Wochenkommentare
Woko vom 3.12.: Diese Justiz agiert nicht mehr im „Namen des Volkes“ Drucken E-Mail

 

Die österreichische Justiz liefert in letzter Zeit immer wieder - und zwar abseits des juristischen Fachwissens - berechtigte Anlässe zu Diskussionen über diverse Gerichtsverfahren und Urteilsbegründungen. Das hängt vielfach damit zusammen, dass ein Rechtswesen sich überhaupt nur dann durchsetzen kann, wenn es von den Bürgern eines Staates mitgetragen wird, wenn sich diese damit identifizieren können und Rechtssprechung nicht nur eine Angelegenheit der Juristen selbst ist. Daher werden Urteilsbegründungen ja auch mit „Im Namen des Volkes“ eingeleitet. Diese Identifikation fällt jedoch in letzter Zeit immer schwieriger.

In der BUWOG-Affäre rund um den ehemaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser und zahlreichen Mitangeklagten führt die Staatsanwaltschaft nun seit dem Jahr 2009! Erhebungen durch, bis man sich im Sommer 2016 auf Grund eines verursachten Schadens von ca. 10 Millionen Euro zur Anklage gegen besagte Personen entschloss.

Nun sollte am 12.12.2017 endlich der Prozess beginnen, aber siehe da, der Termin wackelt, weil seit 15.11. Zweifel an der Zuständigkeit der Richterin aufgetaucht sind. Darüber und somit über den Beginn des Prozesses entscheidet nun der OGH einen Tag vor dem angesetzten Prozesstermin. Man darf gespannt sein, wundert sich als Staatsbürger jedoch über die Zeitfenster, die sich hier auftun bzw. über Handeln oder Nichthandeln der Justiz in Einzelfällen. Im Sinne der Bürger sind solche Vorgehensweisen wohl nicht.

Noch mehr Volkserstaunen erzeugen jedoch etliche Urteilsbegründungen von Richtern in letzter Zeit, vor allem dann, wenn es sich bei den Angeklagten um einflussreiche Persönlichkeiten handelt oder solche hinter ihnen stehen.

Da wäre einmal der Freispruch des oststeirischen Arztes Dr. Lopatka vor etwas mehr als einem Monat. Dem Angeklagten, dessen Bruder ein hochrangiger ÖVP-Politiker ist, wurde vorgeworfen, seine Kinder jahrelang misshandelt zu haben. Die Urteilsbegründung des Richters führte zu einem Aufschrei der Öffentlichkeit und war so absurd, dass nun sogar die Justiz selbst Erhebungen wegen politischen Interventionen aufgenommen hat.

Auch nur etwas mehr als einen Monat ist es her, dass das Oberlandesgericht Wien im Tetron-Prozess das Strafausmaß für die Lobbyisten Mensdorff-Pouilly derart drastisch reduziert hat, dass diesem ein Gefängnisaufenthalt erspart bleibt, und zwar mit der Begründung des Richters, der Angeklagte habe den verursachten Schaden beglichen und sich seit Bekanntwerden der Causa „wohlverhalten“, also nichts mehr angestellt. Dabei war Mensdorff-Pouilly im Blaulichtprozess Ende 2015 eben zu dieser Schadenswiedergutmachung verpflichtet worden. Und sollte - meine ich gemäß solcher Urteilsbegründungen - Karl-Heinz Grasser im Falle einer Verurteilung in den vergangenen Jahren nichts mehr angestellt haben, so wäre wohl auch von einer eventuellen Haftstrafe abzusehen, oder? Ja, selbst ein Mörder, der sich nach seiner Tat anständig verhält und keine weiteren Gräueltaten verübt, wäre dementsprechend zu beurteilen.

2009 wurde ein Gerichtsverfahren wegen „Ortstafelverrückung“ gegen den Kärntner Landeshauptmann mit der Begründung des Richters eingestellt: „Gerhard Dörfler verfügt über keine juristische Ausbildung, er war vormals in einer Bank tätig. Aus seinem politischen Verhalten ist abzuleiten, dass er seinem Mentor Dr. Haider treu ergeben ist und dessen Ideen bedingungslos umsetzt. Fraglich bleibt, ob Dörfler die strafrechtliche Tragweite seiner Handlungen einzuschätzen vermochte.“ Heißt also im Klartext: Für einen Landeshauptmann gelten Nichtwissen, Abhängigkeiten und offensichtlich auch Dummheit als Entschuldigungsgründe und werden strafrechtlich nicht weiter verfolgt.

 

Im „Namen des Volkes“ sind solche Vorgänge im österreichischen Justizwesen schon lange nicht mehr. Im Gegenteil, sie nähren den Verdacht des Volkes, dass diese Justiz mit zweierlei Maß misst, dass die Urteilsfähigkeit der Richter je nach sozialer Stellung des Angeklagten und dessen Machtverhältnissen beeinflussbar ist. Demgemäß ist das Vertrauen des Volkes in eine derart gestaltete Gerichtsbarkeit nachhaltig geschädigt, aber offensichtlich ziehen die politisch Verantwortlichen aus all den erwähnten Vorgängen keine Konsequenzen. Cui bono?

 
Woko vom 26.11. = Aktuelles Thema vom 23.11. Drucken E-Mail

Der Wochenkommentar vom 26.11.2017 entspricht dem Aktuellen Thema vom 23.11.

 
Woko vom 19.11.: Europäische Machenschaften der Kurz-ÖVP Drucken E-Mail

Vor noch ca. einer Woche bremste unser Finanzminister Schelling Bemühungen der EU zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung, indem er sich mit den bekannten Steueroasen-Ländern wie Luxenburg, Malta, Zypern, Irland und Großbritannien in eine Reihe stellte und dadurch eine schnelle Einigung zur Verhinderung der Abgabeflucht verhinderte.

Andere Staaten wie Deutschland bekämpfen den Steuerbetrug über Plattformen wie Amazon und eBay auch auf nationaler Ebene. Man will sich so ca. eine Milliarde zurückholen. Sogar Großbritannien hat das Steuerschlupfloch bereits geschlossen. In Österreich verzichtet das Finanzministerium auf eine eigene Initiative. Schließlich geht es ja nur um ca. 100 Millionen, die dem Fiskus durch die Onlineplattformen entgehen. Man warte auf europäische Lösungen, lässt man aus dem Finanzministerium verlauten. Ob man diese dann auch wieder zu verhindern trachten wird? Es ist zu befürchten.

Dieser Tage unterzeichnete Außenminister Kurz einen EU-Verteidigungspakt, wobei er die Bevölkerung über dessen Ziele und Bedingungen vollkommen unzureichend informierte.

Diese „Ständig Strukturierte Zusammenarbeit“ (SSZ) ist im EU-Vertrag von Lissabon geregelt und fordert von den Mitgliedsländern nämlich „regelmäßig real steigende Verteidigungsbudgets“ ein. Aber Kurz sprach bei der Unterzeichnung von Einsparungen. Während die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen von einem weiteren Schritt „in Richtung der Armee der Europäer“ sprach, übte sich Außenminister Kurz in Beschwichtigungen die österreichische Neutralität betreffend.

Schelling und Kurz geben uns somit mehr als einen Vorgeschmack auf ihre zukünftige EU-Politik, welche so gar nicht im Interesse der Mehrheit der österreichischen Bevölkerung ist. Denn diese Mehrheit ist gegen die Praktiken der Steuerhinterziehung von großen Konzernen und reichen Privatpersonen, sie ist gegen eine Erhöhung der Militärausgaben und gegen militärische Abenteuer, welche mit unserer Neutralität und Verfassung nicht vereinbar sind.

Dass Mitglieder der ÖVP eine Europapolitik im Interesse der Vermögenden und der Rüstungskonzerne betreiben ist letztendlich nicht neu. Man erinnere sich nur an den ehemaligen Regierungschef Schüssel, dessen glühender Einsatz für die Anschaffung der Eurofighter in engem Zusammenhang mit der Hoffnung auf ein Europäisches Verteidigungsbündnis stand. Ebenso gelang es Schüssel 2002 die von der EU geplanten Kontrollmitteilungen an die Steuerbehörden anderer Staaten zu verhindern. Finanzminister Grasser wurde durch seine Bekämpfung der Zinsrichtlinie gleichsam zum Schutzpatron der Steuerhinterzieher.

Aber wo bleiben bei all diesen EU-Machenschaften der Kurz-ÖVP andere Parteien, die sich bisher gegen eine Teilnahme Österreichs an einem Verteidigungspakt ausgesprochen haben? Wo vor allem ist der Aufschrei der FPÖ, deren Obmann Strache in der ORF-Pressestunde am 12.3.2017 noch verkündete: „Ja, wir Freiheitliche stehen zur österreichischen Neutralität und werden diese auch niemals aufgeben. Wir sind stolz darauf und haben eine Verantwortung, diese für unsere Kinder und Kindeskinder zu bewahren. Wir dürfen niemals der NATO und auch nicht einem anderen Militärbündnis innerhalb der EU beitreten.“

 

Der „Stil des neuen Regierens“ zeichnet sich auf EU-Ebene bereits als eine Wiederaufnahme des Regierungsstils der Schüssel-Haider-Regierung ab. Es stellt sich nur die Frage, wie groß der angerichtete Schaden diesmal sein wird.


 
Woko vom 12.11.: Österreichs problematische Rolle in Fragen der Steuerhinterziehung Drucken E-Mail

Panama- und Paradise-Papers, Steuer- und Finanzskandale wie der Hypo-Skandal in Österreich oder der Cum/Ex-Skandal in Deutschland hinterlassen Milliardenlücken in den Steuerkassen der Staaten. Die handelnden Politiker, ob innerhalb der EU oder in den einzelnen Staaten, scheinen dagegen machtlos zu sein. Wahrscheinlicher ist, dass sie längst Teil eines Systems sind, welches sie selbst ermöglicht haben, welches ihnen jedoch weit über den Kopf gewachsen ist und das sie nun gleich Goethes Zauberlehrling nicht mehr los werden. Der Ruf nach dem Meister bleibt jedoch ungehört, denn dieser sitzt längst in den Reihen der Geister. Die Erfolglosigkeit der nationalen sowie der internationalen Politik gegen Steuerhinterziehung ist seit Jahrzehnten derart beschämend, dass man ruhigen Gewissens behaupten kann, die politischen Akteure haben im Wesentlichen kein Interesse an einer wirksamen Problemlösung.

Das hat mehrere Gründe. Einerseits sind nicht wenige Politiker selbst Akteure, die jedes Steuerschlupfloch zu ihrem persönlichen Vorteil oder dem ihres persönlichen Umfeldes nützen, andererseits sind sie vielfach nur mehr Handlanger von den wirklich Mächtigen, welche längst im Bereich der Wirtschaft sitzen und von dort aus das politische Geschehen bestimmen. Geldflüsse von Konzernen an Parteien sind nur eine Ausdrucksform dieser Problematik, eine weitere ist die Vernetzung von Politik und Wirtschaft im Rahmen der Besetzung von Managementposten der Konzerne.

Die österreichischen Regierungen führen bei der Lösung der Problematik sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene seit Jahren ein scheinheiliges Spiel. Ich erinnere nur an den jahrelangen Eiertanz rund um die Abschaffung der Anonymität von Sparbüchern, die Bemühungen um Aufrechterhaltung des Bankgeheimnisses u.a.m.

Auch derzeit blockiert der österreichische Finanzminister Schelling wieder einmal zarte Versuche der EU-Kommission, Steuerhinterziehung zumindest zu erschweren. Die Umsetzung der auf dem Tisch liegenden Vorschläge dazu wird von Ländern wie Luxenburg, Großbritannien, Irland, Malta, Zypern - also den klassischen Steueroasen innerhalb der EU - und eben auch Österreich behindert.

Im konkreten Fall hat Schelling vor allem Bedenken, den öffentlichen Zugang zum Register der wirtschaftlichen Eigentümer betreffend. Wieder einmal ist eine längst überfällige Maßnahme zur Erhöhung der Transparenz im Wirtschaftsgeschehen und der leichteren Nachvollziehbarkeit von Geldflüssen gefährdet, weil u.a. auch österreichische Politiker sich dagegen stellen.

 

Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, Herr Schelling. Sie führt auf Dauer dazu, dass der Staat seinen Aufgaben nicht mehr nachkommen kann. Wenn Sie und Ihre Parteikollegen durch ihre nationale Steuerpolitik schon dafür sorgen, dass die Vermögenden in Österreich immer reicher werden, dann bremsen Sie wenigstens nicht europäische Bemühungen, dass diese geringfügigen Steuersätze nicht auch noch hinterzogen werden können. Oder ist Ihre und die Europahaltung Ihrer Partei auch nicht mehr als ein Schein und wird zur Täuschung der wahren Absichten missbraucht?


 
Woko vom 5.11.: Wahlversprecher Drucken E-Mail

Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen zwischen der Kurz-ÖVP und der FPÖ stellen nun die verhandelnden Parteiobmänner fest, dass doch etliche, teilweise von allen Parteien während der Wahl- und Vorwahlzeiten beschlossene Maßnahmen nicht gegenfinanziert seien und ein nicht unbeträchtliches Loch im Haushaltsbudget des Staates hinterlassen würden. Welch eine Überraschung!

Gröbere Probleme dürfte dabei die Abschaffung des Pflegeregresses ab dem kommenden Jahr verursachen. Länder und Gemeinden bezeichnen den jährlich dafür vorgesehenen Kostenersatz von 100 Millionen bereits jetzt als viel zu gering. Neu ist das nicht, denn bereits in der Diskussion rund um die Einführung gab es Berechnungen, die zumindest von 600 bis 700 Millionen jährlichen Zuschuss des Bundes an Länder und Gemeinden ausgingen. Von der Caritas bis hin zum WIFO und dem IHS warnten zahlreiche Institutionen vor einer vorschnellen Einführung ohne entsprechende Gegenfinanzierung. Berücksichtigt man die Folgewirkungen der neuen Gesetzeslage und nicht nur den derzeitigen Pflegebedarf, dann dürften die Folgekosten in den nächsten Jahren noch viel höher sein und in die Milliarden gehen.

Nun ist die Abschaffung an sich auf den ersten Blick eine gerechte Sache, denn Pflegebedürftigkeit wird nun wie eine Krankheit gesehen, für welche die Allgemeinheit aufzukommen hat. Sieht man sich jedoch die Sache genauer an, kann man berechtigte Zweifel an der Ausgeglichenheit und Gerechtigkeit der Maßnahme hegen. Denn in Wahrheit bewirkt die Maßnahme eine weitere Umverteilung volkswirtschaftlichen Vermögens von unten nach oben, denn ohne Maßnahmen wie eine Erbschafts- oder Vermögenssteuer zur Finanzierung lachen sich dabei die Vermögenden ins Fäustchen.

Die Besitzlosen, die Geringverdiener, aber auch der Mittelstand dürfen nun die Pflege all jener mitfinanzieren, die bisher für die Kosten selbst aufkommen mussten, weil sie eben über genügend Vermögen verfügen.

Hinzu kommt, dass in den nächsten Jahren auf Grund der Gesetzeslage mit einem beträchtlichen Ansteigen des Betreuungsinteresses in Pflegeeinrichtungen gerechnet werden muss, der Pflegebedarf in den nächsten Jahrzehnten ohnedies beträchtlich ansteigen wird und die Kosten explodieren werden. Wer soll das bezahlen?

Im Wesentlichen sind drei Varianten denkbar: Kurz und Strache, beide lehnen ja neue Steuern für Vermögende ab, werden sich das benötigte Geld durch eine Kürzung anderer staatlicher Leistungen, vor allem im Sozialbereich, holen. Eine zweite Möglichkeit besteht darin, dass die kommende Regierung die Kosten in den Pflegeheimen selbst senkt, also die Qualität der Pflege vermindert. Schließlich könnten die Koalitionsverhandler aber auch auf die Idee kommen, die Zugangsmöglichkeiten zu den Einrichtungen für Pflegebedürftige zu erschweren.

Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen: Letztendlich werden von den gesetzten Maßnahmen vor allem jene getroffen werden, denen man eine Entlastung versprochen hat. Was man ihnen mit der einen Hand scheinbar gegeben hat, wird ihnen die künftige Regierung mit der anderen Hand wieder nehmen.

 

Und ich befürchte, dass diese Vorgangsweise nicht alleine auf die Pflegeproblematik beschränkt bleiben wird, sondern auch für andere Wahlversprechen einer Kurz/FPÖ-Regierung Geltung haben wird und so den Großteil der Bürgerinnen und Bürger nicht ent-, sondern belasten wird.


 
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