Wochenkommentar vom 20.5.2012: Die Österreicher trauen fast keiner Regierung mehr. Das ist gut. Drucken

Jüngste Umfragen haben ergeben, dass die ÖsterreicherInnen dieser Regierung nicht mehr trauen. Wen wundert's. Die Umfragen sagen allerdings auch aus, dass sie keiner der Oppositionsparteien eine Regierung in ihrem Sinne zutrauen. Zudem halten sie das politische System mehrheitlich für unreformierbar. Auch das verwundert nicht, wenn man sich das System an Lobbyisten und der politischen Korruption in diesem Land anschaut. Aber liegen diesen Entscheidungen der ÖsterreicherInnen wirklich eine politische Versiertheit zugrunde oder nur eine große Politikverdrossenheit? Letzteres ist wohl der Fall, wenn sich viele der selben BürgerInnen, welche die etablierten Parteien ablehnen, eine Partei des Frank Stronach im Parlament wünschen. Letzteres ist wohl der Fall, wenn Parteien wie die "Piraten" nach derzeitigen Umfragen sogar etablierte Parteien überholen können, ohne ein Programm zu haben. Ihr Programm ist der Wählerprotest, ihr Programm ist der Stimmenfang für die Wahl. So gesehen unterscheiden sich weder die Piraten noch all die anderen, welche sich nun vor dem Wahljahr in Position bringen, im Wesentlichen von den Altparteien. Es geht um politische Macht. Diese braucht man allerdings auch, um etwas verändern zu können. Nur ohne ein konkretes Programm für die BürgerInnen dieses Landes, ein Programm, welches sich deutlich von der neoliberalen Ausrichtung abhebt und Politik im Interesse der Menschen, nicht im Interesse des Finanzkapitals betreibt, ohne ein solches Programm werden diese Parteien entweder wieder sehr schnell von der politischen Bühne verschwinden oder aber sie werden nur eine Veränderung von Namen und Positionen anstreben, nicht eine solche der Inhalte.

Und doch gibt es eine Reihe von politisch Tätigen in diesem Lande, welche über die notwendigen Inhalte verfügen, um die neoliberalen Parteien an diesen Themen zu zerreiben, nach denen die Bevölkerung dürstet. Es gibt sie, diese Initiativen und Vereinigungen. Aber wieder einmal sind sie drauf und dran eine Entwicklung zu verschlafen, weil sie im entscheidenden Punkt ihrer politischen Tätigkeit selbst zu unehrlich, zu gierig, zu machtbesessen sind. Schade, denn so werden sie das frei gewordene politische Feld wieder einmal jenen überlassen, welche so absolut kein Interesse an wirklichen Veränderungen haben. Ihre Strategie ist eine überholte. Sie taugt höchstens noch dazu, sich nach dem Muster etablierter Parteien geringfügige Vorteile zu verschaffen. Paradebeispiel dafür ist die so genannte Linke, welche seit 30 Jahren nahezu jede Chance auf politische Veränderung durch eigene Unfähigkeit verspielt. Aufwachen wäre angebracht, aber meine Hoffnung darauf ist eine geringe. (Gerhard Kohlmaier)