Woko vom 22.4.: Ist das alljährliche Lehrerbashing bereits eröffnet? Drucken

Die NEOS erfuhren in einer parlamentarischen Anfrage, dass Österreichs Lehrer im Schuljahr 2016/17 insgesamt 5,3 Millionen bezahlte Überstunden leisteten, welche knapp 300 Millionen kosteten. Offensichtlich war Herr Strolz verwundert darüber, wie denn dies möglich sei. Und er konnte auch nicht nachvollziehen, warum trotz gesunkener Anzahl von Überstunden die Kosten dafür stiegen.

Mag sein, dass er sich im Anlehnung an Wiens Bürgermeister Michael Häupls Vorstellung vom Lehrerdasein die Frage stellte, wie es denn möglich sei, dass man bei einer Tätigkeit, welche eigentlich Dienstag zu Mittag endet, so viele Überstunden anhäufen kann. Mag aber auch sein, dass ihn der Betrag nur deshalb überraschte, weil man ihn seiner Meinung nach einsparen oder sinnvoller einsetzen könnte, beispielsweise für den von ihm propagierten „Unternehmergeist“, für den Jugendliche bereits in den Schulen begeistert werden sollen.

Wie auch immer. Schon so früh wie nie scheint dieses Jahr das Lehrerbashing eröffnet zu sein, normalerweise beginnt die Hetzjagd gegen die Pädagogen erst kurz vor den Ferien.

Im Schuljahr 2016/17 waren in Österreich insgesamt 127 896 Lehrer beschäftigt. Das wären also pro Lehrer durchschnittlich 41 Überstunden jährlich oder etwa € 2345.- zusätzlicher Jahresverdienst brutto.

Vergleicht man den Anteil von Überstunden am Bruttomonatsverdienst zwischen verschiedenen Berufsgruppen, so liegt der Anteil der Lehrer nach einer Studie des FORBA-Forschungsinstituts in Zusammenarbeit mit der Universität Wien, veröffentlicht 2016, bei ca. 2% und bildet das Schlusslicht aller Dienstleistungs- und Wirtschaftsbereiche.

Am größten ist demnach der Anteil in den Wirtschaftsabschnitten „Bergbau“ mit 11 Prozent und „Verkehr“ mit 9 Prozent. Noch vergleichsweise hoch ist der Wert in der „Wasserversorgung und Abfallentsorgung“ mit 8 Prozent und am „Bau“ bzw. in „Beherbergung und Gastronomie“ mit 7 Prozent. Bei der „Warenherstellung“ liegt er bei 5%, im „Gesundheitsbereich“ bei knapp 4%, und im „Handel“ bei 3,5%. Bei „sonstige Dienstleistungen“ beträgt er 3 Prozent, ebenso im Bereich „Kunst, Unterhaltung und Erholung“. Am niedrigsten ist der Wert jedoch in „Erziehung und Unterricht“. Alleine zwischen 2010 und 2014 fiel zudem der Anteil an Überstunden bei den Lehrern um über 50%.

Der drastische Rückgang bei den Lehrern lässt sich leicht erklären, weil immer mehr Überstunden in den Bereich der Normalarbeitszeit von Lehrern eingegliedert wurden und somit deren Gesamtarbeitszeit erhöht worden ist. Das hat zur Folge, dass beispielsweise Unterrichtsvertretung für erkrankte Kolleginnen und Kollegen in der schulischen Praxis nicht mehr extra honoriert werden. Der überwiegende Teil der Pädagogen hat demnach überhaupt keine Überstunden mehr.

Wie und wo fallen also diese Überstunden an, über die Herr Strolz empört zu sein scheint? Sie sind das Resultat einer fehlerhaften Personalpolitik der verantwortlichen Politiker, denn in nicht wenigen Tätigkeitsbereichen des Unterrichts sind die Schulen mit einem eklatanten Mangel an ausgebildeten Fachpersonal konfrontiert. Die Unterrichtsstunden müssen jedoch dennoch gehalten werden und sind daher in immer mehr Fällen auf bereits vorhandenes Personal zu verteilen. Und da derzeit nahezu die Hälfte der österreichischen Lehrer 50 Jahre und älter ist, steigen trotz sinkender Mehrdienstleistungen die Ausgaben dafür leicht an.

Sowohl die bereits begonnene Pensionierungswelle als auch eine verfehlte Ausbildungspolitik haben zu einem Personalengpass geführt. Die in allen Bereichen gestiegenen Anforderungen und Belastungen, denen Pädagogen ausgesetzt sind, sowie das alljährlich seitens politischer Vertreter aller Parteien in Gang gesetzte Lehrerbashing tun ihr Übriges dazu, dass der Beruf für viele junge Menschen unattraktiv geworden ist.


Dass unter solchen katastrophalen bildungspolitischen Bedingungen die Überstundenquote bei den Lehrern nahezu die geringste unter allen Arbeitnehmern ist, lässt sich eben nur dadurch erklären, dass immer mehr zusätzliche Belastungen in die Normalarbeitszeit eingegliedert wurden. Statt rechtzeitig für mehr und gut ausgebildetes Lehrpersonal zu sorgen, haben politische Versäumnisse über viele Jahre ein beschäftigungs- und bildungspolitisches Dilemma geschaffen, welches auf Kosten der Lehrer sowie der Ausbildung der Schüler geht.