21.1.2015: Aktuelles Thema: Neues Gehaltsgesetz für öffentlich Bedienstete. Wo bleibt die Gewerkschaft? Drucken

 

Bisher war es vernünftigerweise so üblich, dass Gesetzesvorlagen einer Begutachtungsfrist unterliegen. Das deshalb, damit jeder Abgeordnete, aber auch jeder Staatsbürger seine etwaigen Einsprüche und Bedenken gegen das Gesetz einbringen kann. Und schließlich müssen bzw. sollten Gesetze ja auch von den Abgeordneten gelesen werden, bevor diese darüber abstimmen.

Die Regierung hat nun mit dieser Gepflogenheit gebrochen. Sie hat am Montag, den 19.1.2015 ein neues Besoldungsgesetz für die öffentlich Bediensteten durch den Verfassungsausschuss des Nationalrates gepeitscht und lässt den Nationalrat bereits am 21.1.2015 darüber abstimmen. Ohne Begutachtungsfrist, ohne Einigung mit der Gewerkschaft. Ein Gesetz im Alleingang, erstellt in einer Nacht- und Nebelaktion.

Dass diese Vorgangsweise jeglicher Auffassung von Demokratie widerspricht, versteht sich von selbst. Noch bedrohlicher ist aber der Umstand, warum dieses Gesetz so überfallsartig eingeführt werden soll.

Anlass dafür ist eine Verurteilung des Europäischen Gerichtshofes, wonach das Besoldungssystem im öffentlichen Dienst als rechtswidrig (im Zusammenhang mit in Einzelfällen für die Bediensteten nachteiligen Regelungen bzgl. der Festsetzung des Vorrückungsstichtages) eingestuft wurde und somit verändert werden muss. Weil den Bediensteten Vordienstzeiten teilweise nicht angerechnet wurden, drohten Nachzahlungen in Milliardenhöhe.

Doch anstatt den Bediensteten diese Ansprüche zukommen zu lassen - schließlich hat unsere Regierung Geld im Überfluss für Banken und Großkonzerne bzw. für Anschaffungen a la Eurofighter - verändert man nun das Gehaltsgesetz so, dass für die Regierung keine Kosten entstehen. Aber nicht nur das. Nach dem neuen Besoldungssystem drohen den öffentlich Bediensteten auch weitere Gehaltseinbußen bei der Umstellung vom alten auf das neue System, insbesondere was die Lebensverdienstsumme betrifft. Und das nach einer Nulllohnrunde 2013, einer mageren Erhöhung von durchschnittlich 1,88% 2014 (geltend allerdings erst ab 1.3.2014) sowie 1,77% ab 1.3.2015.

Das ist des Pudels Kern. - Unsere Regierung hat sich im Rahmen einer fiskalpolitischen EU-Hörigkeit finanziell so verausgabt, ganz nebenbei noch eine Staatshaftung für die HYPO-Bank in Milliardenhöhe durch eine fragwürdige Schnellverstaatlichung übernommen und Geld buchstäblich beim Fenster hinausgeschmissen, dass sie ihren Bediensteten nicht nur vorenthaltene Gehaltsbestandteile nicht auszahlen will, sondern deren Gehälter offensichtlich auch noch kürzen will.

Und weil das so wenig wie möglich Bedienstete im öffentlichen Dienst begreifen sollen, bedarf es einer bedenklichen, undemokratischen Vorgangsweise, um dieses Gesetz schnell durchzubringen.

Unter den öffentlich Bediensteten haben bisher nur die Richter und Staatsanwälte beschlossen, ihren Unwillen über diese Vorgangsweise und dieses Gesetz öffentlich zu bekunden und führen am kommenden Donnerstag, den 22.1.2015 österreichweit großteils keine Verhandlungen durch. Aber wo bleiben die anderen öffentlich Bediensteten, die Verwaltunsbediensteten, die Polizei, das Heer, die Lehrer? Wo bleibt der Aufruf der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst zum österreichweiten Protest? Eine Resolution alleine wird nicht viel ausrichten, denn Papier ist geduldig und wird die Regierung nicht beeindrucken. Glaubwürdigkeit in der Vertretung ihrer Mitglieder kann eine Gewerkschaftsbewegung so nicht gewinnen. Oder aber ist es nicht bedeutungslos, dass die Gewerkschaftswahlen ja bereits im November 2014 stattgefunden haben und die nächste Wahlentscheidung noch in ferner Zukunft liegt?

 

Die öffentlich Bedienstete müssen sich wie alle Arbeitnehmer entschieden gegen Lohn- und Gehaltskürzungen zur Wehr setzen. Aufgabe der Gewerkschaft ist es, diesen Protest zu organisieren, die Rhetorik der Worte durch gezielte Protest- und Kampfmaßnahmen zu ersetzen. Denn es steht mehr auf dem Spiel als nur die ohnedies bereits beschädigte Sozialpartnerschaft, es geht um eine falsche Verteilungspolitik der gesellschaftlichen Wertschöpfung, welche diese Regierung seit Jahren betreibt. Es geht aber auch um die Transparenz demokratischer Prozesse, welche diese Regierung offenbar bewusst aufs Spiel setzt. (Gerhard Kohlmaier, www.steuerini.at, 21.1.2015)