Wochenkommentar vom 7.9.2014: Wir brauchen ein neues Steuersystem. Ratschläge an den neuen Finanzminister. Teil 1 Drucken


Unser Steuersystem gehört grundlegend reformiert. Die angedachte Lohnsteuersenkung ist nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Diesen Nachweis zu erbringen und Vorschläge zu einer Veränderung zu unterbreiten, dienen die nächsten Wochenkommentare der Steuerinitiative.

Der neue Finanzminister Schelling hat nicht Unrecht, wenn er befürchtet, die von der SPÖ propagierte Millionärssteuer würde am Ende der Mittelstand bezahlen (Standard, 3.9.2014), allerdings inkludiert seine Sichtweise, dass er bereits zu Beginn seiner Amtsperiode eine Änderung gerade dieses von SPÖ und ÖVP über Jahrzehnte praktizierte Steuersystem ausschließt.

Denn es ist primär notwendig, die Struktur dieses Steuersystems zu verändern, und zwar nicht nur deshalb, um eine Entlastung des Faktors Arbeit im Vergleich zu Einkünften aus Kapital zu erzielen. Wir brauchen ein strukturell anderes Steuersystem vor allem, um die in den letzten Jahrzehnten von den Regierungen verursachte verheerende Verteilung von Einkommen und Vermögen mit all ihren sozial und gesellschaftlich schädlichen Wirkungen zu beenden. Eine Millionärssteuer oder eine Vermögenssteuer zahlt eben nur dann der Mittelstand, wenn das System es ermöglicht.

Steuern sind zum Steuern da und die Kunst dieses Steuerns darf einerseits die Frage der Einkommens- und Kapitalverteilung nicht außer acht lassen, andererseits muss die steuernde Wirkung auf die Erfordernisse eines sozialen und demokratischen Gemeinschaftswesens Bedacht nehmen. Dazu ein konkreter Vorschlag:

Die Diskussion über eine Besteuerung von Reichen bzw. von Vermögen ist zunächst unter dem Blickwinkel zu führen, wie und unter welchen Bedingungen dieser Reichtum überhaupt entsteht und ob nicht schon diesem Entstehungsprozess Einhalt zu gebieten ist. Denn durch Lohn oder Gehalt ist es selbst im 21. Jahrhundert unmöglich, große Vermögen anzuhäufen. Vielmehr enthalten die hohen Gehälter und Spitzeneinkommen immer schon einen gehörigen Anteil der durch Arbeit erzielten Gewinne und werden somit der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung entzogen, bevor wir überhaupt über eine Besteuerung derselben diskutieren.

Wenn heute ein Manager eines Betriebes 2,4 Millionen Jahresgehalt bezieht, dann käme er bei einer 40-Stunden-Woche und nach Abzug eines 6-wöchigen Urlaubs auf einen Nettostundenlohn von € 1250.- Dieser Betrag ist so absurd, dass er nur zustande kommen kann, wenn er eben bereits Abschöpfungen der von allen Angestellten des Betriebes erzielten Wertschöpfung enthält.

Die Umverteilung von erzielter Wertschöpfung nach oben beginnt also bereits beim Abzweigen  von enormen Teilen derselben, die erst dadurch zu Vermögen werden. Diese Vermögen werden sodann statt steuerlich „bestraft“ durch unser Steuersystem geschützt und können mittels Spekulationen auf den Finanzmärkten noch vermehrt werden.

Der von unseren Parteien so häufig strapazierte Vergleich des Kapitals mit einem scheuen Reh beruht somit auf einer systemimmanenten Problematik, der es gegenzusteuern gilt, indem man Spitzengehälter und Spitzeneinkommen begrenzt. Damit dürften sich selbst Aktionäre eines Unternehmens anfreunden können, werden dem Unternehmen dadurch nicht unwesentliche Gewinnanteile entzogen, die ökonomisch sinnvoller als Wiederinvestition in den Wirtschaftskreislauf als im Sinne von privater Vermögensbildung anzulegen wären. Dort wo so eine Begrenzung nicht geschieht, ist sowohl bei Gehältern als auch bei anderen Zuwendungen eines Betriebes, die über diese festgelegte Begrenzung hinausgehen, ein Spitzensteuersatz von 100% anzulegen. Ein nebenbei nicht unwesentlicher Effekt einer solchen Politik wäre der Umstand, dass die Zentralbanken nicht Geld zu schaffen bräuchten, um dieses in die realen Wirtschaftskreisläufe pumpen zu wollen, wenn die Politik garantiert, dass die dort erzielten Wertschöpfungen auch dort bleiben. Die enormen Geldbeträge der Zentralbanken für diese Maßnahme verfehlten und verfehlen ihr Ziel nicht zuletzt deshalb, weil sie nur zu einer weiteren Umverteilung nach oben führen, die letztlich wiederum von allen Steuerpflichtigen zu bezahlen sein wird.

 

Aber auch andere Einkommen, die z.B. aus Immobilienvermietung oder Verpachtung resultieren, gehören - falls sie nicht wieder in die reale Wirtschaft fließen - ab einem gewissen Freibetrag zu 100% besteuert.

Auf diese Art und Weise kann der neue Finanzminister beispielsweise Kapital in der Realwirtschaft halten, die Besteuerung von zumindest zukünftig erzielten Vermögen muss sich an den skizzierten Grundsätzen orientieren. Von der Besteuerung von bereits vorhandenem Vermögen handelt mein nächster Wochenkommentar. (Gerhard Kohlmaier)