Aktuelles Thema
Aktuelles Thema, 19.12.2013: Wir haben eine neue Regierung, die alte. Drucken E-Mail

 


Wir haben eine neue Regierung, die alte. Zwei Parteien, die eigentlichen Verlierer der letzten Wahl, haben sich im Wesentlichen auf die Fortsetzung eines Kurses geeinigt, der sehr wohl nennenswerte Weichenstellungen für die Zukunft enthält, nämlich die Fortsetzung einer Politik, welche längst nicht mehr im Interesse der Mehrheit der Menschen in diesem Lande ist und sein kann. Es geht dabei nicht mehr um das Wohl der Bürger, auch nicht um eine faire Verteilung des von allen Erwirtschafteten, nicht mehr um Solidarität mit anderen. Denn auch diese Solidarität ist dort, wo sie noch vorhanden ist, in den Bereich des Almosen-Gebens verdrängt worden bzw. zur Privatsache des Österreichers als Spendenweltmeister geworden. Interessensgruppen, insbesondere jene, die mächtig und einflussreich sind, werden noch in ausreichendem Maße bedient, denn sie benötigt man als Verbündete für die Aufrechterhaltung der Macht. Ja, und um diese Macht geht es primär, und um die Pfründe, die damit verbunden sind.

Wir haben eine Regierung, die auch diesmal - wie schon vor fünf Jahren - die Bevölkerung im Wahlkampf getäuscht hat: mit falschen Versprechen, mit falschen Zahlen, durch das Verschweigen der wirklichen Hintergründe der Krise. Insbesondere die SPÖ ließ sich zum zweiten Mal vom Koalitionspartner über den Tisch ziehen, sie gab all das auf, was an Resten einer sozialdemokratischen Partei noch vorhanden war, um an den Futtertrögen eines Systems zu bleiben, welchem sie seit über einem Jahrzehnt huldigt und welchem sie sich verbunden fühlt. Der Dank kann den Protagonisten dieses Trauerspiels sicher sein, denn nach dem freiwilligen oder erzwungenen Verlassen der Parteikarriere warten im Regelfall schon die gut bezahlten Posten für getane Vasallendienste.

Wir haben eine neue alte Regierung, die uns das altbekannte Märchen vom armen Staat erzählt, nachdem sie alles dazu beigetragen hat, damit in diesem Staat der Großteil der gesellschaftlichen Wertschöpfung zu einer Minderheit wandern konnte und somit der Haushalt für die Bedürfnisse der Bürger empfindlich eingeschränkt werden musste. Wenn Gewinne und Dividenden, der Großteil der gesellschaftlichen Wertschöpfung von wenigen abgeschöpft werden, Verluste jedoch dem Staatsbürger umgehängt werden, dann muss jeder Staat verarmen.

Weil das noch nicht genug war, halste sie und ihre Verbündeten den Bürgern durch eine vernachlässigte Kontrollpolitik noch Milliarden von Schulden auf, einerseits durch Zockereien in den eigenen Verantwortungsbereichen wie beispielsweise in Salzburg, in Linz und in zahlreichen Gemeinden, andererseits indem sie für die Banken und für das Finanzkapital Bedingungen schuf, welche diesen das Hasardspielen auf Kosten der Steuerzahler überhaupt erst ermöglichte. Das Meisterstück dieser Umverteilung von Unten nach Oben hat man wohl mit dem HYPO-Desaster geliefert, welches auch der Raiffeisenbank auf Grund zahlreicher Beteiligungen teuer gekommen wäre. Schließlich gelang es dann doch, das Debakel dem Steuerzahler zuzuschieben. Denkt man da beispielsweise an die überhastete Privatisierung der BAWAG und so nebenbei den damit verbundenen Versuch, eine lästige Arbeitnehmervertretung an den Rand des Ruins zu fahren, so erscheint dieses Szenario im Vergleich zur HYPO-Größenordnung ja geradezu lächerlich. Natürlich sitzen die Protagonisten dieser Umverteilung mittlerweile in einflussreichen Positionen. Eine Hand wäscht die andere.


Wir haben eine Regierung, die bereits unter Beweis gestellt hat, dass ihr die Sozialpartnerschaft des alten Stils keinen Pfifferling mehr wert ist. Das sollte auch die Gewerkschaft zur Kenntnis nehmen. Es macht wenig Sinn, nach einer Partnerschaft zu buhlen, durch die man sich höchstens noch zum Verbündeten einer Politik machen kann, bei der die Arbeitnehmer zum Spielball der Interessen des Großkapitals und der Banken werden und in Geiselhaft genommen werden.

Wir haben vor allem eine neue Altregierung ohne politische Vision von einer anderen Wirtschaftspolitik. Wirtschaftswachstumsziele werden wie der Heilige Gral behandelt, obwohl diese Wirtschaft nur mehr unter der Prämisse wachsen kann, dass man die Löhne und Gehälter von der Wirtschaftsleistung abkoppelt. Das Resultat ist ein geringes Wachstum, welches man vor allem durch ein Sinken der Reallöhne erreicht. Gleichzeitig mit den geringeren Reallöhnen bringt man die Pensions- und Krankenkassen in ein finanzielles Dilemma und schafft leere Staatskassen. Diese geben der Regierung wiederum die nächste Legitimation zum noch härteren Abbau von Sozialleistungen, weiteren Lohnkürzungen usw. So wird ein höchst gefährlicher Kreislauf in Gang gesetzt, die Umverteilung von Unten nach Oben, von der Arbeit hin zum Kapital fortgesetzt und dem Staat in seiner Gesamtheit schwerer Schaden zugefügt. Die sich so gerne als Retter des Sozialstaates aufspielenden Regierungsmitglieder werden jedoch durch diese Politik zu den Totengräbern eines sozialen Staatswesens. Anstatt eine Wirtschaftspolitik im Interesse der Großkonzerne zu betreiben, könnte man zahlreiche neue Arbeitsplätze schaffen, indem man regionale Kreisläufe, kleine und mittlere Betriebe fördert. Ein wirklich ökologisches Energiekonzept könnte ebenfalls sinnvolle neue Arbeitsplätze bringen. Eine Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik, die dazu beiträgt, dass sich die arbeitenden Menschen in ihren Tätigkeitsbereichen wohl fühlen, dass Arbeit zum Wohlbefinden der Menschen und zu einem sinnerfüllten Leben beiträgt und nicht nur zur Bereicherung weniger Profiteure, kann eine neoliberal ausgerichtete Wirtschaftspolitik nicht leisten!  Eine Wirtschaftspolitik, die sich fast ausschließlich den Gewinnen der Großkonzerne verpflichtet fühlt, ist eine Wirtschaftspolitik gegen das Volk! Mit Ökonomie im Sinne seiner griechischen Wortbedeutung von Haushalten hat diese Wirtschaftspolitik der Regierung nichts zu tun.

Wir haben eine Regierung, die nicht willens ist, Steuerrückstände von Unternehmen in der Höhe von über 1,8 Milliarden Euro dem Staatswohl aller zuzuführen. Wir haben und hatten eine Regierung, welche die Steuerlast der arbeitenden Bevölkerung weiter erhöht und die des Kapitals und der Spekulanten in der Relation verringert. Wir hatten und haben eine Regierung, die den Anteil der Bildungsausgaben verringert und nicht erhöht (von 6,2% am BIP im Jahr 1995 auf 5,6% im Jahr 2012) hat, den Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP innerhalb von 17! Jahren gerade einmal um knappe 1% erhöht hat. Nimmt man die Gesamtheit aller Staatsausgaben, bemessen an der Wertschöpfung, so sind diese beständig gesunken. In die Höhe geschnellt sind hingegen die Gewinnentnahmen der Kapitalgesellschaften und der Aktionäre. Diese sind seit 1995 von 5,5 auf 10,1% vom BIP gewachsen. Nahezu im selben Ausmaß ist in diesem Zeitraum die Lohnquote gesunken.

Wir haben eine neue Regierung, die - und davon darf man getrost ausgehen - dem in die Endphase der Verhandlungen kommenden Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen den USA und der EU ebenso vorbehaltlos zustimmen wird, wie sie dies bei allen vorherigen EU-Verträgen getan hat: vom Vertrag von Lissabon über  den Fiskalpakt und die die EU-Sixpack sowie -Twopack-Verordnungen. Die Folge dieses Abkommens wird eine „wirtschaftsnahe Regulierung in entdemokratisierter Form“ (Peter Fuchs, Power Shift) sein.

Wir alle sind aufgerufen, diese Politik nicht ohne Widerstand hinzunehmen. Viel Arbeit wartet auf uns!

Mag. Gerhard Kohlmaier, www.steuerini.at

 

 
Aktuelles Thema: Privatisierung - eine immer wiederkehrende Strategie Drucken E-Mail

Die folgenden Ausführungen habe ich im Mai 2011 verfasst. Sie sind aktueller denn je. Sogar die Akteure sind zum Teil die gleichen geblieben. Der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll macht sich derzeit ganz besonders für Privatisierungen stark, vor allem für jene, die seine Machtstellung nicht gefährden. Siehe "Steuernews/Arbeit und Wirtschaft".

Unsere Politiker sind nicht Eigentümer des Volksvermögens, sondern seine Verwalter. Daher: Keine Privatisierungen ohne vorhergehende Volksabstimmungen!

 

Aktueller Kommentar vom Mai 2011:

 

Die neoliberale Strategie schwenkt auf die Privatisierung um

Die Neoliberalen ändern wieder einmal ihre Strategie. Es ist die Privatisierung, auf die sie nun umschwenken. Sie wird, ob in Griechenland oder in Österreich von den Neoliberalen nun ganz besonders als DAS Mittel gepriesen, um die steigenden Staatsschulden, welche durch die Finanzkrise und dem danach erfolgten Zugriff auf die Steuergelder ganzer Volkswirtschaften verursacht wurde, in den Griff zu bekommen - oder besser gesagt: um die neoliberale Umverteilung von volkswirtschaftlichem Vermögen zu Gunsten einer vermögenden Schicht fortzusetzen.

In Österreich sind es insbesondere der Wirtschaftskammerpräsident Leitl und der Präsident der Industriellenvereinigung Veit Sorger, welche zur weiteren Privatisierung von Staatsbetrieben bzw. Staatsanteilen an Betrieben drängen und sich „in den Dienst der guten Sache“ stellen.

Nachdem die Neoliberalen für die Aufrechterhaltung eines systemkranken, aber für sie selbst durchaus profitablen Finanz- und Wirtschaftssystems die Steuerzahler ganzer Volkswirtschaften in die Geiselhaft genommen und ausgequetscht haben, scheint diese Geldquelle aus mehreren Gründen zu versiegen:

  1. Die Abgaben- und Steuerbelastung für die Mehrheit der Bevölkerung ist bereits so hoch, dass bei weiteren Belastungen nicht ganz einkalkulierte Widerstände breiter Gesellschaftsgruppen zu erwarten sind
  2. Eine weitere Anhebung der Steuer- und Abgabenquote hätte zur Folge, dass eine massive Diskussion über die Anhebung von Vermögenssteuern und anderer Steuerprivilegien der Vermögenden einsetzen würde, ein Szenario, dass die Neoliberalen unbedingt vermeiden wollen
  3. In Griechenland, wo die neuerlich beabsichtigten Steuer- und Abgabeerhöhungen zu massiven Widerständen innerhalb der Bevölkerung und zu zahlreichen Generalstreiks führt, zeigt sich, dass sich das neoliberale System selbst gefährdet, wenn es ihm nicht gelingt, die Bevölkerung, nachdem diese bewusst hinters Licht geführt wird, zu „Scheinverbündeten“ zu machen.

In so einer Situation pflegen die Neoliberalen ihre Strategie zu ändern und eine neue „Einnahmequelle“ zu erschließen. Die systemerhaltenden staatlichen Mittel werden nämlich nur dann weiter fließen, wenn die Staatshaushalte nicht vollkommen aus den Fugen geraten, indem den Staaten beispielsweise keine Kredite mehr gewährt werden, welche sie den Neoliberalen zur weiteren Umverteilung von Unten nach Oben zur Verfügung stellen können.

Daher schießen sie sich nun auf die Argumentation ein, durch eine Privatisierung würde am schnellsten wieder Geld in die Staatskassen fließen. Auch wenn diese Argumentation auf den ersten Blick verlockend erscheinen mag, so ist die Privatisierung bei näherer Betrachtung alles andere als ein taugliches Mittel zum Schuldenabbau, weil sie nämlich mittel- und längerfristig sowohl das teuerste als auch sozial unverträglichste ist.

Die Privatisierung von staatlichen Unternehmen trifft uns nämlich in dreifacher Hinsicht:

  • als ArbeitnehmerInnen
  • bei der Verteilung von Steuern
  • als Konsumenten.

Als ArbeitnehmerInnen möchten wir sichere Arbeitsplätze, eine gute Entlohnung sowie verträgliche Arbeitsbedingungen.

Als BürgerInnen möchten wir möglichst wenig an Steuern bezahlen und möglichst viel an Förderungen erhalten.

Als Konsumenten möchten wir preisgünstige und qualitativ hochwertige Waren und Dienstleistungen erhalten.

Sehen wir uns unter diesen Aspekten einmal einige „Paradebeispiele“ solcher Privatisierungen an:

Die Teilprivatisierung der Post beispielsweise (welche nun weiter vorangetrieben werden soll) hat eine so genannte „Straffung der Organisationsstruktur“ mit sich gebracht, durch welche Hunderte von Postämtern geschlossen und Arbeitsplätze reduziert bzw. Beamte in irgendwelchen sinnlosen Pools „geparkt“ wurden, bis sie freiwillig bei Kürzung der Gehälter zu Hause bleiben oder in Frühpension „gegangen werden“. Die Gebühren wurden drastisch erhöht, die Serviceleistungen nahezu überall empfindlich eingeschränkt. Die so genannten „sozial verträglich abgebauten“ Arbeitsplätze sind auf unbestimmte Zeit weg und belasten die Arbeitslosenrate zusätzlich. Von allfälligen Gewinnen aus dem Unternehmen profitieren wenige Aktionäre. Die Zeche dafür zahlt eine ganze Volkswirtschaft, indem unprofitable Bereiche des Unternehmens „ausgegliedert“ oder überhaupt stillgelegt werden oder aber zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur für die Bevölkerung nach wie vor mittels Steuergelder betrieben oder gestützt werden müssen (Beispiel Busverkehr, vor allem in ländlichen Gebieten).

Jüngstes Beispiel ist die Schließung der 2001 endgültig privatisierten Zigarettenproduktion der Austria Tabak in Hainburg – durch welche 240 Arbeitsplätze in Hainburg und 80 in der Zentrale in Wien vernichtet werden.

Der Mutterkonzern Japan Tobacco Industries (JTI) verlegt die Produktion in ein anderes EU-Land.


Nach Ablauf der gegebenen Standortgarantie wurden bereits die Werke in Schwaz und Fürstenberg stillgelegt (160 Arbeitsplätze). 2007 wurde das Unternehmen von Gallaher an JTI verkauft und von dieser eine weitere Standortsicherung abgegeben. Aber 2009 schloss der japanische Konzern die Linzer Tabakfabrik und vernichtete dadurch 275 weitere Arbeitsplätze und nun erfolgte die Schließung der Produktion in Hainburg.

Nicht vergessen darf man, dass die Austria Tabak ein Unternehmen war, welches jahrzehntelang profitabel gearbeitet hatte und einen nicht unbedeutenden Beitrag zu den Staatsfinanzen geleistet hat. Nach der Privatisierung der Gewinne bleibt dem Steuerzahler nun die Verwaltung der Verluste durch verloren gegangene Arbeitsplätze.

 

Es muss endlich Schluss sein mit dem neoliberalen Wunschkonzert, Verluste auf die Steuerzahler umzuwälzen und Gewinne zu privatisieren! Wir dürfen nicht dabei zuschauen, wie durch weitere Privatisierungen private Konzerne immer mehr Macht auf die politische Gestaltung des Staates bekommen, der Staat seinen Aufgaben für das Gemeinwohl der Bürger nicht mehr nachkommen kann, wie Staaten auf diese Art und Weise immer erpressbarer werden.

 

Insbesondere die nun verstärkt zu erwartenden Angriffe der Neoliberalen, wichtige Bereiche, die das staatliche Gemeinwohl betreffen, sei es die Energieversorgung, Teile der Gesundheitsversorgung, des Bildungswesens oder gar der Wasserversorgung, zu privatisieren, ist entschieden entgegen zu treten.

 

Unsere gewählten Politiker sind nicht Eigentümer des Volksvermögens, sie sind dessen treuhändischen Verwalter und wir müssen Ihnen das Recht absprechen, dieses unser gemeinsames Eigentum einfach nach ihren Gutdünken zu verkaufen.

 

Die „Steuerinitiative“ fordert daher, dass es in Zukunft keine Privatisierungen von  Volksvermögen mehr geben darf, ohne vorher eine Volksabstimmung über ein diesbezügliches Vorhaben durchzuführen.


www.steuerini.at

 

F.d.I.v.: Gerhard Kohlmaier, Steuerinitiative im ÖGB, 1020 Wien, Mai 2011

 
13.10.2013: Neues Aktuelles Thema: Auch die kommende Regierung wird die neoliberale Katastrophenpolitik fortsetzen. Wir müssen sie zu einer Änderung der Politik durch eine Volksabstimmung zwingen! Drucken E-Mail

 

Wie auch immer man die Berechnungen anstellt, Faktum ist: Österreich ist Schlusslicht bei den vermögensbezogenen Steuereinnahmen innerhalb der OECD-Staaten, in Österreich wurde die Schere zwischen Arm und Reich auch in den letzten Jahren deutlich größer, in Österreich werden die wenigen Vermögenden immer reicher, während das materielle Lebensniveau für die Mehrheit der Bevölkerung sinkt, in Österreich steigen die Steuereinnahmen aus Arbeit und Konsum am Gesamtsteueraufkommen, jene aus Vermögensteilen sinken.  (siehe aktuelle Grafiken unter: http://www.steuerini.at/index.php?option=com_content&view=category&layout=blog&id=9&Itemid=8

Seit nunmehr 15 Jahren setzt sich die Steuerinitiative für eine Umverteilung der gesellschaftlichen Wertschöpfung von Oben nach Unten, von einer Minderheit zur Mehrheit der Bevölkerung hin, ein. Nach und nach machten sich auch andere Initiativen dafür stark. Selbst die AK und der ÖGB beklagen seit Jahren dieses Ungleichgewicht in der Vermögensverteilung. Die etablierte Politik hat jedoch in den letzten 15 Jahren auf diese Verteilungsfrage nicht nur nicht reagiert, sie hat den Kurs einer neoliberalen Umverteilung von Unten nach Oben fortgesetzt und so die Entwicklung verschärft.

In Wahrheit jedoch führt an der Umverteilungsfrage kein Weg vorbei, denn jegliche Forderung nach mehr Gerechtigkeit innerhalb unserer Gesellschaft ist untrennbar mit der Verteilungsfrage verbunden. „Steuern sind zum Steuern da“, der Wahlspruch der Steuerinitiative, war noch nie so richtig wie heute.

Wollen wir mehr Gerechtigkeit im Bildungssystem, bessere Chancen für all jene, denen der Zugang zu einem ausgezeichneten Bildungssystem verwehrt oder erschwert wird, dann muss eine zukünftige Regierung mehr Geld für Bildung in die Hand nehmen. Wollen wir ein endgültiges Zweiklassensystem im Gesundheitsbereich verhindern (Wir sind ohnedies bereits nahe daran), dann benötigen wir mehr Geld dafür. Will eine Regierung endlich die Pensionsabwärtsspirale (jährlicher Verlust der Pensionshöhe, gemessen an der Kaufkraft) beenden, dann brauchen wir die Umverteilung. Will man letztlich Dumpinglöhne für die Arbeitnehmer verhindern, dann wird das nur über eine Umverteilung der gesellschaftlichen Wertschöpfung zu bewältigen sein. Und diese notwendige Umverteilung ist letztlich nur über die Steuerfrage zu bewirken.

Der Anteil der österreichischen Bildungsausgaben am BIP sinkt seit 1995 kontinuierlich. Österreich liegt dabei deutlich unter dem OECD-Schnitt. Der Anteil der Personen mit Matura bzw. mit Lehrabschluss stagniert seit mehr als einem Jahrzehnt, beim Anteil der Hochschulabsolventen liegt Österreich mit ca. 19% ebenfalls deutlich unter dem OECD-Schnitt von ca. 30%. (OECD-Studie 2011)

Im Gesundheitswesen sollen - darauf haben sich SPÖ und ÖVP noch vor dem Wahltag geeinigt -  allein bis 2016 über 3,4 Milliarden Euro eingespart werden, bis 2020 sogar 11 Milliarden. Wohl niemand zweifelt daran, dass ein großer Teil dieser geplanten Einsparungen auf Kosten der PatientInnen durch Leistungskürzungen erreicht werden soll.

Bei den Pensionen haben wir es seit dem Jahr 2000 mit Realeinkommensverlusten der PensionistInnen zu tun, welche in erster Linie darauf beruhen, dass die jährliche Anhebung der Pensionshöhe unter der Inflationsrate erfolgt. Gemessen an der durchschnittlichen Teuerungsrate haben die Pensionen in den letzten 12 Jahren 7% an Kaufkraft eingebüßt, berechnet man die Einbußen an den Gütern des täglichen Bedarfs, am sogenannten Kleiner Warenkorb, dann beträgt der Kaufkraftverlust sogar 17%.

Sind Sie Arzt? Ein Wiener Privatspital suchte heuer Turnusärzte für eine 40 Stundenwoche incl. Nachtdienste um € 1600.- brutto. Oder werden Sie doch AHS-Lehrer nach dem neuen Dienstrecht. Dann dürfen Sie im Vergleich zum bestehenden Recht zwar etliche Stunden pro Woche mehr arbeiten, bekommen dafür jedoch im Verlauf Ihres Berufslebens ca. € 500 000.- weniger an Gehalt. Was, Sie verdienen überhaupt nur € 1200.- oder sogar noch weniger? Dann sind die Dumpinglöhne für Sie bereits Realität.

Während die Reichen immer reicher werden, werden die ArbeitnehmerInnen immer kräftiger zur Kassa gebeten. Gleichzeitig leiden die Menschen immer mehr unter der Demontage der Sozialsysteme.

Das Ergebnis der vergangenen Nationalratswahlen kann u.a. so interpretiert werden, dass die Mehrheit der Österreicher einer Regierung eine längst notwendige Kurskorrektur in der Steuerpolitik und damit die notwendige Umverteilung nicht mehr zutraut. Auch die kommende Regierung wird - unabhängig von ihrer Zusammensetzung - in dieser wichtigen Frage säumig werden und im Wesentlichen den neoliberalen Kurs fortsetzen.

Es ist daher höchst an der Zeit die Forderung nach einer Veränderung der Steuerpolitik wieder in den Mittelpunkt der politischen Agitation zu stellen. Eine Änderung der Verteilung der gesellschaftlich erbrachten Wertschöpfung lässt sich nur über die Steuerpolitik erwirken. Diese Umverteilungspolitik ist jedoch offensichtlich nicht im Interesse der herrschenden Politik, sonst wäre sie bereits durchgeführt.

In den letzten 15 Jahren hat sich gezeigt, dass weder Wahlen noch Volksbegehren in der Lage waren Veränderungen in der Verteilungsfrage herbeizuführen. Wir müssen uns daher eines Instruments bedienen, welches in unserer Demokratie das einzige ist, das die Durchsetzung des Volkswillens garantiert, weil das Ergebnis für die Regierung bindend ist:  der Volksabstimmung.

Wir brauchen eine Volksabstimmung über die Steuerfrage. Wir brauchen eine Volksabstimmung über die Höhe der Lohnsteuer, die Erbschafts- und Schenkungssteuer, über eine gerechte Vermögensbesteuerung, über eine Änderung der Grundsteuer, eine ökologische Steuerausrichtung u.v.m.

Ich kenne die Einwände der Gegner einer solchen Volksabstimmung, die u.a. meinen, eine solche sei unter den gesetzlichen Bedingungen für deren Durchführung nicht zu verwirklichen. Ich kenne auch die Bedenken vieler, welche die Ansicht vertreten, das Thema Steuern sei für eine Abstimmung des Volkes zu schwierig.

Die Steuerinitiative setzt sich für eine Volksabstimmung ein, welche unabhängig von der herrschenden Politik jederzeit unter Zuhilfenahme der Möglichkeiten, welche neue Medien und Kommunikationsplattformen bieten, durchgeführt werden kann. Eine Volksabstimmung von „Unten“ sozusagen. Das Konzept dafür wurde von der Steuerinitiative zusammen mit dem Vorschlag einer Gründung von Wahlgemeinschaften bereits 2008 entwickelt und ist unter http://www.steuerini.at/archiv/interessanteartikel.htm

nachlesbar. Die Steuerinitiative teilt auch nicht die Ansicht, das Volk wäre in der Steuerfrage überfordert. Ganz im Gegenteil: Das Volk weiß über die Notwendigkeit einer solchen Umverteilung bestens Bescheid, es weiß nur nicht, wie eine solche Forderung ohne herrschende Politik durchgesetzt werden kann. Die Volksabstimmung von Unten kann und muss die Antwort darauf sein. (Gerhard Kohlmaier, www.steuerini.at, 13.10.2013)

 
1.9. - Aktuelles Thema: Griechenland: Ein Land wird kaputtgespart! Drucken E-Mail

 

Während ich im Juli und August für jeweils zwei Wochen in Griechenland war, las ich viele Berichte von so genannten politischen Experten, aber auch von linken Gruppierungen in Österreich, welche insbesondere mit der KKE und den neuen linken Gruppierungen im Land versuchen eine Strategie gegen die Troika und dem Druck des Finanzkapitalismus, der das Land ohne Zweifel beutelt, zu finden. Vielen der Analysen stimme ich zu, weil sie nichts anderes als die Folgen neoliberaler Politik aufzeigen, und diese ist für mich - ob in Griechenland oder in Österreich - prinzipiell eine Politik gegen die Mehrheit der Bevölkerung und als solche zu bekämpfen.

Andererseits kenne ich das Land und die Bevölkerung nun seit mehr als 30 Jahren, spreche auch die Sprache so schlecht und recht und habe mir selbst ein Bild von den derzeitigen Verhältnissen über einen Zeitraum von 5 Wochen machen können.

Wie in Österreich und allen anderen Ländern dieser Welt reagiert die Bevölkerung in Griechenland sehr unterschiedlich auf die neoliberale Szenarien und auf die derzeit herrschenden Bedingungen im Land. Das ist von vielerlei Faktoren abhängig: von der Geschichte, von der Kultur, von der Lebensauffassung, von den staatlichen Rahmenbedingungen, von der Wirtschaftskraft eines Landes, vom momentanen Stellenwert innerhalb einer Staatenunion usw.

Die Griechen denken nicht wie wir Österreicher oder beispielsweise die Deutschen. Wer das nicht verstanden hat, kann aus meiner Sicht keine ernstzunehmende Analyse der derzeitigen griechischen Bedingungen abgeben. Dass dies jedoch täglich geschieht, ist nur ein Indiz dafür, wie sehr diese Welt von politischen Machtinteressen geprägt ist, auch fernab der großen Player auf den Finanzmärkten und von korrupten Regierungen.

Ich will in diesem Bericht versuchen mich auf diese angesprochene griechische Denk- und Lebensart, aber auch auf die Art und Weise, wie hier seit Generationen Politik betrieben und betrachtet wird, einzulassen, auch wenn mir bewusst ist, dass es nicht immer gelingen kann, weil auch ich kein Grieche bin, ich mich daher nur bemühen kann, zu verstehen, zu deuten, was uns teilweise fremd ist oder fremd vorkommt, selbstverständlich abgesehen von den prinzipiellen Grundbedürfnissen von Menschen, auf die wir uns in allen Kulturen und Staaten dieser Welt relativ leicht einigen können.

Man muss sich bewusst sein, dass dieses Land, gemeinhin als Mutterland der Demokratie bezeichnet, eben erst seit 1974 eine Demokratie ist. Mit dem Beginn der griechischen Zeitrechnung 776 v. Chr. beginnt eine Zeit, die von Kriegen und Fremdherrschaft geprägt ist. Die Kriege gegen die Perser, der Peloponnesische Krieg, die mazedonische Fremdherrschaft unter König Philipp, die römische Reichsteilung sowie die Türkenherrschaft, gegen die sich die Griechen erst unter Mithilfe der Franzosen, Russen und Großbritannien erfolgreich zur Wehr setzen konnten, mündete schließlich in eine Erbmonarchie. Während man vom 1. Weltkrieg nahezu unbehelligt blieb, endete dieser doch mit einer griechischen Niederlage gegen die Türkei. Deutsche, italienische und bulgarische Truppen besetzten Griechenland während des 2. Weltkriegs, auf den Bürgerkrieg folgte wieder eine konstitutionelle Monarchie und auf diese von 1967 bis 1974 die Militärdiktatur.

Der junge griechische Staat hatte nach Erlangung seiner Unabhängigkeit im 19. Jahrhundert eine zentrale Bedeutung für die Modernisierung der Gesellschaft. Da privates Kapital kaum vorhanden war, trat der Staat als Gönner auf, der keine oder kaum Gegenleistungen forderte. Aber er konnte die prinzipielle Ablehnung des Griechen vor staatlicher Herrschaft nicht mehr verändern. Zu sehr hatte die Jahrhunderte dauernde Fremdherrschaft ihre Spuren hinterlassen. Und nachdem auch noch die politischen Parteien der jungen Demokratie ihre Macht durch Korruption und eine rücksichtslose Klientelpolitik absicherten, war für den Großteil der Griechen klar: Trauen kann man höchstens der eigenen Familie, nicht aber staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen. In kaum einem anderen Land Europas ist daher das Selbstwohl so ausgeprägt wie in Griechenland.

Dieser historische Hintergrund bewirkt beispielsweise auch, dass der Dienst am Gemeinwohl, das Engagement dafür in Griechenland kaum vorhanden ist. Trotz der Tatsache, dass es hier beispielsweise jährlich unzählige von der Hitze oder Brandstiftung verursachte großflächige Brände gibt, ist mir die Existenz einer freiwilligen Feuerwehr in Griechenland nicht bekannt. Erst in jüngster Zeit gibt es Anzeichen eines Umdenkens, vor allem junge Leute entdecken den Gemeinschaftssinn.

Was den meisten Griechen in der derzeitigen Situation am meisten zu schaffen macht, sind die Rahmenbedingungen, welche auf Druck seitens der EU durch das griechische Parlament geschaffen werden. Diese sind keine Hilfestellung für die Menschen im Land, sondern im Gegenteil: Es wird eine Politik gemacht, die einzig und allein die Rahmenbedingungen für das Finanzkapital und Spekulanten ins Auge fasst und für diese gute Bedingungen schafft.

So sieht die von der Regierung beschlossene neue Einkommens-Abgabenordnung vor, dass alle ausländischen Repräsentanten der EU und der EU Task Force (Diese unterstützt die Umsetzung des Sparkurses, der mit den internationalen Geldgebern vereinbart wird. Chef dieser so genannten Expertengruppe ist der Deutsche Horst Reichenbach, auf dessen Haus im Mai dieses Jahres ein Brandanschlag verübt wurde) von der Pflicht einer Steuererklärung entbunden werden.

Das bedeutet, dass es diesen Herrschaften erlaubt ist, nun billig in Griechenland Villen, Yachten, Grundstücke usw. zu erstehen, ohne den Finanzbehörden Auskunft darüber erteilen zu müssen, woher das Geld für diese Investitionen stammt. Gleichzeitig damit hat der Ausverkauf interessanter Immobilien und Grundstücke längst begonnen. Viele Griechen können entweder Kredite, die sie auf ihre Häuser aufgenommen haben, nicht mehr bedienen oder aber sie müssen sie verkaufen, weil ihr Einkommen zur Erhaltung nicht mehr ausreicht. Die Folge ist, dass die Immobilienpreise drastisch gesunken sind und nun die Profiteure der Krise und das mit EU-Geldern gerettete Finanzkapital die lukrativsten Plätze und Immobilien zu Dumpingpreisen erstehen. Gewinnmaximierung in Zeiten der Krise auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung.

Nach wie vor zahlen die griechischen Reedereibesitzer, die so zusagen die erfolgreichste Wirtschaftsmacht Griechenlands darstellen, so gut wie keine Steuern. 3760 Schiffe gehören diesen Reedern, rund 200 000 Menschen arbeiten für sie, die Steuerbefreiung wurde 1967 sogar in der Verfassung verankert. Anfang November zwang zwar die Koalitionsregierung auch die Reeder zu einer Steuerleistung, die jedoch so gering ausfiel (ca. 140 Millionen Euro), dass sie nicht einmal ein Tausendstel der Gewinne ausmacht, welche allein in den letzten 10 Jahren in der Schifffahrt erwirtschaftet wurden.


Auf der anderen Seite nimmt der Steuerdruck auf den Durchschnittsgriechen immens zu. Nahezu alle Steuern sind für die lohnabhängige Bevölkerung erhöht worden. Gleichzeitig wurden sowohl die Löhne als auch die Gehälter sowie die Pensionen empfindlich gekürzt, wobei Lohneinbußen um die 30% die Regel darstellen. Robolis Savvas, Professor für Wirtschafts- und Sozialpolitik an der Panteion Universität schätzt, dass bis 2015 die Löhne um 40% sinken werden. Auch die Mindestlöhne wurden bisher bereits um ein Fünftel auf 586 Euro gesenkt. Da gleichzeitig ein großer Teil der Bevölkerung arbeitslos ist (an die 30% insgesamt, bei der Gruppe von Jugendlichen sogar an die 70%) wird eine gefährliche Armutsspirale in Gang gesetzt. Einerseits erhalten arbeitslose Griechen nämlich nur eine Arbeitslosenunterstützung für ein Jahr - und das nur in einer durchschnittlichen Höhe von ungefähr 300 Euro -, andererseits wurden bisher vor allem in den ländlichen Gebieten sehr viele Griechen von ihren in den Städten arbeitenden Kindern finanziell unterstützt. Nun sind auch die Kinder zuhause, ganze Familien sind arbeitslos und das teilweise noch vorhandene Geld reicht nicht einmal mehr, um die Kosten für das Haus, die Wohnung oder Strom zu bezahlen. Hinzu kommt, dass ein kollabiertes Gesundheitssystem die Kosten für notwendige ärztliche Behandlungen für immer mehr Griechen unerschwinglich werden ließ. Das Resultat ist eine heranwachsende no-future-Generation auf der Seite der jungen Bevölkerung und eine resignierende ältere Generation, bei der sich die Zahl der Selbstmorde erschreckend sprunghaft entwickelt.

Die Pensionen wurden ebenfalls drastisch gekürzt. Nach Angaben des zuständigen Ministeriums für Arbeit, Sozialversicherung und Wohlfahrt beträgt die derzeitige Durchschnittspension 658,47 Euro, brutto wohlgemerkt, also vor Steuern und sonstigen Abzügen. Hunderttausende Rentner erhalten eine Grundrente von derzeit knapp 350 Euro. Giannis Vroutsis, der zuständige Minister, plant jedoch bereits eine weitere Pensionskürzung für Ende 2013. Dann sollten die Gesamtpensionsleistung aus Haupt- und allfälligen Zusatzrente auf ein durchschnittliches Niveau von unter 500 Euro im Monat geführt werden. In den Renten- und Sozialversicherungskassen klaffen seit Ausbruch der Krise enorme Finanzierungslöcher, zunächst verursacht durch den Schuldenschnitt, welcher einen Realwertverlust von ca. 15 Milliarden Euro mit sich brachte (Die Kassen hatten Milliarden in staatlichen Anleihen und Gemeinfonds der Griechischen Bank angelegt), durch das Einbrechen des Immobilienmarktes, derzeit durch sinkende Einnahmen aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit.

Der so genannte griechische Mittelstand, also all jene, die zwar durch Steuererhöhungen und Lohnsenkungen ebenfalls empfindlich getroffen wurden, reagiert auf diese Situation in unterschiedlicher Art und Weise, wobei die Abgrenzung zum verarmten Teil der Bevölkerung im Vordergrund steht.

Die griechischen Finanzbehörden kontrollieren nun vorwiegend die kleinen Privatvermieter und Hoteliers sowie Tavernenbesitzer, um die bisher von den Griechen vollzogene Steuerflucht zu verhindern. Diese allerdings hatte und hat andere Ursachen als die beispielsweise in Österreich oder in vielen anderen EU-Staaten vollzogene. Während in letzteren Staaten die Steuerhinterziehung nahezu ausschließlich zur eigenen Bereicherung dient, ist dies in Griechenland nur ein Sekundäreffekt. In erster Linie misstraute und misstraut man hier seit Jahrzehnten einem korrupten Staat, in dem die Steuerabgaben verschwinden, ohne dass die Steuerzahler etwas davon haben. Die Griechen haben die Erfahrung gemacht, dass sie beispielsweise Steuer für die Infrastruktur ihres Landes zahlen, aber die Straßen wurden von Jahr zu Jahr schlechter. Sie zahlten Steuer und Abgaben für ein Gesundheitssystem, in welchem die Leistungen aus diesem Steueraufkommen kaum oder nie abzurufen waren.

Ähnlich ist die Situation im Bildungsbereich. Hier ist die Zweiklassengesellschaft, auf welche andere westliche Staaten wie Österreich oder Deutschland vehement zusteuern, schon seit Jahren vollzogen. Selbst für öffentliche Schulabschlüsse muss man hier teure Privatstunden bezahlen können, sonst ist ein Erfolg nahezu unmöglich. In einem seit Jahrzehnten von zwei politischen Clans - Papandreou und Kartamanlis - dominierten Staat, der sich seine Macht unter anderem durch eine gut bezahlte, aber ebenfalls korrupte Beamtenschaft sicherte, gibt es keinen Platz mehr für das Vertrauen in ein demokratisch funktionierendes Staatswesen zum Wohle aller Staatsbürger.

So macht der griechische Mittelstand das, was er über Jahrzehnte gelernt hat: Er misstraut diesem Staatssystem wie eh und je und versucht trotz und gerade wegen zahlreicher auferlegter Härten unter dem Druck der Troika diesem Staat ein weiteres Schnippchen zu schlagen. Das Resultat der Steuererhöhungen war daher nicht eine neue Steuermoral der Griechen, sondern im Gegenteil ein Ansteigen der Steuerschuld gegenüber dem Staat. Diese Steuerrückstände sind Ende Juni dieses Jahres auf ein Rekordhoch von 60 Milliarden gestiegen. Alleine im Mai und Juni wurden 613 Millionen Euro an Steuern nicht bezahlt. Aktuell fehlen dem Finanzminister 21,8 Milliarden Euro von Privatleuten und 38,2 Milliarden Euro von Unternehmen. Interessant dabei ist, dass die meisten Steuerhinterziehungen nicht in ärmlicheren Gegenden stattfinden, sondern in Touristenhochburgen wie Kreta, Mykonos oder Santorini. Man könnte daraus also auch den Schluss ziehen, dass die, die ohnehin mehr verdienen, auch die fleißigsten Steuerhinterzieher sind. Aber da ich das nicht belegen kann, verfolge ich den Gedanken auch nicht weiter.

So zeigen sich nun die Folgen der über 200 Milliarden an internationalen Hilfsgeldern, welche der griechische Staat zu über 80% für die Bankenrettung ausgab und nicht in die Wirtschaft des Landes investierte. Diese neoliberale Banken- bzw. Gläubigerrettung statt Investitionen in die Menschen und deren Lebensgrundlagen zu tätigen, ist ein bedeutsamer Grund für all die Skepsis, welche der Durchschnittsgrieche weiteren Hilfsprogrammen und Empfehlungen seitens der EU, der Troika oder des IWF entgegenbringt. So lange die Bedingungen für diese Hilfsleistungen an extreme Sparpakete gebunden sind, welche die materielle Existenz eines Großteils der Menschen gefährdet, werden die Reaktionen darauf nicht zu einem verstärkten Vertrauen in staatliche Institutionen führen.

Eine weitere Form, die zur Schmälerung der Staatseinnahmen führt, ist neben der eklatant hohen Arbeitslosigkeit der erzwungene Konsumverzicht. Wenn die Löhne gesenkt werden, dann fährt man eben nicht mehr auf Urlaub oder aber man minimiert seine diesbezüglichen Ausgaben. Man kocht in Hotelzimmern, man besucht die Cafeneons am Abend wie in besseren Zeiten, aber man trinkt eben nur einen Kaffee (Metreo) und sitzt dabei 6 Stunden lang. Die Folge ist ein drastischer Rückgang der Einnahmen für alle, das bedeutet, dass der Inlandskonsum immer weiter sinkt. Die neue Autobahn zwischen Athen und Kalamata ist zu manchen Tageszeiten weniger befahren als jede österreichische Landstraße. Das Geld für Benzin fehlt, der Preis dafür beträgt pro Liter zwischen € 1,80 und 1,90. Der Inlandstourismus hat starke Einbußen erlitten.

Ob die Reaktion von Finanzminister Yannis Stournaras, die Mehrwertsteuer für Restaurants und Hotels seit 1. August 2013 probeweise bis zum Jahresende von 23% auf 13% zu senken, um die Steuerhinterziehung und den Konsum anzukurbeln, darf bezweifelt werden. Ich jedenfalls habe zwischen meinem ersten Aufenthalt im Juli und dem zweiten im August, also nach der Maßnahme Stournaras, keine einzige Preissenkung festgestellt. Zu groß scheint der allgemeine Steuer- und Abgabendruck zu sein, unter dem die Menschen stöhnen, zu sehr geht es im Moment um das individuelle Überleben.


Die oben angeführte „Abgrenzung nach unten“ wird ebenfalls in mehrfacher Weise vollzogen. Da ist zum einen das Feindbild Ausländer (in Griechenland vorwiegend Albaner, Bulgaren, Menschen aus Bangladesh, Illegale usw. ), welches eine Auferstehung feiert. Sie sind es, die für viele Griechen aus dem Mittelstand für die Misere (die sie weder verursacht haben noch verstehen) herhalten müssen. Die rechtsradikale Partei „Goldene Morgenröte“ feiert über diese Schiene der Ausländerfeindlichkeit bemerkenswerte Wahlerfolge. Auf der anderen Seite sind es dieselben Griechen aus dem Mittelstand, welche gerade diese Leute als Erntehelfer (beispielsweise zur Olivenernte) einsetzen, als billige Arbeitskräfte missbrauchen oder ihnen überhaupt den Lohn nach vollbrachter Tätigkeit vorenthalten. Die krassesten Auswüchse dieses Szenarios hat man vor nicht allzu langer Zeit in der Gegend um Zaharo am Peloponnes erlebt, wo einige Griechen auf diese bemitleidenswerten auf den Feldern arbeitenden Menschen Schießübungen veranstaltet haben, nur weil sie für ihre Arbeit den ohnehin geringen Lohn forderten, der ihnen offensichtlich vorenthalten werden sollte. In Athen wird von rechten Gruppierungen bzw. deren Schlägertrupps ganz offen Jagd auf Ausländer betrieben.

Die zweite Abgrenzung nach unten erfolgt durch eine auch in anderen westlichen Staaten praktizierte Verhaltensweise des so genannten Mittelstandes. Das Schicksal des verarmten und mittellosen Nachbarn wird von diesem ignoriert. Solidarität mit den von Armut Betroffenen gibt es höchstens noch in der familiären und eventuell dörflichen Gemeinschaft. Aber auch diese dörfliche Solidarität zielt häufig nicht auf Verbesserung der Lebensverhältnisse für die Betroffenen, sondern dient meist nur der Erhaltung ihrer bloßen Existenz.

Am Rande dieses griechischen Dramas gibt es aber auch Lichtblicke. Teile der jungen Generation beginnen sich vermehrt im Sinne eines funktionierenden Gemeinwesens zu engagieren. Sie gründen Kooperativen, mischen sich in die Tagespolitik ein, beginnen mitzugestalten. Der Widerstand von Bürgerinitiativen gegen zahlreiche Projekte zielt nicht mehr auf das Eigenwohl, sondern auf das Wohl der Gemeinschaft. Apotheker und Ärzte berechnen ihre Honorare nach sozialen Gesichtspunkten, zahlreiche von ihnen arbeiten ehrenamtlich in neu geschaffenen Institutionen, die der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung dienen. Zahlreiche soziale Netzwerke sind entstanden und entstehen.

All diese Initiativen zeichnet ein neues Verständnis von Staat und Gemeinwesen aus, welches den Griechen bisher großteils fremd war. Langfristig gesehen wird es auch seine Wirkung zeigen.

Kurz und mittelfristig jedoch muss der Spardruck auf die Bevölkerung deutlich minimiert werden, denn er führt das Land immer weiter in den Abgrund. Griechenland-Hilfe seitens der EU kann nur Wirtschafts- und Strukturhilfe sein, das bedeutet, dass Geld, welches für Banken- und Gläubigerrettung aufgewendet wird, das Land noch mehr schwächt. Zu unterstützen sind hingegen die neu entstehenden Strukturen, sei es im Gesundheitsbereich, in der Landwirtschaft und insgesamt im sozialen Bereich. Darüber hinaus müssen zukunftsorientierte Wirtschaftsprojekte unterstützt werden, um der hohen Arbeitslosigkeit Einhalt zu gebieten und die Handelsbilanz zu verbessern. Das Handelsbilanzdefizit machte allein im Jahr 2009 ca. 30 Milliarden Euro aus. Insbesondere Deutschland und Frankreich haben über Jahre von dieser Marktabhängigkeit Griechenlands profitiert.

Ein Sparkurs in Griechenland macht erst dann Sinn, wenn sich das Land wirtschaftlich und sozial erholt hat. Die wahnwitzige ökonomische Theorie des Sparens in Zeiten einer Rezession, welche Europas Politiker unter dem Druck des Finanzkapitals den Menschen zumuten wollen, hat sich durch das bisherige Resultat selbst ad absurdum geführt. Wenn aber Europas Politiker diese neoliberale ökonomische Theorie bewusst gegen ein Volk einsetzen, dann benötigen die Griechen auch die Solidarität aller europäischer Völker, wenn sie sich dagegen zur Wehr setzen. (Gerhard Kohlmaier, August 2013)


 

 
Aktueller Kommentar vom 11.8.2013: Faymann mutiert zum Steigbügelhalter für die neoliberale Politik Stronachs: Drucken E-Mail


Bisher hatte die Regierung trotz vielfältiger demokratiepolitischer Defizite zumindest ein Interesse daran, der Bevölkerung eine Scheindemokratie zu präsentieren. Seit der Aufkündigung einer sozialpartnerschaftlichen Regelung für ein neues Lehrerdienstrecht durch Spitzen der SPÖ und mit Zustimmung der ÖVP-Führung ist diese Regierung jedoch endgültig zum Steigbügelhalter der Politik eines Frank Stronach geworden, der ja Interessensvertretungen für ArbeitnehmerInnen grundsätzlich als unnötig erachtet.

Beide ehemaligen Großparteien, inzwischen zahlenmäßig längst geschrumpft zu Mittelparteien, wollen durch diesen demokratiefeindlichen Akt auf jene Wählerzielgruppe schielen, welche  dem populistischen Parteigetöse um eine Bildungsoffensive unter Mithilfe von Industriellen wie Androsch und so genannten Experten a la Salcher nach wie vor Glauben schenkt.

Der Großteil der Massenmedien hat über Monate und Jahre fleißig mitgeholfen, den Nährboden für eine antigewerkschaftliche und antidemokratische Gesinnung innerhalb großer Teile der Bevölkerung aufzubereiten, indem sie diese einseitig und völlig unzureichend informierte. So wurden und werden bis heute die wesentlichen Argumente, welche seitens der Gewerkschaft den Abschluss eines neuen Lehrerdienstrechtes im Wege standen, mehr oder weniger bewusst ausgeblendet. Stattdessen hat man kräftig mitgeholfen rechtzeitig vor den Wahlen ein neues Feindbild zu entwickeln - das der Verhinderer und Betonierer auf Seiten der gewerkschaftlichen Vertretung der Lehrer sowie das einer privilegierten und überbezahlten Lehrerschaft.

Die Übung musste unter diesen Prämissen gelingen und nun machen sich SPÖ und ÖVP im Schatten der Politik eines Frank Stronach an das Ernten der Früchte dieser Politik und schicken sich an, sowohl das österreichische Bildungssystem als auch die letzten demokratiepolitisch sinnvollen Reste einer sozialpartnerschaftlichen Mitbestimmung zu zerschlagen.

Dabei hat es diese Regierung unter Bildungsministerin Schmid geschickt verstanden, die wahren Hintergründe für das Scheitern der Verhandlungen zu einem neuen Lehrerdienstrecht zu verbergen. Diese beruhen nämlich im Wesentlichen auf den Vorgaben, den sich diese Regierung nach Unterzeichnung des Fiskalpaktes, mit dem sie wesentliche Teile der Budgethochheit nach Brüssel ausgelagert hat, nun im Bundesfinanzrahmengesetz 2014 bis 2017 auferlegt hat: Alleine in diesem Zeitraum sollen dem Bildungsbereich 4,3 Milliarden Euro vorenthalten werden.

Ein gewaltiger Anteil dieser Einsparungen soll über das neue Dienstrecht für zukünftige LehrerInnen aufgebracht werden. Über eine geringfügige Erhöhung der Einstiegsgehälter für LehrerInnen gaukelte man der Öffentlichkeit sogar Gehaltsverbesserungen für die zukünftigen PädagogInnen vor.  Dass die darauf folgende Abflachung der Gehaltskurve sowie der Wegfall von bisherigen Gehaltsbestandteilen durch ein All-inclusive-Modell u.a.m. zu einem Gehaltsverlust von mehreren hunderttausend Euro im Verlauf ihres Berufslebens für die zukünftigen LehrerInnen führt, wird in der medialen und politischen Diskussion bewusst ausgespart. Und dass dieser Gehaltsverlust gleichzeitig noch mit einer Erhöhung der Arbeitszeit einhergeht, welche ebenfalls nicht den SchülerInnen im Sinne von mehr Zeitressourcen für deren Betreuung zugute kommt, sondern ganz im Gegenteil zu einer Verknappung dieser Betreuungszeit führt, weil die LehrerInnen ja auf Grund dieser Erhöhung der Arbeitszeit zusätzliche Klassen (bedeutet mehr Vor- und Nachbereitungs- bzw. Korrekturzeit) übernehmen müssen, bleibt ebenso unerwähnt.


Diese Dienstrechtsreform ist also nicht anderes als ein Sparpaket zu Lasten der Lehrer, der Schüler und auch der Eltern. Es ist daher verständlich, dass LehrerInnen und deren Standesvertretung so einem Dienstrecht die Zustimmung versagen müssen.

Gewerkschaftsvertreter, welche dies tun, sind keine Blockierer, sondern handeln in Kenntnis der Sachlage. Würden sie so einem Dienstrecht zustimmen, hätten sie ihre Legitimation verspielt.

Die Schüler gehören ebenfalls zu den Verlieren eines solchen Modells. Denn sie bekommen schon seit Jahren mit, wie sehr nicht erfüllte Versprechungen der Ministerin (z.B. Senkung der Klassenschülerhöchstzahl) eine Verbesserung der Betreuungs- und Unterrichtsqualität verhindern.

Und schließlich sind es vor allem auch die Eltern, welche durch diese Politik betrogen werden. Eine Bildungsreform, welche Einsparungen von Investitionen in die Bildung in Milliardenhöhe plant, kann nur in einer Demontage der öffentlichen Bildungseinrichtungen münden. Das Resultat werden staatliche Ganztagsverwahrungsanstalten sein, deren Abschluss zwar für fast alle erreichbar ist, deren Bildungswert jedoch zu wünschen übrig lässt und am so genannten freien Markt kaum gefragt sein wird. Diese Situation ist jedoch gleichzeitig der Startschuss für die Entstehung von privaten, zahlungspflichtigen Bildungseinrichtungen, welche sich der Großteil der Eltern nicht leisten können wird. Letztlich führt eine solche Bildungspolitik zu einer Zweiklassengesellschaft.

Faymanns Strategie ist leicht zu durchschauen. Gelingt es ihm weiterhin die Bevölkerung über die wahren Hintergründe und Zusammenhänge im Bildungsbereich im Unklaren zu lassen, so kann er zwar in Hinblick auf die Wahlen mit einem kurzfristigen Erfolg rechnen. Offenbar traut ihm Spindelegger das zu und möchte daran partizipieren. Wie weit er dabei gehen wird oder kann, wird sich zeigen.

Trotzdem birgt die Taktik des Kanzlers etliche Gefahren. Faymann macht sich damit einerseits offen zum Steigbügelhalter der Politik eines Frank Stronach. Andererseits ist die Aufkündigung des Modells der Sozialpartnerschaft bei den Lehrern auch ein ernst zu nehmendes Warnsignal für alle anderen Teilgewerkschaften für zukünftige Kollektivvertragsverhandlungen. Inwiefern die ÖVP unter Spindelegger in dieser Frage ein echter „Verbündeter“ des Kanzlers auch noch nach den Wahlen sein wird, sei dahingestellt, ist jedoch nicht als sicher anzunehmen. Aber was wohl am schwersten wiegt: Die SPÖ hat sich mit diesem Schritt wohl auch für die bisher auf einem Auge blind gewesenen Anhänger als neoliberal agierende Partei entpuppt.

F.d.I.v.: Mag. Gerhard Kohlmaier, Wehlistr. 150/73, 1020 Wien     www.steuerini.at


 
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