23.3.2020: Covid-19: Was werden die nächsten Wochen bringen? Drucken

COVID -19 : Was werden die nächsten Wochen bringen ?

Nach Ostern werden wir Entscheidendes über die Krankheit  COVID-19 wissen. Ist sie im Verlauf , Mortalität und Gesamtzahl der Toten eher Teil einer Grippewelle oder wird der COVID-19 verursachende Virus auf Grund seiner Gefährlichkeit weitaus mehr Krankheitsfälle und Tote verursachen, als die Grippe und das Gesundheitswesen zum Einsturz bringen?

Darum geht es aus der Sicht der Bevölkerung und darum geht es auch in der Diskussion unter den WissenschaftlerInnen.

Von der Öffentlichkeit nur teilweise bemerkt, gibt es unter den angesehensten und bisher führenden ÄrztenInnen für Atmungserkrankungen, Virusinfektion und Epidemien eine heftige Diskussion.

Die eine Seite, die Mehrheit, geht von der Gefahr einer kaum mehr abzuwendenden Katastrophe in der Gesundheitslage aus. Man darf in Europa diesen Standpunkt in der Diskussion als bekannt voraussetzen.

Die andere Seite, die Minderheit, charakterisiert das Geschehen im Wesentlichen als Teil einer Grippewelle mit Folgen, die einer Grippewelle gleichen. Die Neuheit des Virus wird anerkannt - doch wird er als Variation bestehender Grippeviren eingestuft. Das bedeutet: er wird so gesehen wie die anderen wechselnden Viren einer Grippewelle, die eine jährliche Feineinstellung der Grippeimpfung erfordern. Die Gefahr einer ernsten Krise des Gesundheitswesens sieht auch diese Seite - aber wegen der vorherrschenden Systematik der Bekämpfung von COVID-19. Wenn man das neue Virus nämlich so bekämpft, wie die Staaten es jetzt machen und verstärkt machen wollen, dann löst das den faktischen Zusammenbruch des Gesundheitswesens aus - mit weiteren zusätzlichen Verschlechterungen der gesundheitlichen Lage.

Weil in Österreich mehrere KommentatorInnen aus der Zeitungswelt diese KritikerInnen als Sonderlinge verunglimpfen, sei nochmals darauf hingewiesen: die führenden Vertreterinnen der „Grippewellenfraktion“ sind genauso in der Wissenschaft als Spitzenmediziner anerkannt wie die Vertreterinnen der „Katastrophenfraktion“.

Was hat diese Debatte (die vornehmlich im Internet geführt wird) bisher ergeben?

Auffallend ist folgende Tendenz: je konkreter die Diskussion geführt wird, umso mehr muß die „Katrastrophenfraktion“ die Standpunkte der „Grippewellenfraktion“ übernehmen.

Ja, die Mortalität (Todesfälle pro jeweils tausend Krankheitsfällen) des neuen Virus kann noch nicht recht beurteilt werden und je genauer man hinschauen kann, desto mehr sinkt sie. Ja, die Zahlen, die im öffentlichen Raum herumschwirren, entbehren meist der soliden statistischen Grundlage - zumindest werden diese Grundlagen nicht veröffentlicht.

Und damit sind wir bei einem entscheidenden Punkt der Beurteilung angekommen!

Damit Zahlen in ihrem Aussagewert und relevantem Zusammenhang eingeschätzt werden können, müssen die statistischen Grundlagen klar sein. Um das zu verdeutlichen, bringe ich ein Beispiel des im deutschen Wissenschaftsgebiet hoch anerkannten Professor Sucharit Bhakdi. Dieses Beispiel repräsentiert den Zeitpunkt um den 20. März dieses Jahres und Daten für Deutschland.

Bei einem Stand von 10.000 mit dem neuen Virus infizierten Personen sind am Ende 99,5 Prozent gesund bzw. geheilt. Aber 50 bis 60 Personen erkranken und statistisch gesehen stirbt jeden Tag ein Patient. Nun will die deutsche Regierung ein „Horrorszenario“ vermeiden, bei dem 1.000.000 Menschen infiziert werden. Denn das würde 3000 Tote bringen , also statistisch gesehen 30 Tote pro Tag. Derzeit liegt die Anzahl der Sterbefälle bei Menschen über 65 Jahren bei 2200 Toten pro Tag. Davon ist 1 Prozent mit den bisher bekannten alten Corona-Viren infiziert, also statistisch gesehen 22 Tote pro Tag. Die deutsche Gesundheitspolitik in der jetzigen Situation will nach Professor Bhakdi verhindern, daß 30 Tote (im „Horrorszenario“) die 22 Toten (im jetzigen Zustand)

ersetzen. Bhakdi meint, wenn ein Virus nicht selbst tötet, sondern nur im Verbund mit anderen Krankheiten, dann darf man dem Virus nicht die Schuld alleine in die Schuhe schieben. Das passiert jedoch bei COVID-19 und ist nicht nur falsch, sondern gefährlich irreführend. Und der Professor endet mit der Bemerkung: „ COVID-19 ist ein Spuk“.

In der Debatte um die neue Virusinfektion spielt das Zählen von Toten eine große Rolle. Dabei muß schon klar sein, daß jeder tote Mensch eine individuelle Katastrophe darstellt, die man vermeiden will. Aber gleichzeitig muß medizinische Betreuung und Gesundheitspolitik mit beschränkten Ressourcen möglichst viele Leben retten und daher und insoweit sind Tote ein notwendiger Teil der Kalkulation.

Deshalb ist die Frage, was 20.000 Grippe-Tote pro Jahr (in Deutschland) im Vergleich zu den Toten der neuen Virus-Infektion bedeuten, so wichtig. Und wenn eine Ärztin aus dem Krankenhaus Bergamo (Lombardei) im ORF sagt, daß schon vor der COVID-19-Welle Patienten eine Versorgung aus Mangel an Ressourcen verweigert werden mußte, sollte die Gesellschaft noch viel genauer die Toten und die Gründe des Sterbens beachten.

Und das trifft auch auf die abertausenden Patienten in Europa zu, die jedes Jahr wegen mangelnder Hygiene in den Krankenhäusern sterben.

Und vor allem müssen wir uns mit möglichen Todesfällen beschäftigen, weil die Regierungen diese nun geübte Strategie der Bewältigung von COVID-19 gewählt haben und noch dazu überlegen, sie zu verschärfen. Mit dieser gewählten Vorgangsweise beginnt das Gesundheitswesen nämlich sich selbst zu zersetzen. Zum Teil ,weil das medizinische Personal sich selbst aus der Tätigkeit nimmt (Quarantäne). Zum Teil, weil medizinische Kapazitäten aus anderen betreuungsnotwendigen medizinischen Gebieten

abgezogen werden.

Die ungeheuren Kosten der gewählten Strategie werden die Gesellschaft auf Jahre hinaus negativ beeinflussen und zusätzliche Tote hervorrufen - einerseits aus direkten wirtschaftlichen Nöten in der Gesellschaft, andererseits weil das Geld für andere lebensrettende Aktivitäten (z.B. Klimaschutz) fehlen wird.

Es geht also jetzt nicht darum, in der heftigen Debatte, die momentan (eher versteckt) in der Medizin geführt wird, schnell Stellung zu nehmen. Es geht darum, diese Debatte angesichts ihrer Bedeutung schnell auf ein hohes Niveau zu bringen, sie in breitem öffentlichen Ausmaß und mit allen notwendigen Grundlagen zu führen.

Die Aufgabe der Regierungen (der Politik) ist es, Grundlagen (statistische Unterlagen) dafür bereit zu stellen und die Diskussion zu fördern.

Es ist natürlich klar: hier ist nicht von summarisch verkürzten Daten die Rede, sondern von einer umfassenden, verständlichen und die Methodik klarstellenden statistischen Grundlage. Gerade die Regierungen müssen ja die statistischen Unterlagen haben (weil sie die Strategie entschieden haben), und sie haben auch viele Unterlagen, die bisher nicht in der breiten Öffentlichkeit aufgetaucht sind.

Wenn die gewählte Ausrichtung der momentanen Gesundheitspolitik von den Regierungen richtig ist, dann wird die Förderung der Debatte ihren Zielen dienen!

Wenn sie falsch ist, wird die Förderung der Debatte zu einer schnellstmöglichen Korrektur führen! Also stimmen hier die Interessen der Bevölkerung und die Interessen der Regierung (und der Parteien) überein.

Was jedoch am wenigsten bringt, ist eine Verschiebung der inhaltlichen Auseinandersetzung auf einen Zeitpunkt, an dem die Sache vorüber ist.

Das ist dann eine Geschichte, deren Konsequenzen getragen werden müssen.

Beteiligen wir uns also jetzt an der medizinischen Debatte - die Sache ist wichtig genug!

Hans Kohlmaier Wien, 23.03.2020