Woko vom 14.5.: Eine Partei schafft sich ab, um überleben zu können Drucken

 

Es ist vielleicht auch einmal interessant einen Kommentar zu schreiben über ein Zukunftsszenario, in diesem Falle über die Forderungen von Sebastian Kurz, bevor der Bundesparteivorstand über diese entschieden hat. Es ist derzeit Sonntag, 10 Uhr, die Entscheidung soll gegen Abend fallen.

Man darf wohl annehmen, dass Sebastian Kurz die Organisationsstruktur der ÖVP kennt. Kurz, der aus keinem der drei großen Parteibünde hervorgegangen ist, mag in seiner Zeit als Obmann der jungen ÖVP und ganz besonders seit seinem Amtsantritt als Außenminister ein eigenes Netzwerk von Vertrauten aufgebaut haben. Will er sich auf dieses verlassen können, so muss er es aus der Schusslinie der Bünde und der Landeshauptleute bringen. Denn er weiß natürlich Bescheid darüber, wie schnell ein ÖVP-Obmann, der aus irgendwelchen Gründen in Ungnade bei den mächtigen Hintermännern der Partei gefallen ist, Obmann war. Alleine die letzten vier Obmänner der Partei brachten es zusammen auf 10 Jahre Parteiführung.

So gesehen sind die Bedingungen, die Kurz für seine Führungsrolle an die Partei stellt, aus seiner Sicht gut durchdacht und scheinen zumindest ein längeres Überleben als Parteiobmann zu garantieren, als das bei seinen Vorgängern der Fall war. Seine 7 Punkte, die er als Bedingung für die Übernahme der Partei stellt, beinhalten jedoch auch Forderungen, auf die eine halbwegs demokratisch agierende Partei auf keinen Fall eingehen kann. Hier wird sich erst heute beim Bundesparteivorstand zeigen, wie weit die ÖVP tatsächlich bereit ist zu gehen. Nicht ausgeschlossen werden kann auch eine für die breite Öffentlichkeit veranstaltete Schmierenkomödie, in welcher Kurz die Rolle des Parteiveränderers übernimmt, um die zukünftige Wählerschaft zu täuschen. Darauf deutet zumindest einiges hin:

Eine Partei, welche Personal- und Richtungsfragen ausschließlich in die Hand einer Person legt, zerstört damit den letzten Rest an parteiinternen demokratischen Strukturen. Ihre Zukunft ist von den Entscheidungen einer einzigen Person abhängig. Und da sollen Platter, Schützenhofer und Mikl-Leitner zustimmen? Und noch dazu soll dieses Prozedere in die Parteistatuten aufgenommen werden.

Eine Partei schafft sich ab, indem Kurz unter einer eigenständigen Liste kandidieren will, der auch Personen aus anderen Lagern und Parteien angehören können. Wie sehr so eine Blutauffrischung einer völlig verkrusteten ÖVP auch guttun würde, so sehr wird sie auch auf Widerstand der Bünde treffen. Oder glaubt Kurz auch diese per Statutenänderung abschaffen zu können?

Trotzdem gehe ich davon aus, dass im heutigen Bundesparteivorstand der ÖVP die Wunschliste von Kurz in einigen Punkten erfüllt wird. Am ehesten wird man ihm zugestehen, Ministerämter selbst vergeben zu können und diese Entscheidung von der Einflussnahme der Länder zu lösen. Auch die Umsetzung einer höheren Frauenquote in Spitzenämtern der Partei wird wohl auf keinen Widerstand stoßen. Die inhaltliche Führung der Partei wird man ihm zumindest formal zugestehen, die Zustimmung zu seiner Forderung der Einflussnahme auf Landeslisten erachte ich auch noch für möglich. Auch eine Liste Kurz ist bei den nächsten Wahlen selbstverständlich möglich. Es wäre zumindest ein kurzfristiger Vorteil für die ÖVP, würde ihre Parteibezeichnung von den Wählerlisten verschwinden. Und schließlich ließe sich so ein taktisches Manöver ja auch wieder rückgängig machen.

Aber dass sich der Bundesparteivorstand dazu durchringt, all dies in den Statuten der Partei zu verankern, das glaube ich nicht. Sollte ich Recht behalten, wird es dann wohl doch keinen Obmann Kurz geben. Oder doch? (Gerhard Kohlmaier)