Woko vom 12.5.: Bargeldloser Geldverkehr - ein fragwürdiger Zeitgeist Drucken

Apple Pay ist der neueste Schrei des bargeldlosen Geldverkehrs und wird auch von etlichen österreichischen Banken beworben. Bezahlen mit dem Handy, ja sogar mit der Uhr, sofern man eine von Apple besitzt, entrückt den modernen Konsumenten immer mehr von den scheinbar lästigen Geldmünzen und Geldscheinen. Zweifellos wird mit dem neuen Produkt ein weiterer Schritt zur Eindämmung von Münzen und Geldscheinen gesetzt.

Etliche EU-Länder haben längst Bargeldobergrenzen eingeführt, meist unter dem Vorwand, die Schattenwirtschaft bekämpfen zu wollen, ohne dass sich dadurch messbare Erfolge für die Verbrechensbekämpfung abzeichnen würden. Die EZB hat die 500-Euro-Banknote aus dem Verkehr gezogen, Banken erschweren immer deutlicher sämtliche Bargeldtransaktionen.

Selbstverständlich bietet der bargeldlose Zahlungsverkehr auch Vorteile, aber angesichts der Nachteile und Gefahren erscheint die prall gefüllte, am Körper drückende Geldtasche immer noch als ein geringes Übel. Neben dem Argument des „gläsernen Menschen“, dessen Lebens- und Kaufgewohnheiten gleichsam auf Schritt und Tritt beobachtbar und auswertbar sind, der Einschränkung einer vernünftigen visuellen Kontrolle der eigenen Finanzlage und anderen Nachteilen, ist es vor allem ein Aspekt, welcher zum Nachdenken anregen sollte.

Nahezu sämtliche europäische Staaten befinden sich zunehmend in einer finanziellen Misere. Die durch die Finanzkrise eingeschlagene Geld- und Haushaltspolitik hat selbst während wirtschaftlich stärkerer Jahre die Verschuldung vieler Staaten noch weiter beflügelt, andere konnten diese nur geringfügig senken.

Nun aber ist dieses Wirtschaftswachstum deutlich eingebremst und das dürfte sich auch in den nächsten Jahren nicht ändern. Zudem kommen sowohl im Sozialbereich als auch in der Umwelt- und Klimafrage beträchtliche Zusatzkosten auf die Staaten zu. Die zu erwartenden geringeren Steuereinnahmen machen einen Kollaps der Finanzlage immer wahrscheinlicher.

Trotz der enormen Einkommens- und Vermögensunterschiede zwischen Arm und Reich in den Staaten, trotz der Tatsache, dass in allen Staaten nur wenige Prozent der Bürger den größten Anteil am volkswirtschaftlichen Vermögen besitzen, sind sich die verantwortlichen Politiker offensichtlich darin einig, sich das benötigte Geld nicht von diesen Vermögenden zu holen.

Verstärkt werden jedoch Überlegungen angestellt, die Bürger auf andere Art und Weise zur Kasse zu bitten. Beispielsweise durch einen einmaligen Zugriff auf ihre Konten und Sparbücher. 2013 beschloss die zypriotische Regierung eine Zwangsabgabe, eine Art Sondersteuer für alle, die quasi über Nacht von den Konten abgebucht wurde. Die Maßnahme war übrigens eine Bedingung der Euro-Finanzminister für das folgende Hilfspaket.

Auch in Österreich oder in Deutschland bedarf eine solche Maßnahme nicht mehr als eines Parlaments- bzw. Regierungsbeschlusses. Enteignungen sind juristisch gesehen zum Wohle der Allgemeinheit jederzeit möglich und haben in der Vergangenheit auch bereits wiederholt stattgefunden, wie beispielsweise in Deutschland 1952.

Es ist jedoch nicht leicht, jemanden Geld wegzunehmen, welches er physisch besitzt. Er könnte es verstecken, man müsste eventuell Gewalt anwenden usw.

Im Vergleich dazu ist es hingegen ein Leichtes, auf Gelder zuzugreifen, die sich auf einem Konto oder einem Sparbuch befinden, denn deren Besitzer ist die Bank, welcher der Kontobesitzer juristisch gesehen nichts anderes als ein Darlehen gegeben hat. Der Kunde wird erst wieder zum Besitzer, wenn er sich dieses Geld auszahlen lässt.

 

Die Zurückdrängung des Bargeldes als „schick“, als „modern“, als „in“ einzustufen, ist durchaus möglich, ja selbst als zeitgeistige Erscheinung, es fragt sich allerdings, in wessen Interesse der Zeitgeist tätig ist. Darüber lohnt es sich nachzudenken.