Woko vom 19.6.: Das rhetorische Spiel mit der Wertschöpfungsabgabe Drucken

Die Forderung nach einer Wertschöpfungsabgabe ist nun ein über Jahrzehnte andauerndes rhetorisches Spiel der Sozialdemokratie. Die ursprünglich unter dem Begriff Maschinensteuer von Sozialminister Alfred Dallinger erhobene Forderung, sieht im Wesentlichen vor, arbeitsintensive Bereiche durch eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten zu entlasten, auf der anderen Seite soll die Berechnung der gesamten Wertschöpfung eines Betriebes vor allem dazu führen, dass kapitalintensive Betriebe mit wenigen Beschäftigten, aber hohen Gewinnen, mehr zur Finanzierung des Sozialsystems beitragen.

 

Rhetorisch ist die Übung vor allem deshalb, weil sie in der konkreten Politik der SPÖ seit nunmehr Jahrzehnten keinen Niederschlag findet. Will man diese Frage ernst nehmen, dann muss sie Bestandteil von Koalitionsvereinbarungen sein, will man jedoch die Bevölkerung nur an der Nase herumführen, dann holt man sie immer wieder dann aus dem Köcher, wenn man sich in der Defensive befindet oder einen populistischen Bonus bei potentiellen Wählern benötigt.

 

Einige wichtige Personen des öffentlichen Lebens, welche in den letzten 17 Jahren die Einführung dieser Wertschöpfungsabgabe gefordert haben: Steuerinitiative (11/99), AK-Präsident Tumpel (12/99), ATTAC (5/2003), KPÖ (6/2003), Sallmutter (9/03), E. Hammerl (9/03), P.M.Lingens (9/03), Öllinger (9/03), ÖAAB Obmann Neugebauer (10/03), Seniorenvertreter Knafl und Blecha (12/03), weiters: Modritzky, Bittner, Bayer, Burgstaller, Leutner, Matznetter, Göweil, Verzetnitsch, Darabos, Foglar, ... aber auch Leitl und Mitterlehner (Presse, 8.9.2005). Nach einer länger andauernden Ruhepause wurde die Forderung in den letzten Jahren wieder verstärkt erhoben, beispielsweise von Sozialminister Hundstorfer 2015, Stöger und neuerdings vom Bundeskanzler Kern.

 

Zuletzt stand die Forderung beim Pensionsgipfel der Regierung am 29. Februar dieses Jahres am Forderungskatalog der SPÖ. Wie schon bisher gelang es auch diesmal nicht, die Notwendigkeit dieser Umstellung, welche auch durchaus im Sinne von zahlreichen arbeitsintensiven Unternehmen wäre, auch der ÖVP zu erklären und eine solche zu beschließen. Sang- und klanglos verschwand das Thema wieder einmal so schnell von der politischen Bildfläche, wie es kurz zuvor aufgetaucht war.

 

Der neue Bundeskanzler Kern hat nun Anfang Juni neuerdings die Forderung in veränderter Gestalt erhoben. Offenbar ist Kern der Begriff der Wertschöpfungsabgabe zu sehr „belastet“, sodass er lieber von einem „Beschäftigungs-Bonus“ spricht. Das lässt zunächst eher offen, welche Ertragsbestandteile eines Unternehmens man zur Besteuerung heranzieht. Postwendend kamen Signale aus der ÖVP und der Industrie, dass an eine Einführung dieser Besteuerung (Eigentlich wäre es eine Umstellung der Steuerbemessung von der Lohnsummenbesteuerung zur Besteuerung der Wertschöpfung eines Unternehmens) nicht zu denken sei. Und schon wieder scheint die SPÖ ihr Pulver verschossen zu haben, denn es ist bereits wieder ruhig geworden um diese längst überfällige Umstellung im Steuersystem.

 

Politik zu betreiben heißt Zukunft zu gestalten. Dabei können mitunter sinnvolle Kompromisse mit dem Regierungspartner in einer Koalition notwendig sein, aber keine Koalitionsvereinbarung kann bzw. sollte die Grundsätze einer Partei außer Kraft setzen können. Dieser Eindruck entsteht jedoch auch unter Kerns Führung. Die SPÖ ist nicht im Stande ihre Grundsätze politisch zu verwirklichen, das zeigt sich nicht nur am Beispiel der Wertschöpfungsabgabe, sondern auch der Besteuerung von Vermögen sowie der Finanztransaktionsbesteuerung. Die ÖVP bremst und bestimmt überwiegend den politischen Kurs. Welchen Grund sollte es also für die Masse der Arbeitnehmer noch geben, eine überwiegend am Papier existierende sozialdemokratischePartei zu wählen, deren politische Praxis entscheidend davon abweicht?

 

Die SPÖ wird schneller umdenken müssen, denn eine Rückkehr zu einer handlungsfähigen sozialdemokratischen Partei ist nur dann möglich, wenn diese Grundsätze der Partei den Menschen erklärt werden und sodann permanent an deren Umsetzung gearbeitet wird. Sollte der Koalitionspartner dann immer noch blockieren, dann  braucht man sich vor Neuwahlen nicht zu fürchten, weil die Menschen wissen, wofür diese Partei steht. Diese SPÖ allerdings hat auch unter dem neuen Bundeskanzler Kern noch nicht begriffen, worum es in Hinblick auf eine positive Zukunftsausrichtung der Partei geht. Die kurzfristige Politik des Machterhalts wird somit zu einem langfristigen Machtverlust führen. (Gerhard Kohlmaier)