Aktuelles Thema, 6.10.2019: Es ist höchste Zeit für eine andere Steuerpolitik! Drucken

 

In letzter Zeit häufen sich die Stimmen, der Kapitalismus sei an seine Grenzen gestoßen und müsse zerstört werden. Ersteres ist unbestreitbar, letzteres ist jedoch keine zwingende Konsequenz daraus.

Systemisches Denken stützt sich auf Ideologien und letztere sind die Grundlage zur Verwirklichung wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Zielvorstellungen. Seit Jahrhunderten werden diese in den Staaten der westlichen Welt vom Kapitalismus in unterschiedlichen historischen Ausprägungen dominiert, wie etwa vom Merkantilismus, Imperialismus oder einem Sozialkapitalismus, der mit der Industrialisierung einherging.

Dieses kapitalistische System ist so erfolgreich, dass selbst kommunistische Staaten sich seiner Ideologie bedient haben und bedienen, wie das Bespiel China wirkungsvoll unter Beweis stellt.

Wir alle leben in einem kapitalistisch ausgerichteten System, welches - historisch betrachtet - bei aller Kritik in Einzelfragen eine Erfolgsgeschichte darstellt, welches den Menschen nicht nur mehr Wohlstand, sondern auch größere Freiheiten gebracht hat. Es wäre also töricht, dieses System zu verdammen.

Allerdings ist es geradezu ein Wesenszug des kapitalistischen Systems, dass dieses sich ständig wandelt. Diese dynamische Entwicklung ist wesentlicher Teil seiner Erfolgsgeschichte und bedeutet eine ständige Neuausrichtung.

Die Ideologie der weltweit freien Märkte und des freien Warenverkehrs, aber auch die einer entfesselten Finanzwirtschaft - wesentliche Bestandteile des heutigen kapitalistischen Systems - stößt derzeit an unterschiedliche Grenzen und ist ein wesentlicher Mitverursacher von ökonomischen und ökologischen Problemlagen. Die Finanzkrise, deren Ursachen in ihrem Wesen bei Weitem nicht ausgeräumt sind und wo das Damoklesschwert eines Supergaus mehr denn je über uns schwebt, und die Klimakrise geben Zeugnis davon. Und schließlich schafft ein immer größer werdendes Ungleichgewicht zwischen den wenigen Superreichen und der immer größer werdenden Zahl von Menschen, die in diesem System von ihrer Arbeit kaum mehr leben können oder verarmen, eine Situation, die auf Dauer selbst die Profiteure des Systems bedroht.

In dieser Situation gilt es umzudenken, das System zu hinterfragen, es neu auszurichten.

Eine Möglichkeit dazu bietet unser Steuersystem, denn dieses liefert eine der wesentlichsten Grundlagen und Rahmenbedingungen kapitalistischen Handelns. Über die Steuerpolitik haben die politisch Verantwortlichen die Möglichkeit, unerwünschte oder ausufernde Wirkungen des Systems wieder in erwünschte Richtungen zu lenken. Dabei werden sie nicht umhinkommen, dieses Steuersystem zu hinterfragen und es zu verändern. So gesehen ist die Sichtweise von einigen konservativen Politikern, in Österreich am deutlichsten vertreten durch die Politik der türkisfarbenen Partei unter Ex- und wohl Wiederkanzler Sebastian Kurz, keine wesentlichen Veränderungen in steuerpolitischer Richtung vornehmen zu wollen, nicht nur kurzsichtig und zutiefst schädlich für notwendige zukünftige Weichenstellungen, letztlich gefährdet diese Haltung sogar den Fortbestand eines bisher erfolgreichen Systems.

 

Den (Turbo)Kapitalismus in seiner heutigen Form systemisch zu hinterfragen und zum Wohle der Mehrheit der Menschen zu verändern bedeutet das politische Hauptaugenmerk des Handelns auf die Steuerfrage zu lenken. Das ist die wesentliche Aufgabe, vor welcher unsere Volksvertreter stehen, wollen sie die uns gestellten Problemlagen, egal ob in der Umwelt-, der Wirtschafts- oder der Sozialpolitik nachhaltig einer Lösung zuführen.

 

Gerhard Kohlmaier, 6.10.2019, www.steuerini.at