Woko vom 31.1.2021: Wird jetzt nicht gehandelt, dann droht eine zusätzliche Bildungsmisere Drucken

 

Das österreichische Bildungswesen dümpelt seit Jahren vor sich hin. Eine Husch-Pfusch-Aktion, inhaltlich abhängig von der jeweils regierenden Partei und ihrer Ideologie, jagt die andere. Jeder kennt die Diskussion um die Gesamtschule, um die Einführung des Faches Ethik, um die Förderung von Kindern mit anderer Muttersprache, um die unterschiedlichen Maßnahmen, welche es umzusetzen gilt, um bessere PISA-Ergebnisse zu erreichen u.a.m.

Gerade nun, in der durch die Corona-Problematik bedingten eingeschränkten Schulöffnungen und deren Folgen, wäre schnelles und konsequentes Handeln der verantwortlichen Politiker wichtig, damit ohnehin bestehende Bildungsdefizite großer Teile von jungen Menschen, welche sich seit vielen Jahren angehäuft haben (Die diversen PISA-Vergleiche geben trotz ihrer Problematik genügend Indizien für diese Behauptung her), nicht noch drastischer zunehmen. Vor allem sozial schwächere Bevölkerungsschichten erfahren durch Unterrichtsentfall und das derzeit praktizierte distance learning einen weiteren Bildungsrückschritt. Viele von diesen Kindern haben weder einen Computer, mit dem sie arbeiten könnten, noch einen geeigneten Arbeitsplatz. Die Hilfestellungen, welche ihnen von Eltern oder Geschwistern geboten werden können, halten sich in Grenzen.

Die Lehrer an den Schulen kennen die Problematik. Die von Unterrichtsminister Faßmann propagierte „Milde“ in der Benotung ändert am Problem nichts, denn die Defizite bleiben trotz eines positiven Zeugnisses und werden in die Zukunft der Schullaufbahn mitgeschleppt. Diese wird somit für zahlreiche in der derzeitigen Situation benachteiligten Schülerinnen und Schüler ein jähes und plötzliches Ende finden, wenn nämlich wieder „Normalität“, sowohl im Unterrichtsgeschehen als auch in der Beurteilung von Leistungen, an den Schulen eingekehrt ist.

Was also wäre zu tun, um den Super-Gau für zahlreiche junge Menschen zu verhindern und sie ihrer Zukunftschancen nicht zu berauben? Naheliegend wäre es, ihnen zusätzliche Betreuungsmöglichkeiten zu sichern, um Versäumtes aufholen zu können. Ein Vermerk im „milden“ und hoffentlich positiven Abschlusszeugnis könnte quasi als Eintrittskarte für diese Art von Zusatzbetreuung gelten, welche während der Sommerferien an den Schulen angeboten werden sollte. Die Möglichkeit, ein solches Konzept auch in den Semesterferien zu verfolgen, wurde von der Politik wohl schon verschlafen.

Während der Sommerferien? Ich höre schon den Aufschrei von verschiedensten Seiten. Eltern, welche ihr Recht auf Urlaub einfordern, Lehrer, welche auf ihre wohlverdiente Ferienzeit pochen, die Wirtschaft, welche die jungen Leute inclusive ihrer Eltern lieber an Urlaubsdestinationen als Konsumenten weiß, damit die Kassa klingelt.

Aber wenn uns Bildungsmöglichkeiten für alle in unserer Gesellschaft sowie die Zukunft unserer Jugendlichen nur annähernd das wert wären, wovon die Regierung immer gerne spricht, sollte diese Zusatzmöglichkeit ein Muss sein. Gerade da auf Grund einer problematischen Bestell- und Impfstrategie der Politik geplante Sommerurlaube im Ausland ohnedies für zahlreiche Familien buchstäblich ins Wasser fallen werden, gerade weil in den durch Corona bedingten zwei Rumpf-Schuljahren sich so schwere Bildungslücken angehäuft haben, dass nicht nur minder Begabte Schwierigkeiten haben werden, diese in Zukunft zu schließen.

Die Lehrer selbst könnten mit ihrem Engagement während der üblichen Ferienzeit unter Beweis stellen, dass es ihnen in erster Linie um die Zukunft der jungen Menschen geht und nicht um ihre Freizeit, wie ihnen mitunter gerne unterstellt wird. Außerdem sind sie selbst auch in der Urlaubsgestaltung durch die Pandemie gehandicapt. Da sie normalerweise auch während der Ferien arbeiten (Fortbildung, Vorbereitungen usw.) und ihnen über diese Tätigkeiten hinaus eigentlich nur derselbe Urlaubsanspruch zusteht wie anderen Arbeitnehmern auch, wird man diese Tätigkeit selbstverständlich auch zusätzlich entlohnen müssen. Aber das dürfte wohl das geringste Problem sein in einem der reichsten Länder der Welt, in welchem der Anteil der öffentlichen Bildungsausgaben sowohl in Hinblick auf das BIP als auch gemessen an den Gesamtausgaben des Staates immer noch unter dem OECD-Durchschnitt liegt. Wenn man Milliarden in die Hand nimmt, um Unternehmen zu retten oder Panzer zu kaufen, wird man doch auch Geld dafür aufbringen können, um die Zukunft der jungen Menschen und somit auch des Arbeitsmarktes zu gewährleisten.

Auch rechtlich dürfte das kein großes Problem darstellen, denn die Pädagogen sind aus wichtigen dienstlichen Gründen auch während der Ferien abrufbar.

Die Regierung wäre also gut beraten, jetzt die Weichen für ein Unterrichtsgeschehen während der Sommermonate zu stellen und die Sommerferien in diesem Jahr dementsprechend zu verkürzen. Oder will man wieder zuwarten, bis das Schlamassel manifest geworden ist?