Woko vom 11.10.2015: Welche Bedeutung hat die Wienwahl wirklich? Drucken E-Mail

 

Die Wien-Wahlen stehen im Zeichen der Flüchtlingsproblematik, und in der Tat ist das Asylantenthema ein Zukunftsthema. Während die FPÖ mit einer Ausgrenzungspolitik zu punkten versucht, und es zeichnet sich ab, dass diese Strategie von Erfolg gekrönt sein wird, setzen GRÜNE und SPÖ auf „Refugees welcome“.

Tatsache ist, dass beide Extrempositionen nicht zur Lösung der Problematik an sich beitragen, aber sehr wohl zum kurzfristigen Stimmenfang. Flüchtlinge auszugrenzen ist in einem Land, das vor nunmehr 60 Jahren die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert hat, unannehmbar. Noch problematischer ist es, im Zuge der aktuellen Situation den Ausländerhass zu schüren und  so langfristig für instabile Verhältnisse im eigenen Land zu sorgen. Diese Politik der FPÖ ist strikt abzulehnen.

Aber ebenso ist es naiv zu glauben, die Republik Österreich oder aber auch die Bundesrepublik Deutschland könnten Flüchtlingsströme ohne Ende versorgen oder verkraften. Das zeigt auch die derzeitige Diskussion in Deutschland. Vor allem aber geht es auch darum, in welcher Weise man Asylverfahren abwickelt, wie man Asylwerber im Land unterbringt, welche politischen Maßnahmen man setzt, um Flüchtlingsströme hintanzuhalten, denn Menschen fliehen nicht freiwillig und verlassen ihre Heimat nicht aus Jux. In diesem Bereichen gibt es so zahlreiche Versäumnisse der SPÖ und der GRÜNEN bzw. der Regierungsparteien im Bund, dass auch diese Parteien unglaubwürdig erscheinen. Insbesondere die ÖVP scheint weder in Wien noch im Bund eine Strategie zu haben, die zur Lösung der anstehenden Probleme beitragen könnte.

Darüber hinaus scheint den Parteien jedoch die Konzentration auf das Asylantenthema nicht ungelegen zu kommen. Hier lässt sich trefflich polarisieren, emotionalisieren, manipulieren, taktieren und von Problemen ablenken, welche diese Stadt und das gesamte Land seit Jahren prägen: Misswirtschaft, Korruption, Vetternwirtschaft, drohender Finanzkollaps, Abbau von Sozialleistungen, eine durch und durch unprofessionelle Bildungspolitik u.a.m.

Und die Medien tragen nicht unwesentlich dazu bei, dass die hochgespielte und in wesentlichen politischen Bereichen nahezu inhaltsleere Konfrontation zwischen SPÖ und FPÖ zur Polit- und Medienshow entartet. Es geht um Quoten, nicht um Inhalte. Die sogenannte Elefantenrunde mit den Spitzenvertretern der bekanntesten Parteien, ausgestrahlt von ORF und PULS4 zusammen, war der Gipfelpunkt einer medial inszinierten Show, bei welcher selbst volkst(d)üm(m)liche Sendungen wenig professionell anmuten.

Es fehlt sowohl in Wien wie auch im Bund an politischen Persönlichkeiten, welchen die Menschen in Wahrheit Glauben schenken. Es fehlt an einer Politik, welche langfristige Lösungskonzepte zum Wohle der Mehrheit der Bürger auf den Tisch zu legen vermag und diese auch beharrlich verfolgt. Es fehlt an Mut, Systemveränderungen durchzuführen und in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens umzudenken.

Daher ist vom Ausgang der Wienwahl keine längst fällige grundsätzliche Veränderung einer Tagespolitik zu erwarten, egal welche der etablierten Parteien die Nase vorne haben wird. (Gerhard Kohlmaier)

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