12-Stunden-Arbeitstag: Das Übel, nicht die Symptome sind zu thematisieren! Drucken

Die Regierung wird nicht müde, den von ihr ins Parlament eingebrachten Initiativantrag zur Einführung des 12-Stunden Arbeitstages als win-win-Situation sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer zu verkaufen. Die Arbeitgeberseite freut sich dabei über „endlich zeitgemäße Arbeitsbedingungen“ (Wirtschaftskammer-Präsident Mahrer), die Arbeitnehmervertreter sprechen von einem „Raubzug“ (ÖGB-Präsident Katzian) gegen die Arbeitnehmer und droht - sollten Gespräche mit Regierung und zwischen den Sozialpartner zu keiner Entschärfung des Gesetzeswerkes führen - mit Kampfmaßnahmen.

Dabei sind weitere Gespräche in keiner Weise zu erwarten, denn das Vorgehen der Regierung, das Gesetz einfach ohne Einigung auf Sozialpartnerebene einzubringen, zielt ja geradezu darauf, den Einfluss der Sozialpartner, im konkreten Fall der Arbeitnehmervertreter, empfindlich zu schwächen. Unter diesem Aspekt grenzt die Hoffnung des neuen ÖGB-Präsidenten Katzian auf Gespräche mit der Regierung an eine besondere Form der Realitätsverweigerung.

Allerdings ist das nicht neu. Die ÖGB und AK-Spitzen stecken de facto seit Jahrzehnten - gemessen an den ehemals hart erkämpften Rechten von Arbeitnehmern und deren Erwartungen an ihre Interessensvereinigungen - eine Niederlage nach der anderen ein. Egal ob im öffentlichen Dienst oder in der Privatwirtschaft: die Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmer werden seit Jahren nicht besser, sondern eindeutig schlechter. Dazu kommt, dass die Arbeitnehmer längst von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt sind. Haben sich wirtschaftliche Entwicklung und Lohnniveau bis Mitte der 90-er Jahre noch im Gleichklang entwickelt, so sind sie nach Angaben der OECD seitdem völlig entkoppelt: seit dieser Zeit stieg zwar die Produktiviät pro Arbeitsstunde um 32,3%, die Realstundenlöne der Arbeitnehmer jedoch nur um 17,1%. Umverteilung der volkswirtschaftlich erarbeiteten Gewinne von unten nach oben zu Lasten der Arbeitnehmer nennt man das. Viel größer kann ein Misserfolg einer Arbeitnehmervertretung eigentlich nicht sein.

Die Entwicklung der Produktivität und die dazu relative Stagnation der Löhne ist das Resultat einer neoliberal ausgerichteten Wirtschaftsphilosophie, deren Vertreter zudem eine Vielzahl von prekären Beschäftigungsverhältnissen, Teilzeitbeschäftigten und so genannten „neuen Selbständigen“ geschaffen haben. Dieser neuen Arbeitswelt haben die Interessensvertretungen der Arbeitnehmer nie etwas Entscheidendes entgegensetzen können, weil sie selbst dieses neoliberale Credo im Wesentlichen stillschweigend geduldet und mitgetragen haben.

Die Einführung des 12-Stunden-Arbeitstages ist nichts anderes als ein weiterer Schritt in die falsche Richtung. Die Absurdität des Gesetzesantrages zeigt sich nicht nur darin, dass in einer hochtechnisierten Arbeitswelt, die noch nie so gut planbar war wie heute, statt einer Reduktion der Arbeitszeit eine Erweiterung derselben angedacht wird, um die Gewinnspannen zu erhöhen, sie zeigt sich auch darin, dass die Arbeitnehmer vermehrt den Interessen der Arbeitgeber ausgeliefert werden. „Zeitgemäß“ im Sinne der Unternehmer ist daran nur eine weitere Verschlechterung von Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmer sowie die Fortsetzung der Umverteilungsmaschinerie zu Gunsten der Arbeitgeber.

Wollen die Interessensvertretungen der Arbeitnehmer dieser Politik tatsächlich etwas entgegensetzen, dann wird ihr reflexartiges Aufkeimen von Drohgebärden, welches beim ersten Signal des Entgegenkommens seitens der Arbeitgeberseite, ebenso reflexartig stirbt, nicht ausreichen. Diese langjährig praktizierte Interessenspolitik, die darauf zielt, „das Schlimmste verhindert zu haben“ und das als Erfolg einer Interessensvertretung verkauft, etabliert und ermöglicht ja geradezu den geordneten Abbau von Arbeitnehmerrechten.

 

Erfolgreiche Arbeitnehmerpolitik bedeutet die Wurzel des Übels zu bekämpfen und auszumerzen, nicht die Symptome. Das bedeutet, dass es längst an der Zeit ist, einer Ideologie vom ewigen Wachstum, welches es nicht geben kann, eine wirklich zeitgemäße Arbeitswelt gegenüberzustellen, welche die neoliberalen Heilslehren enttarnt und sich den Bedürfnissen aller Menschen in einer Gesellschaft verpflichtet fühlt.