Wochenkommentar vom 1.12.2013: Koalitionsverhandlungen, die Angst machen! Drucken

 


ÖVP und SPÖ haben sich offenbar auf eine gemeinsame Überlebensstrategie geeinigt. Unter dem Motto „Täuschen wir die Bürger weiter!“ nimmt man sich einer Bildungsreform an, die den Namen nicht verdient. Alles, was bisher auf dem Tisch liegt - von der Zentralmatura über das neue Lehrerdienstrecht bis hin zur Ausbildungsfrage künftiger Pädagogen - ist ein Stückwerk, welches dem österreichischen Bildungssystem großen Schaden zufügen wird. Als wäre damit nicht schon genug des pädagogischen Irrsinns, haben die Rumpfparteien sich nun offensichtlich auch auf eine gemeinsame Schule bis zum 12. Lebensjahr geeinigt.

Der Bürger ist verwirrt, zumindest der ÖVP-Wähler, denn dass die SPÖ ein Verfechter der Gesamtschule ist, ohne die Bildungsausgaben drastisch zu erhöhen und für die Bereitstellung notwendiger Ressourcen zu sorgen, ist spätestens jedem klar, der den Inhalt des neuen Lehrerdienstrechts kennt. Dieses stellt die bürokratischen und institutionellen Weichen für diese Gesamtschule und garantiert die nachhaltige Zerstörung des staatlichen Schulwesens. Aber dass die ÖVP, die noch vor den Wahlen hoch und heilig versprochen hat, sie werde an der Langform des Gymnasiums auf jeden Fall festhalten, sich nun auch an dessen Demontage beteiligt, mutet auf den ersten Blick doch eigenartig an. Es darf vermutet werden, dass die Gegenleistung der SPÖ wohl darin bestehen wird, bei der Forderung nach Vermögenssteuern Zurückhaltung zu üben.

Was geschieht hier hinter den verschlossenen, aber mitunter doch durchlässigen Türen der Koalitionsverhandlungen? Offensichtlich sind die beiden Parteien gerade dabei den zukünftigen Machterhalt auf der Fortsetzung von Wählertäuschungen und Kompromissen zu besiegeln, die so faul sind, dass sie zum Himmel stinken. Während Ideenlosigkeit in zahlreichen zentralen Fragen unseres Gesellschaftssystems herrscht und ein gut durchdachtes Konzept eines zukünftigen Schulwesens weiter auf sich warten lässt, einigt man sich darauf, der Bevölkerung die „neue Tatkraft des Regierens“ auf dem Gebiet der Bildung vorzugaukeln. Eine Hauruck-Aktion folgt auf die andere. Hier erhofft man den Applaus der Bevölkerung, welcher - so denkt der politische Schelm - schon bisher mehrheitlich nicht aufgefallen ist, dass dieser Reformwahn die Zukunft ihrer Kinder und des Landes nachhaltig gefährden wird. Wie auch, sorgten die Parteien doch in nahezu jeder Stellungnahme dafür, dass der wahre Inhalt der Reformideen der Bevölkerung möglichst lang vorenthalten wird, aber ein Feindbild vom angeblich faulen Lehrer aufgebaut werden konnte.

Doch langsam wendet sich das Blatt, allmählich beginnen auch Schüler und Eltern zu verstehen, dass es dabei nicht um das zukünftige Wohl der Schülerinnen geht, sondern dass offenbar ein staatlicher Einheitsbildungsbrei für die breite Masse geschaffen werden soll, dem nur jene entkommen werden, die sich teure Bildung an Privatschulen leisten können. Es wird ihnen dabei immer klarer, dass dies kein „Kampf“ der Regierung gegen die Lehrer ist, sondern dass in erster Linie die Zerstörung des staatlichen Schulwesens und somit der Zukunftschancen von ohnehin bereits benachteiligten Bevölkerungsschichten im Zentrum des politischen Vorhabens steht. Bildung für die sozialen Eliten, Einsparungen bei allen anderen, die man ihrer Chancen beraubt, ist das wahre Ziel dieses Reformchaos. Diese Systemlogik kennen wir bereits: Geld für die Banken und Umverteilung hin zu den Vermögenden, aber geringe Löhne und Einsparungen in vielen Bereichen bei der Bevölkerung.

Die Verantwortung für dieses politische Trauerspiel tragen zwei von den Wählern bereits abgestrafte Parteien, welche ihre Pfründe um jeden Preis erhalten wollen. Dass das keine Zukunftsoption sein kann, wird den Bürgern immer bewusster, und es ist daher zu bezweifeln, ob sie dieses Regierungsverständnis von SPÖ und ÖVP noch länger tatenlos hinnehmen werden. (Gerhard Kohlmaier)