Woko vom 25.10.2015: Ob Fischler ein Wirtschaftsexperte ist, möge dem Urteil des Lesers obliegen, von Bildung jedenfalls hat er keine Ahnung! Drucken

 

Anlässlich des nahenden Nationalfeiertages gibt es wiederum eine große Zahl von so genannten Prominenten und Organisationen, die zum x-ten Male eine österreichische Schulreform fordern. Und man könnte ihnen nicht gram sein, sähen sie sich selbst nicht als die großen Reformer.

Es ist tatsächlich eine österreichische Kuriosität, dass die Regierung seit Jahren, um nicht zu sagen seit Jahrzehnten, an einer Schulreform bastelt, welche im Wesentlichen für eine bessere Ausbildung der jungen Menschen und für mehr Chancengleichheit außer Stückwerk und pädagogischen Nonsens nichts gebracht hat. Dieser Reigen reicht unter anderem von der Erfindung der neuen Mittelschule bis hin zur neuen Reifeprüfung.

In der Tat leidet das österreichische Schulsystem an diesem Reformstückwerk, tatsächlich sind viele Fragen zu klären. Aber die wichtigste Voraussetzung dafür wäre, dass man einerseits der Bevölkerung reinen Wein darüber einschenkt, dass ein Schulsystem, welches möglichst viele Chancen für alle eröffnet, mehr kostet als das derzeitige. Und zwar erheblich viel mehr an Geld. Die Regierung geht diesbezüglich allerdings seit Jahren einen anderen Weg. Sie gaukelt der Bevölkerung vor, dass österreichische Schulsystem sei eines der teuersten innerhalb der OECD-Staaten, während der letzte OECD-Bildungsbericht nachweist, dass in Österreich die öffentlichen Bildungsausgaben deutlich unter dem OECD-Schnitt liegen und seit einigen Jahren sinken. Sie gaukelt der Bevölkerung vor, die Ausgaben für Nachhilfestunden seien in Österreich besonders hoch, während das Gegenteil der Fall ist, weil zahlreiche Länder wesentlich höhere Aufwendungen für private Förderungen der Kinder ausgeben.

Und nun mischt sich - nach den zahlreichen Rohrkrepierern von Experten a la Salcher - zudem noch der ehemalige EU-Kommissar Fischler in die Bildungsdebatte ein und befindet sich damit in bester Gesellschaft von Prominenten, welche die so genannten Interessen der Wirtschaft vertreten. Ja, der Wirtschaft, nicht der Interessen der Mehrheit der Bürger, nicht die Interessen der Schülerinnen und Schüler. Und wer glaubt, dass das eine mit dem anderen ident ist, der irrt gewaltig. Interessen der Wirtschaft sind Interessen an Gewinnen, Bildung wird dabei degradiert zur verwertbaren Ausbildung, Interessen der Mehrheit der Bürger sind Interessen an einer Bildung, die den Gebildeten eine möglichst hohe Chance an der eigenen Bewältigung und Gestaltung ihrer Lebensbereiche lässt.

Ja, wir bräuchten tatsächlich eine Bildungsreform. Wir brauchen sie, um den jungen Menschen die Augen für die vielfältigen Probleme unserer Zeit zu öffnen, wir brauchen sie, um ihnen eine möglichst gute Chancengleichheit im Zugang zu den Bildungsressourcen zu ermöglichen, wir brauchen sie, um die Zukunft, die unsere Regierungspolitiker in vielfältiger Weise aufs Spiel setzen, doch noch im Interesse der Mehrheit der Bürger gestalten zu können.

Aber wir brauchen dafür weder Altfunktionäre a la Fischler oder Androsch, wir können gerne auf all die Ratschläge der Experten verzichten, welche sich im Dienste von Parteiinteressen medial stark machen. Wenn ich einen Militärexperten zu Rate ziehen will, frag ich dann den Herrn Salcher? Ist ein Wirtschaftsexperte von Nöten, frage ich dann den Trainer der österreichischen Schwimmnationalmannschaft?

Im Bildungsbereich sind die tagtäglich damit Beschäftigten die Experten, es sind jene, die mit den jungen Menschen arbeiten, niemand anderer. Das sind die Lehrerinnen und Lehrer, das ist aber auch die Lehrergewerkschaft, die deren Interessen vertritt. Und wenn Herr Fischler meint, man dürfe die Bildungsreform nicht der Lehrergewerkschaft und den Beamten überlassen, dann stellt er sich mit dieser Forderung in die Reihe all jener, die in einem Bereich, von dem sie absolut nichts verstehen, ihr eigenes Interessenssüpplein kochen wollen. Dabei sollten die Lehrerinnen und Lehrer nicht mitspielen. (Gerhard Kohlmaier)