Woko vom 2.4.: Wenn Bildung zur Kompetenz verkommt Drucken

Die Schulqualität in Österreich lässt seit Jahren zu wünschen übrig. Ich meine die Qualität, nicht das, was wir an Output messen. Aber auch dieser Output ist nicht berauschend. Davon zeugen die diversen PISA-Ergebnisse und die verschiedenen Lesetests, aber auch die Zentralmatura mit ihren Pannen und die trotz des gesunkenen Qualitätsniveaus mäßigen Ergebnissen der Kandidaten stehen beispielhaft für eine verfehlte Bildungspolitik. Allerdings ist dieser gemessene Bildungsoutput ohnehin nicht das, woran man Bildung festmachen kann. Ganz im Gegenteil: dieser kompetenzorientierte Bildungswahnsinn ist vielfach das Gegenteil von dem, was Bildung auszeichnet. Doch davon später.

Nichts desto trotz werden derzeit seitens des Ministeriums die nächsten so genannten Bildungsreformen durchgepeitscht: das Autonomiepaket der Schulen und die NOST (Neue Oberstufe).

Die Schulautonomie, ein durchaus diskussionswürdiger Grundgedanke zur Erhöhung der Bildungsqualität, wird durch den vorliegenden Autonomieentwurf konterkariert. Anstatt die Klassenschülerhöchstzahlen endlich herabzusetzen, um mit den Schülern in überschaubaren Gruppen sinnvoll arbeiten zu können, wird der diesbezügliche Entwurf außer Kraft gesetzt und die Entscheidung über Klassen- und Gruppengröße der Schulclusterleitung übertragen. Die Klassengröße wird somit an die finanziellen Vorgaben des Ministeriums angepasst, sie fungiert als Finanzkriterium, nicht als Qualitätskriterium. Vorgesehen ist auch, dass bei diesen und anderen Entscheidungen die Schulpartner, also der Schulgemeinschaftsausschuss, ihr Mitspracherecht einbüßen. Das ist nicht Autonomie, das ist Heteronome, also Fremdbestimmtheit von Schulen.

Dass die Frau Minister gleich zu Beginn des Begutachtungsverfahrens darauf verwies, dass an den Eckpunkten des Autonomiepaketes nicht mehr gerüttelt werden könne, ist ein Beleg für ihr bedenkliches Demokratieverständnis. Diesem liegt offensichtlich die erwünschte Kompetenz der widerspruchslosen Unterordnung der Bürger unter die staatliche Allmacht zu Grunde.

Das Konzept der Neuen Oberstufe orientiert sich wie die Neue Reifeprüfung an Lernkompetenzen. Unterricht wird als Nutzenmaximiermaschinerie verstanden und verabschiedet sich endgültig von einem Bildungsbegriff, der den Menschen mit jenem grundlegenden Wissensfundament ausstattet, welches ihm eine selbständige Lebens- und Weltorientierung erst ermöglicht. Der Philosoph Konrad Liessmann hat darauf hingewiesen, dass ein kompetenzausgebildeter Mensch nicht mündig sei. Diesem Gedanken pflichte ich bei.

Gerade in einer schnelllebigen Welt, in einer Welt, die geprägt von vielerlei Unsicherheiten ist, kann Bildungsqualität nur erzielt werden, wenn wir den jungen Menschen das Rüstzeug zum Verstehen der Prozesse vermitteln, nicht aber durch Einüben von Kompetenzen, die interessensorientiert sind. Bildung an Effizienz zu messen ist kein Gradmesser für Bildungsqualität, sondern vielmehr deren Untergang.


Doch die verantwortlichen Stellen halten strikt am Konzept eines Bildungsabbaus fest. Für sie zählen Zahlen. Die Absolventenzahlen bei den Reifeprüfungen sollen steigen, die Akademikerquote ebenfalls. Letztlich scheint es zweitrangig zu sein, ob diese Maturanten und Akademiker noch über jenen Grad von Bildung verfügen, welchen man einst als selbstverständlich vorausgesetzt hat. Schließlich sieht der Gebildete die Welt um sich herum mit einem kritischen Auge, der kompetenzorientierte denkt und funktioniert eher im Sinne jener Kompetenzen, die man ihm beigebracht hat und deren Umsetzung man von ihm widerspruchslos erwarten kann. Darum geht es letztlich, nicht aber um Qualität. (Gerhard Kohlmaier)