Wochenkommentar vom 22.1.2012: Schwache SPÖ erhält "Schützenhilfe" Drucken

Ich erinnere an die Ausgangsposition: Die ÖVP wollte und will ausgabenseitig sanieren, die SPÖ einnahmenseitig - vorrangig, wie zumindest die SPÖ immer betonte. Die ÖVP sprach von Beginn der Verhandlungen davon, dass eine einnahmenseitige Sanierung, sprich Steuererhöhungen, überhaupt nur in Frage käme, wenn alle Möglichkeiten der ausgabenseitigen Sanierung ausgeschöpft seien. Im Klartext heißt das: Erst wenn alle Möglichkeiten einer Budgetsanierung auf dem Rücken der Mehrheit der Bevölkerung ausgeschöpft sind, ist die ÖVP bereit über Steuererhöhungen der Vermögenden zu sprechen.

Die SPÖ begab sich daher von Anbeginn der Gespräche mit dem Regierungspartner in eine Defensivposition, vor allem deshalb, weil es ihr nicht gelang, die von der ÖVP bevorzugte ausgabenseitige Budgetsanierung als das zu entlarven, was sie im Wesentlichen ist: eine Budgetsanierung, bei welcher die Vermögenden ausgespart bleiben. Dementsprechend waren die an die Öffentlichkeit gelangten Themen über Einsparungsbereiche vorwiegend geprägt von Vorschlägen, welche zu Lasten der Mehrheit der Bevölkerung gehen.

Jeder  das Vermögen betreffende Steuervorschlag der SPÖ wurde bisher seitens der ÖVP kategorisch abgelehnt, auf der anderen Seite zeichnen sich jedoch deutliche Zugeständnisse der SPÖ-Verhandler beim ausgabenseitigen Sanieren, also beim Sanieren auf Kosten der Mehrheit der Steuerzahler ab, insbesondere im Bereich der Sozial- und Pensionspolitik.

Offenbar ist dieser lasche SPÖ-Kurs nun sogar der AK und dem ÖGB zu viel geworden und sie haben am 20.1. gemeinsam ein Forderungspaket vorgelegt, in welchem sie die meisten ÖVP-Forderungen strikt zurückweisen: http://www.oegb.at

Allerdings enthält das Paket in Hinblick auf eine Besteuerung des Vermögens im Wesentlichen keine konkreteren Vorschläge als die ohnedies bekannten SPÖ-Positionen.

Die zu Recht aufgestellten Forderungen der Arbeitnehmervertretungen lesen sich wie ein Wunschkatalog, aus dem die Verhandlungspartner wählen könnten, und nicht wie eine verpflichtende Forderung. Ob da die bereits zum Standardrepertoir gewerkschaftlicher Forderungen gehörende Ankündigung, dass der ÖGB über ein breites Spektrum von Maßnahmen verfüge, falls seine Forderungen ungehört bleiben sollten, den Verhandlungspartner ÖVP tatsächlich beeindrucken? Oder aber wäre es nicht besser gewesen, eine klare Forderung auf den Tisch zu legen und im Falle ihrer Nichtberücksichtigung auch gleich die nächsten Schritte anzukündigen? Wenn das reichste Prozent der Bevölkerung mehr als ein Drittel des Volksvermögens besitzt, wenn in den vergangenen 10 Jahren das vermögendste Drittel seinen Reichtum um ca. 100% erhöhen konnte, während die Arbeitnehmer im selben Zeitraum ihr Einkommen um 12% steigern konnten, dann ist klar, dass nicht nur der Vermögenszuwachs besteuert werden muss, sondern Vermögen an sich. Aber diesbezüglich vermisst der Bürger auch klare Worte der Arbeitnehmervertretungen. Diese wären jedoch vor allem auch deshalb notwendig gewesen, weil die meisten Menschen nicht daran glauben, dass die einnahmenseitige Budgetsanierung tatsächlich nur die Vermögenden treffen wird. Das hätte man klarstellen müssen, seitens der SPÖ, seitens des ÖGB und der AK.

 

Weil man das bisher versäumt hat, weil die klare Absage an eine neoliberale Politik in allen Bereichen fehlt und weil daher die Menschen dieser Politik nicht mehr trauen, hat man der FPÖ zu unerwarteter Stärke verholfen. Die Verhandlungen mit der ÖVP über die konkreten Maßnahmen bezüglich des Budgets waren und sind eine der letzten Chancen der SPÖ diesen Kurs zu ändern und die anderen Parteien unter Zugzwang zu bringen - auch unter dem Risiko des Platzens der Koalition und Neuwahlen. Dass sich die SPÖ davor fürchtet, zeigt, wie wenig sie einem neoliberalen Kurs einer ÖVP oder FPÖ entgegenzusetzen weiß. Schade, denn sollte die Realität der beschlossenen Sparmaßnahmen wiederum die Mehrheit der Menschen in diesem Land treffen, dann steht Strache mit seiner FPÖ bereit, diese SPÖ abzulösen. (Gerhard Kohlmaier)