Woko vom 14.1.: Dieses Land braucht andere Themen! Drucken

Die Mehrheit der österreichischen Wähler hat sich bei den Nationalratswahlen für ein rechtslastiges Regierungsbündnis, dessen Zustandekommen sich ja bereits im Wahlkampf abgezeichnet hat, entschieden. Wie man eine Wahl gewinnen kann, in welcher man im Wesentlichen alle relevanten Zukunftsthemen ausspart - von der rasanten Veränderung am Arbeitsmarkt über neue Strukturentwürfe einer sozialen, solidarischen Gesellschaft bis hin zu den sich anbahnenden ökologischen Katastrophen - haben Kurz und Strache eindrucksvoll bewiesen. Sie setzten dabei in erster Linie ganz offen auf eine Ausgrenzungspolitik, andererseits aber auch auf Ängste der Bevölkerung, indem sie den Kontrollverlust des Staates an die Wand malten und diesen durch eine „neue Art des Regierens“ zu beseitigen versprachen.

Nun sind sie am Werken, am Umsetzen ihrer Vorhaben. Und obwohl sich bereits am Beispiel der Familienunterstützung sowie der Diskussion über Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe der Zukunft klar zeigt, dass dieses „neue Regieren“ die bereits vorhandenen Gräben zwischen den sozial Schwachen und Starken sowie zwischen den Armen und Reichen in unserer Gesellschaft deutlich vertiefen wird, bleibt nicht nur der Aufschrei der davon Betroffenen überwiegend aus, sondern auch jener der Bevölkerungsmehrheit.

Wenn der neue Innenminister Kickl bekannt git, er wolle Menschen in Massenquartieren zusammenpferchen, dann führt zwar seine Wortwahl zu berechtigter Empörung, aber offenbar nicht das Vorhaben an sich. Dieses scheint überwiegend geduldet zu werden.

Wenn der FPÖ-Chef Strache die fehlende absolute Mehrheit seiner Partei bedauert, weil sie ihn leider nicht in die Lage versetze, „eine Politik im Sinne des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban“ zu machen, dann resultiert daraus kein nationaler Aufschrei. Eine Politik a la Orban? - Also einen Nationalismus der Abschottung, eine empfindliche Einschränkung der Pressefreiheit, in welcher die Regierung den Großteil der Medienlandschaft kontrolliert, eine Änderung des Wahlrechts, um seine Macht zu sichern, eine Justizreform, um die Unabhängigkeit der Gerichte auszuhebeln. Das alles möchte also auch Strache, immerhin der amtierende Vizekanzler.

Die neue Regierung schlägt eine Politik ein, welche rückwärtsgewandt rechtslastig und demokratiepolitisch bedenklich agiert. Aber das von ihr verwendete Vokabular und sogar ihre Kernthemen sind über die Jahre hinweg längst gesellschaftsfähig geworden und im Bewusstsein vieler Bürger deshalb so verfestigt, weil sie für die entscheidenden Zukunftsfragen gehalten werden.

Es wird von den Oppositionsparteien und von uns allen abhängen, ob wir in der Lage sind, die wirklichen Zukunftsfragen in unser Bewusstsein zu bringen: Mitbestimmung und Chancengleichheit in einer sich verändernden Arbeitswelt, neue Formen einer Verteilungsgerechtigkeit, das Hinterfragen einer an Grenzen stoßenden Wirtschaftspolitik, Entfesselung der Finanzmärkte, die soziale Teilhabe aller Staatsbürger, Friedenssicherung, der Umgang mit beschränkten Ressourcen, Erderwärmung u.a.m.

 

Das „neue Regieren“ einer nach rechts getrifteten Regierungskoalition wird am besten dadurch als rückwärtsgewandt entlarvt, indem man diese zukunftsweisenden und dringenden Themen ins Bewusstsein der Menschen rückt.