Aktuelles Thema
Aktuelles Thema: Politik als Inszenierung - ein demokratiepolitisches Dilemma Drucken E-Mail

 

Wahlen sind ein wichtiger Bestandteil jeder Demokratie. Aber sie sind bei Weitem nicht ein besonderes Qualitätskriterium einer demokratischen Gesellschaft. Immerhin gibt es Wahlen auch in China oder in Russland, in Ungarn, der Türkei, Polen usw.

Aber in wirklichen Demokratien sollen die politischen Vorstellungen einer zur Wahl stehenden Partei einer fundierten Kritik unterzogen werden. Dabei spielen vor allem freie Medien eine bedeutsame Rolle. Eine lebendige Demokratie lebt von einem Diskussionsprozess über die programmatischen Vorstellungen der Wahlwerber, und je breiter er geführt wird, umso eher kann sich der Bürger eine Vorstellung vom Sinn oder Unsinn eines Parteiprogramms machen.

Aber gerade in dieser wichtigen demokratiepolitischen Frage läuft derzeit in Österreich ein nahezu bedenklicher Prozess ab.

Einerseits häufen sich die Parteien, deren programmatische Vorstellungen kaum konkret sind. Vielfach handelt es sich dabei nicht um Wahlprogramme im engeren Sinn, sondern um Grundsatzpapiere. Sie vermitteln dem Bürger nicht mehr als Bekenntnisse zur sozialen Gerechtigkeit, zu einer  erfolgreichen Wirtschafts-, Bildungs-, Gesundheitspolitik usw.

Was darunter genau zu verstehen ist, mit welchen Mitteln politische Ziele erreicht werden sollen, welche Konsequenzen eine bestimmte Politik für die Gesellschaft als Ganzes und für den Einzelnen im Besonderen hat oder haben kann, wird dabei mehr oder weniger bewusst verschwiegen.

Nicht die Inhalte stehen im Vordergrund, nicht die Diskussion darüber, sondern vielfach Personen und Gesichter. Letztere bemühen sich mit Schlagwörtern und pseudodemokratischen Wortschöpfungen um die Gunst von Wählern, welche längst begriffen haben müssten, dass genau das zu wenig ist, um so regieren zu können, dass Antworten auf gesellschaftspolitische Fragestellungen im Interesse der Mehrheit der BürgerInnen gegeben werden können.

Insbesondere die Neue ÖVP versucht unter ihrem Spitzenkandidaten Kurz diesen Weg zu gehen. Konkrete Aussagen zu einer zukünftigen Innenpolitik und deren Folgen gibt es von Kurz kaum. Ein Detailprogramm für eine künftige Legislaturperiode der Partei Kurz gibt es bis dato nicht. Dort wo sich der neue Parteichef zu Wort meldet, wie etwa in der Flüchtlingspolitik, bleibt er populistisch und täuscht Lösungsmöglichkeiten vor, die jegliche praktische Umsetzbarkeit vermissen lassen bzw. dem Problem in keiner Weise Herr werden. Wohl aber gibt es viele neue Gesichter in der Partei, hauptsächlich Jugendfreunde des Parteichefs, welche inhaltlich noch weniger zu bieten haben als er selbst, allerdings den Wählern eine Art Dynamikimage vortäuschen sollen, welches sich oberflächlich betrachtet vom Typus des Politikers unterscheiden soll.

Es ist zwar richtig, dass die BürgerInnen die Nase voll von Politikern haben, die nicht im Interesse der Mehrheit der BürgerInnen handeln, sondern einzig und allein im Partei- und Eigeninteresse. Aber um dieses gerechtfertigte Misstrauen der BürgerInnen solcher Art von Politikern überwinden zu können, reicht es bei Weitem nicht aus, wenn man die Verpackung ändert. Der Inhalt ist es, der geändert werden sollte, aber wo kaum einer oder gar kein Inhalt ist, ist die Irreführung der Wähler zur Potenz erhoben.

Auch die NEOS üben sich in einer ähnlichen Strategie. Mit Schlagwörtern wie „Freiheit und Verantwortung“ wird eine ehemalige Präsidentschaftskandidatin auf das Wahlvolk losgelassen. Konkrete Lösungskompetenzen für gesellschaftspolitische Fragestellungen bleiben dabei ähnlich auf der Strecke wie bei der Neuen ÖVP.

Die FPÖ weiß ob der neuen Welle von populistischer, wenig konkreter Politik rund um sie herum offensichtlich nicht mehr, wie sie darauf reagieren soll. War es doch bisher ihre Domäne, dem Volk etwas vorzugaukeln. Nun ist guter Rat teuer, denn wenn man plötzlich von vielen Gauklern umgeben ist, die als Verpackungskünstler auftreten, beginnt die eigene Verpackung zu bröckeln. Und wo kein Inhalt war, bleibt derzeit nur das Schweigen.

Die GRÜNEN befinden sich in einer äußerst merkwürdigen Situation. Eine Partei, die hervorgegangen aus einer Bewegung, in letzter Zeit alles daran gesetzt hat, um dieses Image abzuschütteln und zu einer stinkordinären Partei jenes Stils zu werden, welche das Wahlvolk immer öfter eine Absage erteilt, findet sich plötzlich umgeben von Konkurrenten, welche gerade darauf abzielen, Bewegung vorzutäuschen. Dass man in dieser Situation sich noch dazu gerade der Mitglieder entledigt, welche noch den Hauch einer Aura, die Volksinteressen vor Parteiinteressen stellt, ihr Eigen nennen konnten, macht eine Zukunftsstrategie nicht gerade einfacher.

Die SPÖ agiert derzeit noch am ehesten im Stil einer Partei - mit allen Vor- und Nachteilen eines traditionellen und nicht unproblematischen Parteicharakters. Erfolg oder Misserfolg kann dabei in der inhaltlichen Abgrenzung, in der Detailgenauigkeit des politischen Wollens zu den Mitkonkurrenten liegen, aber wohl auch im Aufbrechen verkrusteter Strukturen. Das von den BürgerInnen zu Recht abgelehnte Image einer Machtpartei sollte durch das einer echten Volkspartei ersetzt werden, in welcher sie Zukunft aktiv mitgestalten können. Ein Anfang ist insofern gemacht, als dass die SPÖ als einziger Wahlwerber ein ziemlich konkretes Arbeitsprogramm vorgelegt hat. Wenn es der Partei gelingt auch jene Strukturen zu schaffen, die gewährleisten, dass der einzelne Bürger an der Umsetzung der Ideen aktiv teilnehmen kann, kann das Parteiimage durchaus von Vorteil sein.

(Gerhard Kohlmaier, 16.7.2017)

 

 
Aktuelles Thema, 9.4.: Die Rückkehr des Selbst Drucken E-Mail

 

Das menschliche Leben ist äußerst vielfältig. Unterschiedliche Lebensauffassungen, verschiedene Kulturen, die unterschiedlichen historischen Erfahrungen, die Menschen machen, und vieles mehr zeugen davon. Die Lebensbewältigung des Einzelnen, aber auch die Lebensgestaltung der Gemeinschaft führen daher zu einer Vielzahl an Fragen, auf die wir im Wesentlichen pragmatische Antworten zu finden trachten. Diese bestimmen unser Handeln. Allerdings sind sie einerseits Resultat unserer Lebensgeschichte und der konkreten Lebensbedingungen, andererseits sind sie beeinflusst von systemischen Denken und dem, was der Philosoph Heidegger die „Diktatur des Man“ nannte. Dieses öffentliche Bewusstsein der Masse wird uns nicht zuletzt durch eine Medienwelt, die Wirklichkeiten subjektiv schafft, indem sie im Interesse von Medieninhabern oder sogar Regierungen agiert, vermittelt und erzeugt eine Öffentlichkeit, welche unsere Auslegung von Welt und Dasein regelt.

Die aufgeklärte kopernikanische Wende zum Subjekt, also der Versuch der Loslösung unseres Denkens und unserer Vorstellung von der Welt und der menschlichen Natur von mächtigen Institutionen, ist vor allem durch die technischen Errungenschaften des Menschen sowie einem schier endlosen Glauben an eben diesen technischen Fortschritt in neuerliche Schranken gewiesen worden.

Während jedoch die technische Machbarkeit den Menschen scheinbar über die natürlichen Vorgänge gestellt hat, auf die einzuwirken ihm neue Entfaltungsmöglichkeiten bietet, ist er andererseits in einem streng geregelten System von gesellschaftspolitischen und ökonomischen Vorgängen vielfach zu einer neuen Form von Passivität verurteilt. Diese äußert sich in einer scheinbaren Aktivität, welche jedoch nur mehr im Konsumieren von Produkten und Umsetzen der gesellschaftspolitischen Vorgaben besteht. Wer daraus ausschert, ist so lange geduldet, als er keine Gefahr für das System als Ganzes darstellt. Droht er jedoch die „Diktatur des Man“ zu gefährden, wird er isoliert und wird - wenn notwendig - mit Repressalien bedacht.

Nun ist sowohl das Denken über die technische Verfügbarkeit der Welt als auch jenes über die Form unserer gesellschaftspolitischen und ökonomischen Daseinsbedingungen nicht losgelöst von Interessen. Es sind zwar wenige Prozent der Bürger in den modernen Gesellschaften, die davon exorbitant profitieren, aber auch die Lebensbedingungen der Mehrheit der Bevölkerung haben sich lange Zeit verbessert. Die Bürger hatten daher in Zeiten der Prosperität wenig Anlass dazu, ein System in Frage zu stellen, dessen Nutznießer sie in gewissen Ausmaß auch selbst waren: in der Frage der materiellen und sozialen Absicherung, aber auch in Fragen der politischer Mitsprache.

Seit geraumer Zeit jedoch stößt das systemische Denken sowohl im Bereich der Technik als auch der Gesellschaftstheorien und der Ökonomie an Grenzen und wendet sich gegen den Menschen. Auf der einen Seite beginnt sich die Natur gegen die menschlichen Eingriffe auf eine selbst die Existenz des Menschen gefährdende Art und Weise zur Wehr zu setzen, auf der anderen Seite betrachten sowohl Ökonomie als auch Politik den Menschen nur mehr als Humanressource, der seiner Verwertung zuzuführen ist. Diese Verwertbarkeit zeigt sich in der widerstandslosen Anpassung des Menschen an den Markt und seine Bedingungen, aber auch in der zunehmenden Aufgabe seiner Autonomie und des damit verbundenen Verlustes seiner Daseinsverantwortung.

Längst ist der postmoderne Mensch wieder zum Objekt geworden und hat sowohl seine Zielorientierung als auch seine Subjektivität verloren. Mehr noch: Er setzt nicht nur die eigene Autonomie, die Selbstbestimmung seines Daseins und das eigene Überleben aufs Spiel, sondern auch das von künftigen Generationen. Der Mensch vegetiert als Gefangener von Bedingungen, die er selbst geschaffen oder widerspruchslos hingenommen hat. Die Geister, die er rief, die scheint er so leicht nicht wieder los zu werden. Die Frage ist, wie er diesem Teufelskreis entrinnen kann.

Einige Gedanken dazu möchte ich hier zur Diskussion stellen:

Eine Problematik besteht meiner Meinung nach darin, dass unser wissenschaftlich-technisches Denken unser Leben bestimmt. Man kann dies sowohl an den Forschungs- und Fördergeldern für technisch naturwissenschaftliche Fächer an den Universitäten im Unterschied zu den Geisteswissenschaften ablesen als auch am Ausmaß der Wochenstunden für die jeweiligen Unterrichtsfächer an unseren Schulen. Das so genannte wissenschaftliche Denken unterliegt in einem viel zu hohen Ausmaß den Ansprüchen einer schnellen Verwertbarkeit, in erster Linie einer materiellen.

Die kritische Reflexion bleibt dabei auf der Strecke. Schulen spezialisieren sich auf das Vermitteln von Kompetenzen statt auf den Erwerb von Bildung.

Der Einzelne kann diesem Trend nur dadurch entkommen, als er sich zunehmend auch mit geisteswissenschaftlichen Fragestellungen beschäftigt. Nicht die Frage, wie man schnellen materiellen Gewinn erzielt, sollte sein Denken leiten, sondern die Frage, wie man sein Leben gestalten und meistern möchte. Das glückliche und gelingende Leben im Sinne von Aristoteles muss zumindest einen gewichtigen Kontrapunkt zu dem an Zwecken orientierten homo oeconomicus darstellen. Wenn unsere Bildungseinrichtungen die Voraussetzungen dafür nicht schaffen, und damit ist in absehbarer Zeit nicht zu rechnen, muss sich der Einzelne selbst darum bemühen. Das ist eine Form der Selbstbestimmung, die Sinn macht.

Unser Leben ist einer Vielzahl von Beschleunigungen ausgesetzt, welche den Menschen kaum Pausen ermöglichen. Nicht nur die Arbeitswelt, selbst die so genannte Freizeit unterliegt einem Zeitbegriff, welcher uns kaum mehr Zeit zum Nachdenken bietet. Wir arbeiten, wir essen, wir urlauben nach der Uhr und haben vergessen, dass es noch einen anderen Begriff von Zeit gibt, den die Griechen Kairos, den rechten Augenblick, genannt haben. Auf diesen muss man unter Umständen warten, man muss also Zeit verstreichen lassen. Wir müssen uns von Sklaven der Uhr wieder zum Herr über die Uhr machen, anhalten, wenn anhalten angebracht ist, nachdenken, wenn nachdenken angesagt ist.

Die Medienvielfalt, insbesondere die elektronische, verleitet viele dazu, mitunter das Denken einzustellen und die dargebotene Welt als eine Wirklichkeit, der sie unentrinnbar ausgeliefert ist, zu begreifen. Darüber hinaus ist selbst der Gebildete durch die Informationsfülle dazu verleitet, das Denken anderen zu überlassen. Auch in politischen Entscheidungsprozessen wird dem Menschen das selbständige Denken sozusagen abgenommen, indem für ihn entschieden wird, nicht selten hinter verschlossenen Türen. Dieses Nachdenken über die Welt müssen wir uns wieder leisten, auf die entscheidenden Fragen müssen wir selbst Antworten finden und diese mit anderen austauschen. Für den Ausbau und die Förderung demokratischer Mitbestimmungsrechte an politischen Entscheidungsprozessen müssen wir uns einsetzen, gegen Einschränkungen müssen wir uns entschieden zur Wehr setzen.

Aber am wichtigsten ist, dass wir in allem, was wir denken und tun, wahrhaftig erscheinen und somit Beispiel geben für eine Lebensbewältigung, welche unsere Handschrift trägt.

 

Mag. Gerhard Kohlmaier, www.steuerini.at, 9.4.2017

 

 
Aktuelles Thema, 5.2.2017: Kommentar zur Einstellung der Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft in der Causa "Pröll-Stiftung" Drucken E-Mail

„Nicht einmal ein Anfangsverdacht!“ Aber vielleicht trotzdem eine Sauerei.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft prüfte in der Causa Pröll-Privatstiftung, ob gegen den Landeshauptmann Niederösterreichs ein Verfahren wegen Amtsmissbrauch oder Untreue einzuleiten sei und befand, dass nicht einmal ein Anfangsverdacht vorliege und daher keine weiteren Ermittlungen einzuleiten seien.

Nun ist ein Landeshauptmann nach unserer Bundesverfassung der oberste Beamte eines Landes. Beamten ist es nach § 57 des Beamtendienstrechtsgesetzes verboten „eine Geschenkannahme im Hinblick auf seine amtliche Stellung für sich oder einen Dritten ein Geschenk, einen anderen Vermögensvorteil oder einen sonstigen Vorteil zu fordern, anzunehmen oder sich versprechen zu lassen.“

Aber Landeshauptmann Pröll hat ja persönlich keinerlei Gelder angenommen, sondern diese in eine von ihm gegründete Pröll-Stiftung mit gemeinnützigem Stiftungszweck eingebracht, sagen seine Steigbügelhalter und die Mitstreiter in der Landesregierung.

Allerdings feierte der Landeshauptmann seinen 60igsten Geburtstag bereits im Dezember 2006. Dabei soll er angeblich € 150.000.- von anonymen Spendern erhalten haben. Zu diesem Zeitpunkt existierte jedoch noch keine Dr. Erwin Pröll Privatstiftung, denn diese wurde erst knapp ein Jahr später, Ende 2007, gegründet.

Wie kommt es also, dass der höchste Landesbeamte Niederösterreichs einen Betrag von € 150.000.- annimmt, ohne dabei Skrupel zu empfinden? Wahrscheinlich ist, dass er keine hat. Diese Art der Geschenkannahme ist zumindest höchst merkwürdig. Pröll-Sprecher Kirchweger erklärte damals gegenüber dem Wirtschaftsblatt, der Landeshauptmann wolle mit der Gründung der Pröll Privatstiftung dem Spendenaufkommen zu seinem 60. Geburtstag „einen Sinn geben“. Was war also der Sinn der Spenden anlässlich seines Geburtstages? Machten sich seine „Untertanen“ womöglich Sorgen, ob ihr Landesvater denn die Kosten des Banketts begleichen könne? Wir werden es wohl nie erfahren. Beamte dürfen durchaus kleine Aufmerksamkeiten, die landesüblich sind, als Geschenk annehmen. Dass darunter aber auch Geldbeträge fallen, noch dazu in einer stattlichen Höhe, ist mir vollkommen neu und entspricht auch nicht dem Gesetz.

Nun ist für die Gründung einer Stiftung neben dem privatrechtlichen Willensakt des Stifters auch ein öffentlich-rechtlicher Verwaltungsakt der Behörde notwendig. Und diese zuständige Behörde ist nach § 39 BStFG (Bundesstiftungs- und Fondsgesetz) der Landeshauptmann selbst. Die Behörde prüft nun u.a. den gemeinnützigen Charakter des Stiftungszweckes und - davon gehe ich aus - wohl auch die Herkunft des angelegten Betrages. Und diese Prüfung vollzieht wiederum letztlich der Herr Landeshauptmann selbst. Das macht wahrlich keine gute Optik, oder? In vergleichbaren Fällen spricht man soviel ich weiß von Befangenheit und lässt solche Konstruktionen nicht zu.

Aber was wurde hier überhaupt geprüft? Nach dem Gesetz hat die Behörde zu prüfen, ob das Stiftungsvermögen zur Zweckeinreichung hinreichend ist. Nun kann man nur vermuten, dass die Behörde, also die Landesregierung selbst, der Ansicht war, dass die vom Landeshauptmann eingebrachte Summe zur Stiftungsgründung (Geldgeschenke anlässlich seines 60. Geburtstages) im Wesentlichen nicht ausreichen, um dem Stiftungszweck (angeblich die Errichtung einer Akademie zur Förderung des öffentlichen Raumes) zu erfüllen. Also beschließt die Landesregierung (u.a. der jetzige Innenminister Sobotka und die zukünftige Landsfrau Miki-Leitner) der Pröll-Stiftung in den kommenden Jahren jährlich € 150.000.- zu überweisen bzw. zur Verfügung zu stellen.

Steuergeld wohlgemerkt. Und diese jährliche Zuwendung zu seiner Stiftung wird nun auch vom Stifter, der gleichzeitig Landeshauptmann ist, mitbeschlossen.

Und selbstverständlich handelt es sich bei dieser Summe um keinerlei Geschenke, denn kein Steuerzahler wusste davon, dass Teile seines Steuergeldes in eine Privatstiftung des Landeshauptmannes fließen. Kein Steuerzahler hatte Kenntnis von einem Geschenk, und wenn man nichts schenkt, dann kann auch niemand ein Geschenk annehmen. Nicht einmal der Landeshauptmann oder eine Stiftung. Nach diversen Protokollen hatte ja nicht einmal der niederösterreichische Landtag Kenntnis von diesen Zuweisungen, weil sie in keinen Protokollen der Landesregierung ausgewiesen sind. Daher hat niemand der Pröll-Stiftung etwas geschenkt, der Landeshauptmann und die Mitglieder der Landesregierung haben einfach beschlossen, diese Steuergelder der Pröll-Stiftung zu überantworten. Von Geschenkannahme also kann hier wahrlich keine Rede sein.

Machen Sie sich selbst ein Urteil: Haben sie also recht, die Prüfer? Liegt tatsächlich kein rechtlich zu verfolgender Strafbestand einer Geschenkannahme vor?

Ob nun bei einer Handlung Untreue vorliegt oder nicht, ist im §153 StGB geregelt:

„(1) Wer seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2)Seine Befugnis missbraucht, wer in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstößt, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen. (3) Wer durch die Tat einen 5 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, wer einen 300 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.“

Prinzipiell versteht man unter Untreue die unsachgemäße Verwaltung von Vermögen, die einen Stellvertretungssachverhalt voraussetzt.

Zu unterscheiden davon ist die Veruntreuung, welche im §133 Abs.1 des StGB geregelt ist. Darunter versteht man die unsachgemäße Verwahrung von Vermögen.

Von Untreue kann im gegenständlichen Fall also wohl auch keine Rede sein, denn es wurde ja niemand an seinem Vermögen geschädigt. Dieses „Vermögen“ ist ja rechtlich gesehen Steuergeld und somit bereits im Eigentum des Staates bzw. Landes.

Etwas anders verhält es sich allerdings, zieht man den Tatbestand der Veruntreuung als Maßstab dafür heran, ob wohl alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Hier stellt sich sehr wohl die Frage, ob die der Stiftung zugedachten Steuergelder auch sachgemäß verwendet wurden. Tatsache ist, dass diese Gelder zum überwiegenden Teil bis dato für kein gemeinnütziges Projekt ausgegeben wurden, sondern im Gegenteil gehortet bzw. angespart wurden. Allerdings ist nach §133 des StGB eine Veruntreuung nur dann gegeben, wenn das anvertraute Gut, also der Betrag von 1,3 Millionen Euro, mit dem Vorsatz der eigenmächtigen Bereicherung im Zusammenhang steht.

Auch ein solcher Vorsatz ist nicht gegeben, auch wenn niemand wissen kann, was denn die Pröll-Stiftung mit diesem Geld tatsächlich gemacht hätte, wären die Machenschaften der Landesregierung nicht in Form von vertraulichen Akten aus dem Büro des Landeshauptmannes der Wochenzeitung „Falter“ zugespielt worden. Und schließlich wird eine Stiftung ja auch kontrolliert - von einem gerichtlich bestellten Stiftungsprüfer - und vom niederösterreichischen Landesrechnungshof. Und diese befanden: Alles in Ordnung.

Kann man es also drehen und wenden, wie man will, bewegt sich die Dr.Erwin Pröll Stiftung überall im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben? Offensichtlich schon, befindet zumindest die Korruptionsstaatsanwaltschaft.

Die Namensgebung einer Stiftung obliegt nach dem Stiftungsgesetz dem Stifter. Warum dieser ihr den Namen „Dr. Erwin Pröll Privatstiftung“ und nicht etwa „Steuerstiftung des Landes Niederösterreich“ gegeben hat, ist auf den ersten Blick reine Geschmacksache. Allerdings würden sich wohl so manche Steuerzahler bei dieser Namensgebung die Frage stellen, warum sie Steuern in eine Stiftung einzahlen bzw. warum nicht das Land Niederösterreich selbst das Steuergeld vollkommen transparent verwendet und im Bedarfsfall für gemeinnützige Zwecke ausgibt. Die Bezeichnung „Dr. Erwin Pröll Privatstiftung“ lässt diese Frage nicht aufkommen, die Bürger ordnen die Bezeichnung wohl dem Stifter selbst zu und nehmen an, dass dieser Geld in die Stiftung einbringt. Was er ja offensichtlich auch tut. Dass es sich dabei um Steuergeld handelt, hat bis vor kurzer Zeit mit Ausnahme der Mitglieder der Niederösterreichischen Landesregierung niemand gewusst, vor allem nicht die Spender, die Steuerzahler.

Letztlich wäre in der Causa Pröll-Stiftung noch der § 302 des StGB zu beachten. In diesem wird die Verfehlung des Missbrauchs der Amtsgewalt behandelt:

„Ein Beamter, der mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbandes, einer Gemeinde oder einer anderen Person des öffentlichen Rechtes als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.“

Hier geht es im Wesentlichen um den bewussten Missbrauch von Amtsgeschäften, verbunden mit dem Vorsatz, einen anderen zu schädigen.

Ich bin zwar der Ansicht, dass ein Steuerzahler geschädigt wird, wenn er nicht nachvollziehen kann, wofür sein Steuergeld verwendet wird. Die Praxis sieht dabei allerdings so aus, dass  das österreichische Auskunftspflichtgesetz aus dem Jahre 1987 stammt und in Sachen Transparenz weit hinter anderen europäischen Staaten nachhinkt. Rechte auf Auskunft gegenüber staatlichen Institutionen kann der österreichische Bürger nach Ablehnung seitens der Behörde nur über den Zivilrechtsweg durchsetzen. Da die Sitzungen der niederösterreichischen Landesregierung zudem geheim sind, kann man über einen Amtsmissbrauch auch nur Vermutungen anstellen. Ein Nachweis ist unter solchen Bedingungen so gut wie ausgeschlossen.

 

So ist es vielleicht rechtlich nachvollziehbar, warum die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft keine weiteren Ermittlungen in der Causa einleiten möchte, allerdings erscheint es etwas verwegen zu sein davon zu sprechen, dass „nicht einmal ein Anfangsverdacht“ vorliege. Dass dieser auf Grund der eigenartigen Konstruktionen verschiedener Institutionen und der Haltungen von unterschiedlichen Personen zur Angelegenheit nicht oder kaum beweisbar ist, ist eine andere Sache.

 

Schließlich und endlich aber kann man Recht nur nach den vorliegenden rechtlichen Grundlagen sprechen und es ist offenkundig, dass diese in zahlreichen Bereichen unseres Staatswesens vollkommen intransparent sind. Sie nützen den handelnden Personen in der Politik, deren persönlichen und machtpolitischen Interessen, sie sind nicht selten zum Schaden der Bürger.

 

Aber neben diesen rechtlichen Grundsätzen gibt es für jeden Menschen auch noch ethische Verpflichtungen des Handelns. Diese sind mitunter sogar wichtiger als die rein rechtlichen Bedingungen, insbesondere im Bereich des politischen Handelns, denn sie schaffen Vertrauen oder Misstrauen der Bürger. Wie würden die staatlichen Prüfungsinstitutionen in der Causa Dr. Erwin Pröll Privatstiftung wohl urteilen müssen, fragten sie nach diesen ethischen Grundlagen, welche den Herrn Landeshauptmann und die Regierungsmitglieder der niederösterreichischen Landesregierung zu ihrem Handeln bewegten? Aber letztlich ist das auch egal, denn Sie sind es, Sie als Staatsbürger, als Wähler, als Mensch, der über die Machenschaften des Herrn Landeshauptmanns und seiner Regierungsmitglieder urteilt, der ihre Vorgangsweisen beurteilt. Zu welchem Urteil Sie gelangen, liegt in Ihrer Verantwortung, ebenso die Konsequenzen, die Sie aus Ihrem Urteil ziehen.

(Mag. Gerhard Kohlmaier, Steuerinitiative im ÖGB, www.steuerini.at, 5.2.2017)

 
Aktuelles Thema, 13.11.: Ohnmacht und Agonie der Bürger bestimmen das westliche politische System Drucken E-Mail

Das amerikanische Volk hat um sich geschlagen und bei diesem Rundumschlag unbewusst das gewählt, was es zu bekämpfen vor hatte: das politische Establishment, das System von Eliten, wodurch es zum Großteil seit Jahrzehnten zu Verlierern gestempelt wird.

Die internationale Presse hat diese Ohnmacht als Abwahl des Establishments hochstilisiert, wissend, dass höchstens der eine Protagonist durch den anderen, vielleicht noch gefährlicheren ersetzt wurde. Die Intellektuellen üben sich seit der Wahl überwiegend darin, es als Unverständlichkeit zu erklären, dass das amerikanische Volk einen Populisten zum Präsidenten gekürt habe.

Was geht hier vor sich, was sind die Hintergründe eines Wahl-Megaspektakels, welches unter ähnlichen Vorzeichen in der gesamten westlichen Welt stattfindet?

Der Großteil des amerikanischen Volkes erlebt spätestens seit Ronald Regans Präsidentschaft  einen sozialen Abstieg. Seine neoliberalen Dogmen, an dessen Spitze die Trickle-down-Theorie besagt, dass die Akkumulation von Kapital sich letztlich auch positiv auf die untersten Gesellschaftsschichten auswirkt, wurde für die Mehrheit der Bevölkerung zum Alptraum. Zwar sickert tatsächlich etwas durch, wenn Vermögende immer vermögender werden, aber dieser Anteil ist wie die Vermögensverteilung in Amerika und in anderen Ländern der westlichen Welt zeigt, anteilsmäßig geradezu lächerlich. Im Vergleich zur erzielten Wertschöpfung der Gesellschaft führt sie für viele davon in die Armut, während die Vermögenden den Großteil des Kuchens für sich sichern. Nach Angaben der Weltbank waren 2013 weltweit 83% der gesamten Vermögenswerte in den Händen von 16%, 6 Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise hatte das Vermögen der Reichen um 50% zugenommen, die Finanzreserven der 374 größten multinationalen Konzerne haben sich seit 1999 verdoppelt, die Zahl der Menschen hingegen, die täglich weniger als 1,25 Dollar zur Verfügung haben, wird von der Weltbank auf 1 Milliarde geschätzt.

Bei dieser Politik ist ihnen die Mithilfe der politischen Repräsentanten gewiss: Eine der ersten Maßnahmen Regans war die Senkung der Steuersätze für die Wirtschaft und für die höchsten Einkommen. Die zahlreichen anderen Maßnahmen, welche die Regierungen der Staaten ermöglichten, um das Kapital zu unterstützen, reichen von der legalisierten Steuerhinterziehung, der Transformation von Spekulationsrisiken des Finanzkapitals auf die Völker der Staaten bis hin zum Sozialabbau und dem schlanken Staat, in dem die Pfründe der Gesellschaft Privaten anvertraut werden, damit sie davon profitieren können.

Zudem mussten die unteren Gesellschaftsschichten ihren spärlichen Anteil mit einem Preis bezahlen, welcher sie endgültig von den Eliten abhängig machte: der unkritischen Anerkennung ihrer Dogmen, an oberster Stelle die von der Freiheit des Marktes und der Schlankheit des Staatsapparates. Letzteres hat im Wesentlichen nur mehr dem ersten Dogma zu dienen. Dabei jedoch blieben nicht nur die Interessen zahlreicher Menschen auf der Strecke, sie wurden zudem von sich selbst zunehmend entfremdet.

Diese Entfremdung, Adorno nannte sie Entäußerung, äußert sich in allen westlichen Staaten ähnlich. Dem einzig geltenden - von den Staaten und den Eliten vorgegebenen - Grundsatz, nämlich dem des Marktes und einer freien Wirtschaft, wird alles untergeordnet - propagiert in allen Institutionen des noch bestehenden Staatswesens sowie in den Medien. Marktgesetze werden zu Naturgesetzen hochstilisiert, denen alle anderen Bedürfnisse der Menschen unterzuordnen sind. Die Selbstbestimmung und Freiheit des Menschen findet ihre Grenze in der Funktion, welche er im Rahmen der Warengesellschaft zu erfüllen hat.

Wie sehr dieser Tod des Individuums fortgeschritten ist, zeigen nicht nur die Wahlen in den USA, sondern auch in vielen europäischen Ländern. Weil die Masse der Menschen sehr wohl weiß, dass Systemkritik sie erst recht einem überdimensional gewachsenen Gegner ausliefert, gegen den sie nur verlieren können, fallen die einen in einen Zustand der Agonie, welcher sich darin äußert, dass sie am politischen Leben nicht mehr teilnehmen. So haben  bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen 42% der Wahlberechtigten ihre Stimme nicht abgegeben, bei den EU-Wahlen verzichten seit 2004 ebenfalls jeweils über 50% auf ihr Stimmrecht, auch in Österreich steigt bei Nationalrats- oder Landtagswahlen der Anteil der Nichtwähler ständig.

Die andere Reaktion der Menschen erinnert an die eines Ertrinkenden, der krampfhaft versucht eine rettende Hand zu erhaschen, ohne darauf zu achten, wessen Hand ihm gereicht wird. Das ist die Stunde der Populisten und der rechtslastigen Parteien, die dem in Nöten geratenen Bürger zu Hilfe eilen. Ob in Frankreich, in den Niederlanden, in Deutschland, Österreich und in zahlreichen anderen europäischen Ländern: überall sind rechte Parteien im Vormarsch. Sie bieten dem verzweifelten Bürger vor allem zweierlei: eine einfache Erklärung für seine Misere bzw. einen Schuldigen und eine einfach scheinende Lösung. Dabei führen sie die Bürgerinnen und Bürger bewusst in die Irre, denn nicht die Ausländer, die Flüchtlinge sind die Problemverursacher, nicht ein neuer Nationalismus, das Errichten von Mauern die Lösung, sondern ein neoliberales Polit- und Wirtschaftssystem, zu deren Förderern sie selbst zählen. Im Unterschied zum Populismus eines Donald Trump haben diese rechtsextremen Protagonisten jedoch noch eine Lösung für ihren Herrschaftsanspruch parat, dessen Umsetzung anstelle des Staates letztlich ein offen autoritäres System setzt, welches durch eine ethnisch definierte Homogenität die Bürger in einer Scheinsicherheit wiegt, welches sie zu einer Gefolgschaft verführt, die - wie die Geschichte gelehrt hat - schließlich in Gewalt endet.

Dass Trump zum Präsidenten gewählt wurde, hat u.a. mit diesem Reflex von Ertrinkenden zu tun, dass er ein Populist ist, wie vielfach auch von den Medien kolportiert, entspricht auch den Tatsachen, aber das mediale Schockbewusstsein über das Wahlergebnis ist im Wesentlichen nur Ausdruck der Aufgabe, welche die Medien in der westlichen Welt seit Jahrzehnten erfüllen: eine systemkonforme Berichterstattung. In einer solchen kommt das Erstaunen gut an, eine Erklärung der Hintergründe hingegen könnte ein systemkritisches Bewusstsein schaffen, die Menschen dazu anregen, über ein System nachzudenken, vor allem aber darüber, was man tun kann, um es zu verändern.

Trump, selbst Symbol für jene Finanzeliten, die von diesem neoliberalen System profitieren und profitiert haben, wird aus eigenem Interesse und auf Druck der global agierenden Konzerne im Wesentlichen jene Politik fortsetzen, welche seine Wähler, auf deren Ohnmacht er sich zum Schein kurzfristig eingelassen hat, gerne beendet gewusst hätten. Das ist keine Katastrophe für die Eliten, im Gegenteil. Es wird sich aber zu einer weiteren Form der Agonie bei den Wählern entwickeln, wobei noch nicht abzusehen ist, wohin diese letztlich führt.

Warum aber ist im Unterschied zu den Rechtsparteien die internationale Linke so erfolglos in ihrem Kampf gegen neoliberale Politik, gegen Entdemokratisierung, gegen die Herrschaft des Kapitals? Meiner Meinung nach gibt es im Wesentlichen mehrere Erklärungen dafür.

Diese Parteien haben den ideologischen Kampf bereits zu dem Zeitpunkt verloren, als die Arbeitnehmer sich den Zwängen des Kapitalismus freiwillig unterwarfen, um so auch einen kleinen Anteil an den Gewinnen zu erhaschen. Dieser Prozess führte aber auch dazu, dass die Macht der Gewerkschaften, auf welche sich insbesondere die Arbeiterschaft stützte, sukzessive ausgehöhlt wurde. Deren Führer akzeptieren mittlerweile bei spärlich verbliebener Kritik an den Auswüchsen des neoliberalen Systems sowohl dieses selbst als auch dessen Credo vom freien Markt und schlanken Staat. Als Folge davon konnte die Linke, im Gegensatz zu den rechtspopulistisch agierenden Parteien, den Bürgern keine homogene Weltvorstellung mehr anbieten. Diese fehlende Homogenität führt letztlich auch dazu, dass sich beispielsweise eine in Griechenland an die Macht gekommene Linkspartei gezwungen sieht dem neoliberalen Druck nachzugeben, um wenigstens kurzfristig an der Macht zu bleiben.

Ein Wort noch zur Rolle der Intellektuellen an den Schulen und Universitäten der westlichen Welt. Wäre es nicht ihre Aufgabe gegen diesen Niedergang unserer Demokratien, gegen ein Wirtschaftssystem, welches den Menschen zu einer Ware degradiert, das weltweit Armut, Verzweiflung und Katastrophen produziert, anzukämpfen? Eigentlich wäre es deren Bildungsauftrag, das System kritisch zu hinterfragen, Hintergründe politischen und wirtschaftlichen Handelns bewusst zu machen, den Menschen Werkzeuge in die Hand zu geben, mit deren Hilfe sie die verloren gegangenen Freiheiten wieder zurückerobern könnten. Aber in unseren Schulen wird Unterricht im Wesentlichen als Bestätigung des Systems betrieben, die Schülerinnen und Schüler auf Rollenbilder vorbereitet, welche darauf abzielen, in Fällen von Agonie und Ohnmacht das individuelle Überleben bestmöglich zu sichern.

An den Universitäten wird dieser Verbildungskurs fortgesetzt , nicht zuletzt auch deshalb, weil für die Lehrenden die eigenen Karrierechancen vielfach an diese systemische Verifikation gebunden sind.

Die Katastrophe der amerikanischen Präsidentschaftswahl besteht nicht im Wahlergebnis, dieses kam demokratisch zustande. Sie besteht darin, dass ein Demokratieverständnis so wie nahezu auch in allen westlichen Staaten über Jahrzehnte bewusst ausgehöhlt und zu einer Farce entartet wurde. Sie besteht darin, dass das Ergebnis nicht zum grundsätzlichen Hinterfragen des Systems beiträgt, sondern es bestätigt. Es hat gezeigt, wie sehr die Medien, aber auch die so genannten Intellektuellen die Bevölkerung einlullen, selbst im Interesse des Systems agieren und kaum mehr im Stande sind kritisches Bewusstsein zu entwickeln.

(Mag. Gerhard Kohlmaier, 13.11.2016, www.steuerini.at)


 


 
Die SPÖ geht wieder einmal in die Knie! Drucken E-Mail

 

Handelsabkommen sind nicht per se schlecht. Sie exisitieren weltweit, um den Handel zwischen Staaten Regeln zu unterwerfen, ihn zu reglementieren. So kann man sich über Aus- und Einfuhrbedingungen von Gütern einigen, ohne dem Staatsganzen, dem notwendigen Blick auf das Gemeinwohl der Menschen, der Umwelt, den Wettbewerbsbedingungen usw. in den betroffenen Ländern zu schaden. Allerdings dienen die meisten Abkommen in der Praxis nur der Beseitigung von Markthindernissen und der Erhöhung der Profitrate.

Das neue Handelsabkommen zwischen Kanada und der EU, CETA, stellt nun ebenfalls das Wohl der Konzerne, deren wirtschaftliche Interessen und deren Gier nach mehr Gewinn über das Gemeinwohl. Dass dadurch neue Arbeitsplätze entstehen, glaubt niemand, der die Machenschaften großer Konzerne heute verfolgt. Im Gegenteil: Es ist zu befürchten, dass das Abkommen unter dem Strich Arbeitsplätze kosten wird.

Aber dieses Abkommen beinhaltet eine völlig neue Qualität zur Durchsetzung von Konzerninteressen - die Ausschaltung der lokalen, staatlichen Gerichtsbarkeit z.B. in Fragen des Wettbewerbs. Betrachtet beispielsweise ein Konzern durch die staatliche Gesetzgebung seine Interessen als gefährdet (So verlangt der schwedische Atomkonzern Vattenfall von der dt. Bundesregierung Milliarden, weil diese Atomkraftwerke stillgelegt hat), dann wird dies, vorbei an den staatlichen Institutionen des Justizwesens in einem gleichsam privaten Schiedsgericht geklärt. Dieses Vorhaben zu unterstützen ist vor allem deshalb so absurd, weil die Interessensvertreter der parlamentarischen Demokratien dadurch einen der Grundpfeiler des demokratischen Staatswesens - die unabhängige Gerichtsbarkeit - untergraben und aushebeln.

Viele Kritiker des Abkommens sehen dadurch auch Umweltstandards gefährdet. Große Konzerne haben - wie wir alle wissen - ein Interesse an schnellen Gewinnen, nicht aber an der Einhaltung von Umweltstandards, weil diese die Gewinnspanne schmälern. Der Blick auf die Zukunft, auf eine lebenswerte Umwelt für künftige Generationen bleibt dabei auf der Strecke. Wir müssen jedoch gerade in Umweltfragen einen anderen Kurs fahren, wenn wir nicht wollen, dass wir die Lebensgrundlagen auf unserem Kontinent zerstören. Nicht nur aus dem Grunde, weil die Konsequenzen der Klimaerwärmung auf absehbare Zeit ganze Landstriche unbewohnt machen werden, sondern vor allem auch deshalb, weil die Folgen der Klimakatastrophe und anderer Umweltschädigungen bald von keinem Staat mehr finanziert werden können. Umweltschutz muss endlich als Selbstschutz begriffen werden, als Grundvoraussetzung sowohl für Leben als auch für nachhaltiges Wirtschaften.

Zuerst der Schutz, dann das Wirtschaften, muss die Devise lauten. Dem Handel eine Priorität einzugestehen, ist gerade in der heutigen Situation, wo wir die Auswirkungen unserer jahrelangen Kurzsichtigkeit weltweit hautnah spüren, mehr als absurd.

Schließlich stellt sich immer mehr die Frage, wie sinnvoll globales Wirtschaften überhaupt ist. Lohndruck und menschenunwürdige Produktionsbedingungen, Verdrängungswettbewerbe und Steuerflucht der Konzerne, Vernichtung regionaler Wirtschaftskreisläufe usw. sind zumindest auch ein wesentliches Kennzeichen globaler Wirtschaftspolitik. Deren Resultat sind wenige Machteliten, welche in der Lage sind durch ihren Einfluss und mittels ihres Geldes ganze Staaten und Völker politisch unter Druck zu setzen oder gar zu erpressen.

Wenn Politiker, welcher Partei auch immer sie angehören, wenn Interessensverbände dem Wohl der Wirtschaft und der Konzerne höhere Priorität einräumen als dem Wohl der Menschen und der Sicherung von deren Lebensgrundlagen, dann ist es sowohl um die Zukunft unseres Kontinents als auch um die demokratischen Staatswesen schlecht bestellt. Widerstand wird dort zur Pflicht, wo das Gesamtwohl der Bürgerinnen und Bürger den Interessen weniger untergeordnet wird.

Ein belgisches Regionalparlament hat am Freitag, dem 14.Oktober mit überwältigender Mehrheit (46:16 Stimmen) beschlossen, dem CETA-Abkommen in der derzeitigen Fassung nicht zuzustimmen. Das hat zur Folge, dass auch die Zentralregierung den Pakt nicht unterzeichnen darf. Das war vielleicht auch ein mutiger Schritt, auf jeden Fall aber ein notwendiger, wenn man Politik mit Verantwortungsbewusstsein im Staats- und Bürgerinteresse betreibt.

Der österreichische Bundeskanzler Kern hingegen hat am selben Tag nach Beratungen mit seinen SPÖ-Genossen gegen die Haltung der Gewerkschaft, aber wohl unter dem Druck des Koalitionspartners ÖVP, welcher für das Abkommen eintritt, seine Marschroute geändert und die Unterschrift unter den Vertrag zugesichert. Offensichtlich erschien ihm das mediale Gepolter um seine pseudokritische Haltung zum Abkommen in den letzten Wochen als ausreichend, um den Schein zu erwecken, er hätte mit seinem Pseudoveto irgendetwas Entscheidendes bewirkt. In Wahrheit sind alle Punkte, die von ihm kritisiert wurden, nach wie vor Vertragsbestandteile. Das wird eben auch vom belgischen Regionalparlament oder der SPÖ-Gewerkschaft so gesehen.

 

Diese Haltung ist in Hinblick auf das Szenario, welches CETA ermöglicht, mehr als verantwortungslos. Sie ist beschämend für eine sozialdemokratische Partei, welche vorgibt, die sozialen Interessen der Bürger zu vertreten, sie ist beschämend für eine Regierung, welche schon längst nicht mehr zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger im Lande agiert.


(Mag. Gerhard Kohlmaier, Steuerinitiative im ÖGB, 14.10.2016)

 
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