Steuern sind zum Steuern da! Drucken E-Mail

Neben der Migration beherrscht das Thema Steuersenkung den Wahlkampf der größeren Parteien. Insbesondere die Kurz-ÖVP und die FPÖ überbieten sich diesbezüglich förmlich mit Lockangeboten an die Wähler und versprechen eine Entlastung bis zu 14 Milliarden. Die SPÖ hat sich demgegenüber ein wesentlich realistischeres Ziel gesetzt, wobei selbst dieses mit 5,4 Milliarden noch sehr ambitioniert ist.

Wer von uns hätte nicht gerne eine Steuersenkung? Allerdings ist so eine Steuerersparnis für den Einzelnen nur dann sinnvoll, wenn der Staat nicht mit der einen Hand das wieder nimmt, was er mit der anderen gegeben hat bzw. eine solche Entlastung sich nicht derart nachteilig auf den Budgethaushalt des Staates niederschlägt, dass sie in weiteren Schritten wieder rückgängig gemacht werden muss oder aber notwendige Sozialleistungen abgebaut werden.

Steuererhöhungen sind unbeliebt, Steuersenkungen beliebt. Allerdings werden und wurden in den letzten Jahren die Steuern auf Arbeit tatsächlich in Höhen getrieben, welche die Erwerbstätigen zurecht erzürnen. Aber warum eigentlich? Warum stiegen die Steuern auf Arbeit?

Einen gewichtigen Anteil daran haben und hatten dabei die Unternehmer. Um ihre Gewinne zu garantieren oder in vielen Fällen zu erhöhen, reduzieren sie die Arbeitsplätze wo immer es möglich ist, insbesondere in arbeitsintensiven Bereichen. Die dadurch erzielte Reduktion des Steueraufkommens zwang bisher jeden Finanzminister dazu, die Steuerschraube auf Arbeit noch mehr anzuziehen. Das ist im Wesentlichen der Grund dafür, warum die Lohnsteuereinnahmen in Prozent seit Jahren über der Zunahme der Bruttobezüge liegen. Die Unternehmer antworteten darauf jedoch mit einem weiteren Abbau von Arbeitsplätzen. Diese in Gang gesetzte Spirale ist ein wesentlicher Grund der Steuerprogression. Um ihr zu entrinnen, wäre es notwendig die Steuerbemessung endlich umzustellen: Nicht die Lohnsumme sollte als Grundlage der Besteuerung eines Betriebes gelten, sondern die Wertschöpfung eines Unternehmens.

Der Effekt wäre eine deutliche Reduktion der Steuern auf Arbeit, wodurch für die Unternehmer der Anreiz gesenkt wird, die Anzahl der Arbeitskräfte zu reduzieren. Gerade in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit ein wichtiger Aspekt. Andererseits wäre das Steueraufkommen des Staates stärker an die Wertschöpfung, also an den volkswirtschaftlichen Wohlstand gebunden. Dies hätte auch den Vorteil, dass dadurch eine höhere Steuer- und Verteilungsgerechtigkeit erreicht würde.

Ein weiterer Grund ist die Tatsache, dass vermögenswirksame Steuern im Unterschied zur Besteuerung der Löhne in Österreich seit Jahren deutlich zurückgehen. Erzielte der österreichische Staat 2013 noch 747 Millionen Euro aus vermögenswirksamen Steuern, so waren es 2014 noch 296 Mio, 2015 noch 88 Mio und 2016 noch 55 Millionen. Diese Zahlen wurden von der „Statistik Austria“ am 28. September 2017 veröffentlicht. Siehe: http://www.statistik.at/web_de/statistiken/wirtschaft/oeffentliche_finanzen_und_steuern/oeffentliche_

finanzen/steuereinnahmen/index.html

 

In dieser Situation weitere Steuergeschenke an das Kapital, wie die Halbierung des Körperschaftssteuersatzes, verteilen zu wollen und jegliche Form einer Vermögensbesteuerung strikt abzulehnen, bedeutet noch stärkere Schieflagen im österreichischen Steuersystem zu schaffen. Schon einmal hat ein ÖVP-Bundeskanzler uns vormachen wollen, eine Steuerreform durch Strukturreformen finanzieren zu wollen:

"Unsere Gegenfinanzierung besteht darin, dass wir konsequent Strukturreformen vorantreiben. Darunter fällt die Modernisierung der Verwaltung ebenso, wie eine Reduktion der Dienstposten beim Bund, die Pensionssicherungs- und Gesundheitsreform wie auch die Verkehrsreform." (W. Schüssel/ÖVP-Homepage, 9.1.2004)

Wir alle wissen, wie die Realität ausgesehen hat. Einschränkung staatlicher Aufgabenbereiche, Vorantreiben von Privatisierungen, damit verbundene dubiose Geschäftstätigkeiten, welche zum Teil bis heute die Gerichte beschäftigen, waren die Folge. Die Steuerbelastung für die Arbeitnehmer stieg weiterhin an, jene für die Vermögenden wurde gesenkt.

Das österreichische Steuersystem weist seit Jahrzehnten eine besondere Eigenheit und eine Schieflage auf. Während Steuern auf Arbeit ständig steigen, sinken jene auf Vermögen und Kapital. Auch wenn der österreichische Fiskus mit der Grund- und der Grunderwerbssteuer eine indirekte Erbschaftssteuer bzw. Vermögenssteuer einhebt, so liegt diese prozentuell am Gesamtsteueraufkommen deutlich unter den Einnahmen anderer OECD-Staaten aus Vermögen. Diese Ungleichverteilung wird auch seit vielen Jahren von der OECD kritisiert und eine Reform der Abgabenstruktur gefordert. Trotzdem wollen insbesondere die Kurz-ÖVP, aber auch die NEOS und die FPÖ den steuerschonenden Weg für die Vermögenden und das Kapital fortsetzen.

Aber ohne eine deutliche Anhebung von Steuern auf Vermögen und Kapital, ohne eine Umstellung des Steuersystems von einer Lohnsummenbesteuerung auf eine Besteuerung der Wertschöpfung kann eine Senkung der Lohnsteuerquote nur dann finanziert werden, wenn man andere, wichtige Leistungen des Staates zurückschraubt.

Es geht am 15. Oktober also auch um Steuergerechtigkeit, um eine andere Verteilungswirkung des gesamten Steueraufkommens. Steuern sind schließlich zum Steuern da, und objektive Gesetze, dass einer Minderheit von Menschen der Großteil des volkswirtschaftlichen Reichtums zugeteilt werden müsse, sind mir nicht bekannt. Ihnen?

 

Gerhard Kohlmaier, 5. Oktober 2017