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Für diese Politik werden die Regierungen zur Verantwortung gezogen werden!

Ganz Europa stöhnt unter der Last von Schuldenbergen, allen voran sind es die Schulden der Banken, welche seit Jahren nun auch die Haushaltsschulden der Staaten explodieren lassen. Immer undurchsichtiger werden die Konstruktionen der Politiker, mit denen den europäischen Bürgern das Geld für Spekulationen des Finanzkapitals aus den Taschen gezogen wird. Nationale Sparpakete, EFSF, EFSM, ESM, Fiskalpakt - unter diesen, für die Mehrheit der Bevölkerung inhaltlich kaum transparenten Umverteilungskonstruktionen, die durch politische Beschönigungsreden der Regierenden für viele Menschen den Charakter einer aus Solidaritätsgründen mit in budgetäre Not geratenen Nachbarstaaten und deren Bevölkerung erforderlichen Hilfsaktion bekommt, hat man bewusst einen Kreislauf in Gang gesetzt, aus dem es kein Entkommen zu geben scheint.

Das Finanzkapital, diese für viele Menschen so unbekannte Größe, ist nichts anderes als das den Banken und Investmentgesellschaften zur Verfügung gestellte Geld, welches sich ursprünglich aus den Gewinnen des Wirtschaftsprozesses zusammensetzt, den Weg in den Wirtschaftskreislauf jedoch zunehmend meidet, weil sich seine Vermehrung durch spekulative Investments gelohnt hat und immer noch lohnt. Auf diese Weise konnte sich dieses Kapital in der Zeit des Wachstums von selbst vermehren. Die Absurdität der Geldvermehrung durch Geld und nicht durch Arbeit wurde durch die Hilfestellung der europäischen Regierungen im Sinne der Zulassung von dubiosen Finanzkonstruktionen sowie durch Gesetze, welche den Staaten selbst den Zugriff auf dieses Finanzkapital zunehmend unmöglich machte, nicht nur zur dominanten Wirtschaftsform, welche sich zunehmend von der Realwirtschaft loslöste, sondern auch zu einem die Politik der Länder bestimmenden Machtfaktor.

Dieses Finanzkapital treibt nun die europäischen Politiker, ihre eigentlichen Schöpfer, als Vasallen vor sich her und bedient sich dieser. Die Politiker hingegen geben vor im Sinne einer scheinbar vom Volk selbst gegebenen Legitimation als dessen Repräsentanten zu handeln. Dass sie jedoch längst nicht mehr im Interesse der Mehrheit der Bürger handeln, sondern immer deutlicher die Interessen des Finanzkapitals vertreten, wird zwar den Bürgern immer bewusster, allerdings werden seitens der Regierungen sowohl die Hintergründe und Zusammenhänge der Krise so sehr vernebelt, dass der Durchschnittsbürger nur schwer einen Überblick darüber gewinnen kann. Dazu kommen die in einer Zeit der wirtschaftlichen Rezession bestimmenden Ängste der Menschen um die eigene Zukunft, welche einen klaren Blick auf das Geschehen erschweren und an Stelle der politischen Einflussnahme die individuelle Suche nach den besten Bedingungen unter eben diesen politischen Verhältnissen treten lässt. Schließlich haben die Regierungen selbst die Einflussbereiche der Bürger auf die Politik so sehr zurückgedrängt, dass Mitbestimmung zur leeren Worthülse entartet ist.

Vor diesem Hintergrund beschließen die Regierungen nun die diversen Belastungspakete, genannt „Sparpakete“. Diese Bezeichnung ist allerdings irreführend, denn in Wahrheit handelt es sich dabei überwiegend um Enteignungspakete, welche zunehmend mehr Bürger an den Rand ihrer Existenz bringen. Seit nunmehr über vier Jahren, seit dem Ausbruch der so genannten „Krise“, zeigt sich, dass die Regierungen einen Kreislauf in Gang gesetzt haben, der für die Bevölkerung in einem Fiasko enden muss. Anstatt die Möglichkeiten der Machenschaften des Finanzkapitals zu beschränken, wurden sie in Wahrheit erweitert. Statt die Umverteilung der gesellschaftlichen Wertschöpfung von Unten nach Oben, von Arm zu Reich, von der Mehrheit der Menschen hin zu einer Minderheit, umzukehren, wird diese Entwicklung nun entscheidend verstärkt, indem unter Mithilfe der Regierungen ganze Volkswirtschaften im Interesse des Finanzkapitals einer modernen Form der Versklavung ausgesetzt werden. Über diese Enteignungspakete führen die Staaten unter unterschiedlichen Bezeichnungen dem Finanzkapital neues Geld zu. Die Folge davon sind neuerliche, teils höchst riskante Spekulationen - von den Regierungen legalisierte Casinospiele mit Nahrungsmittelpreisen, neue undurchsichtige Finanzprodukte, Währungsspekulationen und schließlich Wetten auf unterschiedliche Entwicklungen, wie zum Beispiel auf den Ruin von ganzen Staaten. Für das Finanzkapital sind somit rosige Zeiten angebrochen, denn wenn man ein glückliches Händchen im Casino der Finanzplätze hat, kann man nach wie vor gigantische Summen verdienen und somit seine eigene Macht und den Einfluss auf Regierungen noch vermehren, hat man jedoch einmal falsch gewettet, dann sorgen die als Vasallen funktionierenden Regierungen für das Abdecken der Verluste durch die Steuerzahler und für neues Kapital, das man setzen kann.

Damit das „Belastungsprogramm“ nicht sofort auf Widerstand der Betroffenen führt, bedient man sich seitens der Regierungen der scheibchenweise Demontage von Arbeitnehmerrechten. Seit Jahren sind Kürzungen von Zulagen, Lohnabschlüssen unter der tatsächlichen Inflationsrate, die Erhöhung der Steuer- und Abgabenbelastung für die Mehrheit der Bevölkerung Realität.

Im Bildungsbereich errichten Regierungen - ebenfalls scheibchenweise - unter dem Titel „Bildungsoffensive“ eine staatliche Einheitsschule, man betreibt in Wahrheit eine Bildungsdefensive, die ebenso wie die Einschnitte im Gesundheitsbereich zu einem Zweiklassensystem führen werden. Ein gutes Bildungsangebot, eine optimale Gesundheitsversorgung in Zukunft für all jene, die es sich leisten können, ein Grundversorgungsangebot für den Rest der Bevölkerung.

Nun soll der nächste Schritt folgen: der Angriff auf die von den Arbeitnehmern mühsam errungenen Sozialleistungen.

Die OECD spricht sich beispielsweise bereits für ein Pensionsalter von 70 Jahren aus und  empfiehlt zudem den jungen Menschen von heute die Eigenvorsorge, weil die staatliche Pension in Zukunft nicht mehr zur Lebenssicherung im Alter ausreichen werde. Zur Stützung der Forderung wird mit Datenmaterial manipuliert, die demographische Entwicklung unseriös dargestellt. Vergleiche mit unter 20-jährigen, bei denen um 1900 auf Grund der hohen Kindersterblichkeitsrate die Lebenserwartung vergleichsweise gering war, Datenmaterial, welches Schwerarbeiter und Begüterte in einem Topf wirft, dient dazu, die durchschnittliche Lebenserwartung in die Höhe zu schrauben. Volkswirtschaftlich gesehen wesentliche Parameter werden dabei bewusst ausgeblendet.

Diese Eigenvorsorge entartet zur Vorsorge für das Finanzkapital, denn dieses verfügt zunächst einmal über Jahrzehnte hinweg über diese Gelder. Wohin das in den letzten Jahren geführt hat, zeigt die Zeitung „Die Welt“ an einem Beispiel: In den letzten 14 Jahren haben sich die Pensionsfondsanteile eines „Vorsorgers“, der monatlich € 50.- eingezahlt hat, also insgesamt € 8400.- , nicht, wie versprochen, verdoppelt, sondern sie sind im Moment € 7200.- wert. (Die Welt, 15.6.2012) In Österreich hat diese „Vorsorge“ den Leistungsbeziehern bei den Betriebspensionen seit 2000 mehr als 50% Verluste gebracht (Kurier, 29.11.2011).

Gleichzeitig wird dem staatlichen Umlagesystem durch die staatliche Förderung der kapitalgedeckten Eigenvorsorge Geld entzogen. Nach dem Motto: Alles für das Finanzkapital, kaum mehr etwas für die Mehrheit der Menschen setzt man auch im Sozialbereich eine Politik fort, welche in dieser Form längst nicht mehr hinzunehmen ist.


Die europäischen Regierungen haben in den letzten Jahren gezeigt, dass sie zu einer Trendwende nicht bereit sind. Und sie haben auch vorgesorgt. Die EU-Battlegroups stehen nicht nur für internationale Kampfeinsätze bereit, sie können seit dem Vertrag von Lissabon auch innerhalb Europas eingesetzt werden, beispielsweise gegen Demonstranten. Sie könnten im Fall von sozialen Unruhen gegen das eigene Volk zum Einsatz gebracht werden. Österreich will ab 1. Juli 2012  wieder einige hundert Soldaten für Einsätze zur Verfügung stellen. Dass eine solche Teilnahme unserer Verfassung und unserem Status als neutrales Land widerspricht, scheint unserer Regierung vollkommen egal zu sein. Auch an diesem Beispiel wird klar, in wessen Interesse diese Regierung agiert.

Erfreulicherweise nimmt der Widerstand gegen diese neoliberale Politik in allen Ländern zu. Immer mehr Menschen erkennen, wohin dieser Weg des Regierens im Interesse des Finanzkapitals führt: zunächst einmal zu destabilisierenden Verhältnissen, zum Abbau von demokratischen Einflussmöglichkeiten, zu griechischen Verhältnissen, in weiterer Folge wohl auch zu spanischen, italienischen, portugiesischen und gesamteuropäischen mit einer nicht mehr zu bewältigenden Staatsverschuldung, einem Kaputtsparen der eigenen Bevölkerung und Wirtschaftsleistung, hoher Arbeitslosigkeit, Verlust der Alters- und Gesundheitssicherung usw.

Sparen ist an sich eine gute Sache. Aber einerseits kommt es darauf an, wo und wie man spart, andererseits ist es für den Zweck des Sparens entscheidend, wo und wie man das Gesparte wieder investiert. So wäre es beispielsweise sinnvoll im Bereich der fossilen Energie gewaltige Sparprogramme zu entwickeln und die dadurch zur Verfügung habenden Mittel in erneuerbare Energien zu investieren. Einerseits würde man dadurch energieautark werden und die Umwelt und die zu Ende gehenden Ressourcen dieser Welt schonen, andererseits könnten Investitionen dieser Art zahlreiche neue und nachhaltige Arbeitsplätze schaffen. Daher Ja zum Sparen, aber nein zum Sparen für die Interessen des Finanzkapitals.

Unsere europäischen Regierungen signalisieren kein entscheidendes Umdenken in der Frage einer nachhaltigen Zukunftspolitik im Interesse der Mehrheit der europäischen Bevölkerung. Im Gegenteil: Ihre neoliberale Politik verschärft die Krise für die Bevölkerungsmehrheit und schafft neue, immer undemokratischere Führungsverhältnisse. Der so gerne zitierte „Kampf um den Euro“ ist für zahlreiche Menschen Europas längst zu einem Kampf um das eigene Überleben geworden.

Wenn die Regierungen nach wie vor alle bereits hinlänglich bekannten Rezepte zur Umverteilung des gesellschaftlichen Vermögens von Oben nach Unten verweigern, wenn sie weiterhin als Vasallen des Finanzkapitals agieren, werden sie nicht nur den Zerfall der Europäischen Union auf dem Gewissen haben, sie werden verantwortlich zu machen sein für all die sozialen und eventuell militärischen Konflikte, die daraus erwachsen können. Denn die wichtigsten Weichenstellungen, die derzeit im politischen und wirtschaftlichen Bereichen innerhalb dieser EU gefällt werden, geschehen nicht im Namen der Mehrheit der Bevölkerung. Die Regierungen werden dafür eines Tages zur Verantwortung gezogen werden.

F.d.I.v.: Mag. Gerhard Kohlmaier, Steuerinitiative im ÖGB, www.steuerini.at, 17.6.2012

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