Woko vom 11.8.19: Die Abschaffung von Wahlärzten ist eine gesundheitspolitische Bankrotterklärung Drucken

 

Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker möchte die Anzahl von zugelassenen Privatärzten beschränken. Ihr Studium sei mittels Steuergeldern finanziert worden, daher - so schließt der Politiker - müssten sie nun auch der Bevölkerung im Rahmen eines Versorgungsauftrages zur Verfügung stehen.

Hinter dem Ansinnen des Politikers steht eine vielfältige Problematik. Einerseits hat man über Jahre hinweg statistisch geschummelt, indem man die Ärztedichte im internationalen Vergleich beschönigt hat und Ärzte in Ausbildung zu den niedergelassenen gezählt hat. Auf diese Art verkündete man lange stolz, Österreich liege bei der Ärztedichte auf Platz zwei aller europäischen Länder. Vermischt man aber nicht Äpfel mit Birnen, sondern zählt tatsächlich nur die niedergelassene Ärzte, dann liegt Österreich mit seiner Ärztedichte  von 4,32 Ärzten auf 1000 Einwohner gerade noch im europäischen Mittelfeld auf Platz 13.

Ein nach wie vor ungelöstes Problem ist die hohe Abwanderung von ausgebildeten Ärzten ins Ausland, vor allem nach Deutschland. Nahezu 40% der Mediziner verlassen unser Land, weil sie entweder mit zu langen Wartezeiten für ihre Turnus- und Basisausbildung, die beispielsweise in Wien bis zu eineinhalb Jahren betragen kann, konfrontiert sind oder aber die Rahmenbedingungen für ihre Tätigkeit im Ausland besser sind. Und damit sind in erster Linie die Arbeitsbedingungen gemeint und nicht die Bezahlung.

Dazu kommt die Problematik, dass aufgrund der Altersstruktur der Ärzteschaft innerhalb der nächsten 10 Jahre die Hälfte der niedergelassenen Ärzte ihr Pensionsalter erreicht haben. Nach Angaben der Ärztekammer bedeutet dies einen mittelfristigen jährlichen Nachbesetzungsbedarf von 938 Ärzten. Bei rund 1200 Studienabsolventen jährlich in ganz Österreich und einer Abgangsquote von bis zu 40% ist diese Zahl schon rechnerisch nicht erreichbar.

Gerade am Land gibt es bereits massive Probleme, aufgelöste Arztpraxen durch neue Allgemeinmediziner und Fachärzte mit Kassenverträgen zu ersetzen. Aber auch in den Städten ist die Versorgung der Bevölkerung mit Allgemeinmedizinern und Fachärzten gefährdet bzw. zunehmend von der Geldbörse der Patienten abhängig.

Der Vorschlag von Peter Hacker ist jedoch aus mehreren Gründen unsinnig. Denn wollten wir gleiches Recht für alle gewährleisten, so hieße das, dass in Zukunft auch alle Absolventen anderer Studienrichtungen nur mehr in Staatsbetrieben beschäftigt werden dürften. Auch ihr Studium wurde ja schließlich mit Steuergeldern finanziert.

Hacker lenkt mit seinem Vorstoß vielmehr von den wirklichen Problemen ab, sein Vorschlag kommt einer gesundheitspolitischen Bankrotterklärung gleich.

 

Da wäre zunächst einmal die Rolle der Ärztekammer und deren Machtbefugnisse, welche es politisch zu durchbrechen gelte. Dann stünde den österreichischen Gesundheitspolitikern bzw. jenen, die sich für solche halten, die Aufgabe bevor, die Studienbedingungen für Mediziner und das Ausbildungsangebot sowie die Ausbildungsbedingungen auf neue Beine zu stellen. Selbstverständlich muss das Kassensystem, welches die Anzahl der Arztbesuche und nicht die Qualität der Betreuung der Patienten zur Grundlage für die Einnahme von niedergelassenen Ärzten hat, rasch geändert werden. Und schließlich und endlich wird das alles - und das marode Krankenhaussystem, wo Behandlungsfehler auf Grund von Personalknappheit und Organisationsmängeln zunehmend zur Regel werden - auch Geld kosten. Dass dieses da ist, daran besteht in einer der reichsten Volkswirtschaften dieser Erde kein Zweifel. Wohl aber darin, ob Politiker a la Hacker in der Lage oder willens sind, die aufgezeigten Änderungen im System voranzutreiben sowie für die notwendigen Umverteilungen innerhalb unseres Steuersystems zu sorgen, welche eine ausgezeichnete Versorgung im Krankheitsfall für alle Menschen in unserem Land garantieren.