Wochenkommentar vom 2.6.2013: Droht den Neoliberalen die Herrschaft zu entgleiten? Drucken

 

Die Herrschaft über die Krise des Systems droht den Protagonisten zu entgleiten. Nachdem seit Ausbruch der Finanzkrise ihr Allheilmittel im Wesentlichen darin bestand, die Konsequenzen der Zockerei des Finanzkapitals auf die Steuerzahler zu übertragen anstatt dieses an die Kandare zu nehmen, werden die Konsequenzen dieser Politik immer deutlicher.


Während die Realwirtschaft im Wesentlichen funktioniert, ist sie längst nicht mehr der Parameter für die Wirtschaftskraft, denn diese orientiert sich fast ausschließlich an der Geldvermehrung durch Geld.

Diese Kluft schlägt sich auf mehrerlei Weise nieder: Einerseits durch eine ungebremste Fortsetzung der Umverteilung von volkswirtschaftlichem Vermögen von unten nach oben. Während man den Steuerzahlern Sparpakete auferlegt, werden die Reichen immer reicher und die Zahl der Millionäre und Milliardäre wächst weltweit. Noch nie gab es weltweit so viele Dollar-Millionäre wie derzeit.

Laut Studie der Boston Consulting Group „Global Wealth“ stieg die Zahl der Millionäre in Westeuropa im letzten Jahr um 7,6%. Auch Österreich macht da keine Ausnahme. Trotz der Krise stieg allein im Jahr 2012 die Zahl der österreichischen Millionäre um 5 500! Gleichzeitig nimmt laut Statistik Austria die Armut bzw. Armutsgefährdung der Menschen zu. Gemessen an der Gesamtbevölkerung stehen prozentuell immer weniger Wohlhabende einem immer größer werdenden Heer von immer ärmer werdenden Bevölkerungsteilen gegenüber.


Letztere sind auf Grund der einfallslosen Politik der Systembewahrer nicht nur vom immer rigoroser durchgesetzten Sozialabbau betroffen, sondern in letzter Zeit vor allem durch den Verlust ihres Arbeitsplatzes. Der heute vorgelegte Weltarbeitsmarktbericht 2013 prophezeit eine weitere Zunahme der europäischen Arbeitslosenzahlen bis 2015 um 8 Millionen! Besonders trist sehen die Jobchancen für die jungen Menschen aus. Die Jugendarbeitslosigkeit in der EU beträgt bereits 23,5%, es ist also bereits jeder 4. Jugendliche arbeitslos. Tendenz steigend. Auch in Österreich ist allein im Vergleich zum Mai 2012 die Arbeitslosigkeit besorgniserregend angestiegen. Derzeit 330 309 Arbeitslose ergeben alleine in diesem Zeitraum ein Plus von 9,5%. Die offenen Stellen hingegen haben im selben Zeitraum um 11,9% abgenommen (Quelle: AMS).

Während die verordnete Sparpolitik die Krise für die Mehrheit der Menschen verschärft und die systemischen Probleme nicht einmal andeutungsweise berührt, wird die Gangart des Finanzkapitals und der politischen Erfüllungsgehilfen immer schärfer. Die neuen EU-Vorstöße von der Saatgutverordnung über die Bemühungen um ein Pflichtkonto für jeden EU-Bürger bei einer Bank bis hin zur Privatisierung von Wasser sind Beispiele für diese verschärfte Gangart.


Hierbei spielt der Bürger keinerlei Rolle mehr. Transparenz dieser Entscheidungen ist schon lange nicht mehr gegeben, die Informationslage des Durchschnittsbürgers über diese und andere politische Vorhaben (die fast ausnahmslos dem Finanzkapital dienen) tendiert bewusst gegen Null. Die Medien, überwiegend im Besitz der Systembewahrer, tun das Ihre dazu.


Und gerade weil dieser Zustand bereits erreicht ist, kann man sich seitens der Politik getrost auf eine Demokratiediskussion einlassen, welche um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte zu spät kommt und zudem die tatsächlichen Einflussmöglichkeiten der BürgerInnen nicht wesentlich zu verbessern gedenkt. Ein guter Beleg dafür sind die letzten zwei Volksbegehren: Das eine setzte sich für die Einführung einer Vermögenssteuer ein, das andere für den Ausbau der direkten Demokratie. Ersteres erhielt nicht einmal die notwendigen Unterschriften, um eingeleitet zu werden, letzteres erhielt nicht einmal 70 000 Stimmen. Auf dieser Basis eines bewusst zerstörten Demokratiebewusstseins großer Teile der Bevölkerung lässt sich trefflich über Demokratie diskutieren. Zumindest aus der Sicht jener Politiker, welche diese Demokratie seit Jahrzehnten ad absurdum führen.


Doch trotz allem droht den neoliberalen Politikern die Herrschaft über das System zu entgleiten. Eben weil sie nahezu alle demokratischen Einflussmöglichkeiten der BürgerInnen erfolgreich bekämpft haben, bleibt dem Volk nun nur eine Ohnmacht gegenüber diesem System, an welches sie immer weniger glauben. Und diese Ohnmacht drückt sich in der Zunahme von Unruhen aus, insbesondere in den südlichen Ländern Europas. Doch da die Folgen dieser falschen Politik auch vor Ländern wie Deutschland und Österreich auf Dauer nicht Halt machen können, ist es auch bei uns nur eine Frage der Zeit, bis das Pulferfass explodiert. (Gerhard Kohlmaier)