Woko vom 16.11.: Der Lobbyismus der Worte Drucken

 

Unsere Welt wird immer komplizierter und die durch die neuen Medien ermöglichte Informationsflut erschwert für den Einzelnen den Blick auf das Wesentliche. Immer mehr Menschen neigen daher zu einer Simplifizierung bestimmter Sachverhalte, um sich in der Welt zurechtzufinden oder aber um ihren Interessen mit Nachdruck zum Durchbruch zu verhelfen.

„Die Wirtschaft muss wachsen“ - ja, wohin denn? Gibt es ein grenzenloses Wachstum?

„Verbinden wir doch zwei Gletscherskigebiete für den Tourismus“, wie derzeit in Tirol zwischen Pitztal und Ötztal geplant - ja, ersticken wir nicht langsam am Tourismus? Und kann man Gletscher nicht nur dann verbinden, wenn sie Gletscher sind und bleiben?

„Der Betrieb muss rationalisiert werden“ - soll er vernünftig werden? Oder aber verhält es sich bei dieser Aussage nicht vielmehr so, dass durch Entlassung von Arbeitnehmern die Gewinnspannen in die Höhe geschraubt werden sollen?

„Klimaschwankungen hat es immer gegeben“ - ja, richtig. Aber ist das auch ein Argument gegen die derzeitige Klimakrise, in der Extremphänomene in noch nie gemessener Geschwindigkeit und Intensität auftreten?

Die Liste dieser immer wiederkehrenden Phrasen ließe sich noch lange fortsetzen. Selbstverständlich ist es so, dass jeder dieser Sätze eine gewisse Berechtigung hat, schon alleine deshalb, weil er im Interesse von bestimmten Personengruppen steht. Allerdings sagen sie so gut wie nichts darüber aus, ob und in welchem Ausmaß die getroffenen Aussagen einen Wahrheitsgehalt aufweisen.

Dass also Personen, Gruppierungen  und ganz besonders gerne Politiker solche Sätze beharrlich gebrauchen, ist durchaus verständlich. Weniger zu verstehen ist, dass diese „Halb- bzw. Unwahrheiten“ mit Regelmäßigkeit auch von den Medien unkritisch unter das Volk gebracht werden, wo sie im Brustton der Überzeugung unter dem Deckmantel demokratischer Mitbestimmung ihr Unwesen treiben.

Was also tun gegen diese Halbwahrheiten bzw. diesen Lobbyismus der Worte?

Es gilt entschieden dagegen aufzutreten, in allen Bereichen des täglichen Lebens. Das bedeutet vor allem, dass man das Gespräch mit jenen sucht, welche diese Taktik anwenden. Wo dies nicht möglich ist, gilt es in Form von Stellungnahmen, Leserbriefen usw. dagegen anzukämpfen und den Sachverhalt ins rechte Licht zu rücken.

 

Das mag mühsam sein, aber gerade in Zeiten, wo zahlreiche neue Informationskanäle die Verbreitung von solchen Phrasen beschleunigen, ist dies eine wichtige demokratische Übung, die auch zur Verbesserung der eigenen Kritikfähigkeit beiträgt.