18.2.2012: Volksabstimmung zur Vermögensbesteuerung statt Belastungspakete Drucken

Österreichs Staatsverschuldung betrug laut ÖNB 2001 67,1% des BIP. In den Jahren darauf, also zwischen 2002 und 2007 sank dieser Prozentsatz ständig und erreichte 2007 einen Wert von 60,7%. Das bedeutet also, dass die Staatsverschuldung trotz höherer Aufwendungen für den Sozialstaat (Arbeitslosigkeit, Krankenkassen, Pensionen,...) gesunken ist. In den 60er Jahren, in denen der Sozialstaat am stärksten ausgebaut wurde, stieg dadurch die Staatsverschuldung ebenfalls nicht an. Erst 2008, also im ersten Krisenjahr, ausgelöst durch Spekulationen an den Finanzmärkten, stieg die Staatsverschuldung wieder auf 63,8% und in den Krisenjahren darauf bis auf 72% im Jahr 2011.

Diese Entwicklung der Staatsverschuldung ist ein klarer Hinweis darauf, dass weder die Kosten für den Sozialstaat ausgeufert sind noch die ÖsterreicherInnen über ihre Verhältnisse gelebt haben. Sehr wohl jedoch waren es die Banken und das Finanzkapital, welche durch ihre Gier nach immer mehr Gewinn ein immer höheres, häufig unkalkulierbares Risiko bei ihren Finanztransaktionen auf sich nahmen und durch diesen Casinokapitalismus enorme Finanzeinbrüche auf den Weltmärkten verursachten. Die Folge waren Bankenrettungspakete, also Geld der Steuerzahler, um die Banken vor einer Pleite zu bewahren.

Die herrschende Politik wurde nicht nur zum Erfüllungsgehilfen der Interessen des Finanzkapitals, sondern sie verabsäumte es noch dazu, dieser Entwicklung eines aus allen Ufern geratenen Finanzkapitals durch Gesetze und Änderungen der Systembedingungen entgegenzusteuern.


Seit Beginn der so genannten Liberalisierung, also der Möglichkeit des Finanzkapitals, Geldvermehrung nicht mehr an die Realwirtschaft binden zu müssen, sondern diese über teils undurchsichtige Anlageprodukte zu vermehren - also Geld durch Geld zu vermehren - haben sich diese hoch spekulativen Finanzinvestitionen in gigantischer Weise vermehrt. Allein zwischen 1983 und 2001 erhöhte sich der Tagesumsatz an den Finanzmärkten um das 50 fache, 2001 wurde gerade noch ein Vierzigstel der Gesamtsumme im produktiven Sektor, also in der Realwirtschaft investiert. Die Politik sorgte dafür, dass Veräußerungsgewinne größtenteils steuerbefreit wurden, die Trennung von Bankgeschäften wurde aufgehoben und die Banken beteiligten sich teils mittels billiger Kredite fleißig an der Zockerei. Die dabei bestehenden Risiken wurden durch komplizierte Produktkonstruktionen verschleiert und im Falle einer Fehlspekulation an die Steuerzahler weiter gereicht. CDS-Spekulationen verteuerten die Anleihezinsen fatal und treiben ganze Staaten (Griechenland, Portugal,...) an den Rand des Ruins. Als Konsequenz daraus werden so genannte „Rettungsschirme“ gebildet, in denen die Haftungen der Staaten, also der Steuerzahler, dem vom Finanzkapital vorgegebenen Zinsniveau hinterher laufen. Aus diesem Grunde müssen diese „Rettungsschirme“ immer mehr aufgebläht werden, was eine noch höheren Verschuldung der Staaten bewirkt. Gleichzeitig erlegt die Politik nun den Staatsbürgern ein Belastungspaket nach dem anderen auf und läuft damit Gefahr, die Wirtschaftsentwicklung noch mehr zu dämpfen und somit eine noch höhere Verschuldung zu riskieren.

Dass mit dieser Politik, welche die Finanzmärkte nach wie vor die Richtung bestimmen lässt, bald „kein Staat mehr zu machen ist“, leuchtet ein. Die einzige Möglichkeit besteht darin, das System dort zu treffen, wo es ausgeufert ist, also beim Finanzkapital und die durch dessen Handeln in die Höhe getriebenen Zinsen. Die Regierungen wären gefordert, die spekulativen Möglichkeiten des Finanzkapitals deutlich einzuschränken, Investitionen in das Realkapital zu stärken.

Sparpakete sind dazu nicht geeignet. Im Gegenteil, sie verschleiern die wahren Zusammenhänge, verschlimmern die Symptome der losgetretenen Krise und führen mittelfristig zum endgültigen Bankrott der Staaten. Stephan Schulmeister spricht daher zu Recht von „Symptomkur“ (ZIB 2, 14.2.2012), bei welcher die herrschende Politik übersieht, dass nicht die Staaten, sondern die Märkte das Problem sind, welche die Problematik hervorgerufen haben und nach wie vor ausufern lassen.

Das Privatvermögen der Vermögenden in Österreich ist 2008, also im 1. Krisenjahr, um 8,5% geschrumpft (Tiroler Sparkasse), bereits ein Jahr später befanden sich die Vermögenswerte wieder auf dem Stand von 2007 und 2010 haben die Vermögenden in Europa ihr Privatvermögen um 8,2% vermehren können (Standard, 1.6.2011) und Österreich hat, bezogen auf die Bevölkerung in der EU, die höchste Superreichen-Dichte („Global Wealth Report 2011“, Boston Consulting Group). 2011 haben die Finanzvermögen der Euro-Millionäre in Österreich um weitere 8,2% zugelegt und in den kommenden Jahren wird dieselbe Zuwachsrate prophezeit (Valluga-Vermögensreport 2011). Im Vergleich dazu hinkt die Lohnsteigerung mit durchschnittlich 0,5% pro Jahr seit über 10 Jahren nicht nur der Wirtschaftsentwicklung mit einer durchschnittlichen jährlichen Steigerung von 1,7% hinterher (OTS-Presseaussendung der GRÜNEN, 9.9.2010), sondern vergrößert darüber hinaus die Einkommensschere zwischen Arm und Reich. Es ist also eine Tatsache, dass die Vermögenden trotz der Krise ihre Vermögenswerte deutlich steigern konnten. Budgetsanierung kann somit - neben vernünftigen Strukturreformen, die nicht den Abbau des Sozialstaates verfolgen, ausschließlich durch eine massive Besteuerung des Vermögens erfolgen

In dieser Situation nun versuchen Gewerkschaften und zahlreiche NGOs seit Jahren durch zahlreiche Hinweise auf diese ungerechte Vermögensverteilung, durch Informationsveranstaltungen sowie durch die ein oder andere Protestkundgebung die Regierung zu einer Änderung ihrer Steuerpolitik zu bewegen. Diese Bemühungen können jedoch neoliberal, im Interesse des Finanzkapitals agierende Parteien und Regierungen nicht beeindrucken, wie das jüngste Belastungspaket der österreichischen Bundesregierung eindrucksvoll beweist.

So richtig die politischen Analysen der verschiedenen Organisationen auch sind, es fehlt ihnen allen - aus unterschiedlichen Gründen - an der Einsicht über die entscheidenden Konsequenzen aus der politischen Realität. Mit Protestkundgebungen, sogar wenn sie ein stattliches Ausmaß erreichen, lassen sich neoliberal agierende Regierungen nicht beeindrucken. Die jüngsten Ereignisse in Griechenland, Portugal und Spanien sind ein klarer Beweis dafür.

Auch das Veränderungspotential von Volksbegehren ist hinlänglich bekannt. Es geht, wie die zahlreichen Volksbegehren, welche im übrigen meist parteipolitisch vereinnahmt wurden, zeigen, gegen Null.

Realpolitisch sehe ich nur zwei Möglichkeiten, die herrschende Politik zu einem Umdenken zu zwingen und den neoliberalen Raubzug zu beenden: die „Volksabstimmung von unten“ und die Gründung von Wahlgemeinschaften.

Selbstverständlich haben das auch die Neoliberalen längst erkannt. Daher haben sie vorgesorgt, um Volksabstimmungen zu erschweren. Der Vertrag von Lissabon spricht daher nur mehr von Europäischen Bürgerbegehren, welches dem Charakter nach der österreichischen Variante des Volksbegehrens gleicht. Die Europäische Kommission kann dadurch nur gezwungen werden, sich in genau definierten Fällen mit einem Thema zu beschäftigen, an das Ergebnis des Bürgerbegehrens muss sie sich nicht halten. Auch die österreichische Gesetzgebung macht Volksabstimmungen abseits der Interessen von Regierungen und Parteien nahezu unmöglich. Es ist daher nicht zu erwarten, dass die zu Recht erfolgenden Rufe nach Demokratisierung, zu mehr Mitbestimmung im Sinne von direkter Demokratie, in absehbarer Zeit insofern von Erfolg gekrönt sein werden, als dass sie die direkten Mitbestimmungsrechte des Volkes in wesentlichen Fragen auf der Gesetzesebene entscheidend verbessern werden. Im Gegenteil, es muss damit gerechnet werden, dass sie geschmälert werden.

Gerade aber in dieser Situation muss sich ein Volk seiner Grundrechte besinnen und ihnen, wenn notwendig, selbst zum Durchbruch verhelfen. Eine „Volksabstimmung von unten“, welche die BürgerInnen selbst in die Hand nehmen, bedarf nicht der „Genehmigung“ der herrschenden Politik. Alle NGOs, die Gewerkschaften, aber auch kirchliche Organisationen wie die Caritas, und alle daran interessierten Privatpersonen könnten so eine „Volksabstimmung von unten“ starten. Die Bekanntgabe der Nummer des Reisepasses oder eines gültigen Personalausweises zur Überprüfung der Gültigkeit einer Stimme und der Einsatz der elektronischen Medien könnte auf diese Weise die herrschende Politik gehörig unter Druck setzen.

Zusätzlich sollten sich die verschiedenen Organisationen, welche bemüht sind Alternativen zu einer neoliberalen Politik zu entwickeln, zusammenschließen und Wahlgemeinschaften bilden. Diese Wahlgemeinschaften können auf Bezirks-, auf Landes- und auch auf Bundesebene aktiv werden und sich um den Einzug in die verschiedenen Vertretungsinstanzen bemühen. Dabei ist es nicht notwendig, seine Identität als Organisation, Initiative oder Verein aufzugeben. Ganz im Gegenteil, jede Organisation behält ihre Identität und auch ihre verschiedenen Aufgabenbereiche: Wahlgemeinschaft bedeutet nur, dass man sich in einigen wichtigen Punkten der politischen Einflussnahme insofern einig ist, als dass man in diesen Punkten eine gemeinsame Politik verfolgt. Konkrete Vorschläge dazu existieren seit April 2008 (Siehe: Hans Kohlmaier, Aufruf zur Vorbereitung einer Wahlgemeinschaft, http://www.steuerini.at/archiv/interessanteartikel.htm ).

Es ist erfreulich, dass in letzter Zeit zumindest mehrere Organisationen die Bedeutung der Volksabstimmung im Kampf gegen neoliberale Politik erkannt haben. Nachdem der Forderung nach Volksabstimmungen, welche die „Steuerinitiative“ seit 1999 erhebt, von zahlreichen Organisationen über Jahre hinweg zu wenig Beachtung geschenkt wurde, wird sie nun jedoch auch von rechten Organisationen wie der EU-Austrittspartei, aber auch vom BZÖ und der Strache-FPÖ populistisch aufgearbeitet. Wieder einmal haben die so genannten Fortschrittlichen eine wesentliche Frage so lange vernachlässigt, bis diese von den Rechten zur Entartung freigegeben wird.

Aber auch Organisationen wie die Solidarwerkstatt, ATTAC, mehr demokratie, volxabstimmung usw. haben zwar spät, aber doch erkannt, dass die Forderung nach Volksabstimmung den demokratischen Lebensnerv trifft und daher in den Mittelpunkt des politischen Tuns zu stellen ist. Was fehlt, ist das gemeinsame Vorgehen in der Sache, was fehlt, ist die politische Erkenntnis, dass man solche Volksabstimmungen selbst durchführen muss. Gepaart mit Wahlgemeinschaften könnten „Volksabstimmungen von unten“ die Regierungen zur Umsetzung des Volkswillens zwingen. An die Arbeit!

F.d.I.v.: Mag. Gerhard Kohlmaier, Steuerinitiative im ÖGB, www.steuerini.at, Februar 2012