Aktuelles Thema: Privatisierung - eine immer wiederkehrende Strategie Drucken E-Mail

Die folgenden Ausführungen habe ich im Mai 2011 verfasst. Sie sind aktueller denn je. Sogar die Akteure sind zum Teil die gleichen geblieben. Der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll macht sich derzeit ganz besonders für Privatisierungen stark, vor allem für jene, die seine Machtstellung nicht gefährden. Siehe "Steuernews/Arbeit und Wirtschaft".

Unsere Politiker sind nicht Eigentümer des Volksvermögens, sondern seine Verwalter. Daher: Keine Privatisierungen ohne vorhergehende Volksabstimmungen!

 

Aktueller Kommentar vom Mai 2011:

 

Die neoliberale Strategie schwenkt auf die Privatisierung um

Die Neoliberalen ändern wieder einmal ihre Strategie. Es ist die Privatisierung, auf die sie nun umschwenken. Sie wird, ob in Griechenland oder in Österreich von den Neoliberalen nun ganz besonders als DAS Mittel gepriesen, um die steigenden Staatsschulden, welche durch die Finanzkrise und dem danach erfolgten Zugriff auf die Steuergelder ganzer Volkswirtschaften verursacht wurde, in den Griff zu bekommen - oder besser gesagt: um die neoliberale Umverteilung von volkswirtschaftlichem Vermögen zu Gunsten einer vermögenden Schicht fortzusetzen.

In Österreich sind es insbesondere der Wirtschaftskammerpräsident Leitl und der Präsident der Industriellenvereinigung Veit Sorger, welche zur weiteren Privatisierung von Staatsbetrieben bzw. Staatsanteilen an Betrieben drängen und sich „in den Dienst der guten Sache“ stellen.

Nachdem die Neoliberalen für die Aufrechterhaltung eines systemkranken, aber für sie selbst durchaus profitablen Finanz- und Wirtschaftssystems die Steuerzahler ganzer Volkswirtschaften in die Geiselhaft genommen und ausgequetscht haben, scheint diese Geldquelle aus mehreren Gründen zu versiegen:

  1. Die Abgaben- und Steuerbelastung für die Mehrheit der Bevölkerung ist bereits so hoch, dass bei weiteren Belastungen nicht ganz einkalkulierte Widerstände breiter Gesellschaftsgruppen zu erwarten sind
  2. Eine weitere Anhebung der Steuer- und Abgabenquote hätte zur Folge, dass eine massive Diskussion über die Anhebung von Vermögenssteuern und anderer Steuerprivilegien der Vermögenden einsetzen würde, ein Szenario, dass die Neoliberalen unbedingt vermeiden wollen
  3. In Griechenland, wo die neuerlich beabsichtigten Steuer- und Abgabeerhöhungen zu massiven Widerständen innerhalb der Bevölkerung und zu zahlreichen Generalstreiks führt, zeigt sich, dass sich das neoliberale System selbst gefährdet, wenn es ihm nicht gelingt, die Bevölkerung, nachdem diese bewusst hinters Licht geführt wird, zu „Scheinverbündeten“ zu machen.

In so einer Situation pflegen die Neoliberalen ihre Strategie zu ändern und eine neue „Einnahmequelle“ zu erschließen. Die systemerhaltenden staatlichen Mittel werden nämlich nur dann weiter fließen, wenn die Staatshaushalte nicht vollkommen aus den Fugen geraten, indem den Staaten beispielsweise keine Kredite mehr gewährt werden, welche sie den Neoliberalen zur weiteren Umverteilung von Unten nach Oben zur Verfügung stellen können.

Daher schießen sie sich nun auf die Argumentation ein, durch eine Privatisierung würde am schnellsten wieder Geld in die Staatskassen fließen. Auch wenn diese Argumentation auf den ersten Blick verlockend erscheinen mag, so ist die Privatisierung bei näherer Betrachtung alles andere als ein taugliches Mittel zum Schuldenabbau, weil sie nämlich mittel- und längerfristig sowohl das teuerste als auch sozial unverträglichste ist.

Die Privatisierung von staatlichen Unternehmen trifft uns nämlich in dreifacher Hinsicht:

  • als ArbeitnehmerInnen
  • bei der Verteilung von Steuern
  • als Konsumenten.

Als ArbeitnehmerInnen möchten wir sichere Arbeitsplätze, eine gute Entlohnung sowie verträgliche Arbeitsbedingungen.

Als BürgerInnen möchten wir möglichst wenig an Steuern bezahlen und möglichst viel an Förderungen erhalten.

Als Konsumenten möchten wir preisgünstige und qualitativ hochwertige Waren und Dienstleistungen erhalten.

Sehen wir uns unter diesen Aspekten einmal einige „Paradebeispiele“ solcher Privatisierungen an:

Die Teilprivatisierung der Post beispielsweise (welche nun weiter vorangetrieben werden soll) hat eine so genannte „Straffung der Organisationsstruktur“ mit sich gebracht, durch welche Hunderte von Postämtern geschlossen und Arbeitsplätze reduziert bzw. Beamte in irgendwelchen sinnlosen Pools „geparkt“ wurden, bis sie freiwillig bei Kürzung der Gehälter zu Hause bleiben oder in Frühpension „gegangen werden“. Die Gebühren wurden drastisch erhöht, die Serviceleistungen nahezu überall empfindlich eingeschränkt. Die so genannten „sozial verträglich abgebauten“ Arbeitsplätze sind auf unbestimmte Zeit weg und belasten die Arbeitslosenrate zusätzlich. Von allfälligen Gewinnen aus dem Unternehmen profitieren wenige Aktionäre. Die Zeche dafür zahlt eine ganze Volkswirtschaft, indem unprofitable Bereiche des Unternehmens „ausgegliedert“ oder überhaupt stillgelegt werden oder aber zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur für die Bevölkerung nach wie vor mittels Steuergelder betrieben oder gestützt werden müssen (Beispiel Busverkehr, vor allem in ländlichen Gebieten).

Jüngstes Beispiel ist die Schließung der 2001 endgültig privatisierten Zigarettenproduktion der Austria Tabak in Hainburg – durch welche 240 Arbeitsplätze in Hainburg und 80 in der Zentrale in Wien vernichtet werden.

Der Mutterkonzern Japan Tobacco Industries (JTI) verlegt die Produktion in ein anderes EU-Land.


Nach Ablauf der gegebenen Standortgarantie wurden bereits die Werke in Schwaz und Fürstenberg stillgelegt (160 Arbeitsplätze). 2007 wurde das Unternehmen von Gallaher an JTI verkauft und von dieser eine weitere Standortsicherung abgegeben. Aber 2009 schloss der japanische Konzern die Linzer Tabakfabrik und vernichtete dadurch 275 weitere Arbeitsplätze und nun erfolgte die Schließung der Produktion in Hainburg.

Nicht vergessen darf man, dass die Austria Tabak ein Unternehmen war, welches jahrzehntelang profitabel gearbeitet hatte und einen nicht unbedeutenden Beitrag zu den Staatsfinanzen geleistet hat. Nach der Privatisierung der Gewinne bleibt dem Steuerzahler nun die Verwaltung der Verluste durch verloren gegangene Arbeitsplätze.

 

Es muss endlich Schluss sein mit dem neoliberalen Wunschkonzert, Verluste auf die Steuerzahler umzuwälzen und Gewinne zu privatisieren! Wir dürfen nicht dabei zuschauen, wie durch weitere Privatisierungen private Konzerne immer mehr Macht auf die politische Gestaltung des Staates bekommen, der Staat seinen Aufgaben für das Gemeinwohl der Bürger nicht mehr nachkommen kann, wie Staaten auf diese Art und Weise immer erpressbarer werden.

 

Insbesondere die nun verstärkt zu erwartenden Angriffe der Neoliberalen, wichtige Bereiche, die das staatliche Gemeinwohl betreffen, sei es die Energieversorgung, Teile der Gesundheitsversorgung, des Bildungswesens oder gar der Wasserversorgung, zu privatisieren, ist entschieden entgegen zu treten.

 

Unsere gewählten Politiker sind nicht Eigentümer des Volksvermögens, sie sind dessen treuhändischen Verwalter und wir müssen Ihnen das Recht absprechen, dieses unser gemeinsames Eigentum einfach nach ihren Gutdünken zu verkaufen.

 

Die „Steuerinitiative“ fordert daher, dass es in Zukunft keine Privatisierungen von  Volksvermögen mehr geben darf, ohne vorher eine Volksabstimmung über ein diesbezügliches Vorhaben durchzuführen.


www.steuerini.at

 

F.d.I.v.: Gerhard Kohlmaier, Steuerinitiative im ÖGB, 1020 Wien, Mai 2011