von einer „Reichensteuer“, die ihrer Ansicht nach gerade einmal eine halbe Milliarde Euro einbringen sollte.

 

Die SPÖ und ihre alte Funktionärsschicht können in der so wichtigen Steuerfrage aus mehreren Gründen nicht punkten. Einerseits haben sie selbst über Jahrzehnte einen gewichtigen Anteil daran, dass diese Ungleichheit überhaupt erst entstehen konnte, andererseits haben sie es sträflich vernachlässigt in der öffentlichen Diskussion dafür Sorge zu tragen, dass die Bevölkerung die Problematik versteht. Das Zaudern in dieser Frage ist somit systembedingt und kann letztlich auch noch bewirken, dass wichtige Teile der SPÖ-Klientel den letzten Funken Vertrauen in diese Partei und ihre Vorsitzende verlieren.


Gerhard Kohlmaier, 28.7.2019