Wochenkommentar vom 27.5.2012: Lehrer-Dienstrecht: Warum es die Regierung plötzlich so eilig hat Drucken E-Mail

Die Verhandlungen über ein neues Lehrerdienstrecht sind - nach langem Stillstand seitens der Regierung - im vergangenen Monat beschleunigt worden. Dieser Umstand und die bisher in die Öffentlichkeit gedrungenen Informationen lassen nichts Gutes ahnen.

Einerseits ist zu befürchten, dass die Regierung nun schnell vor den Ferien zu einem Abschluss der Verhandlungen kommen will, um einen möglichen Widerstand seitens des Verhandlungspartners bzw. der betroffenen LehrerInnen durch die nahende Ferienzeit abzufedern. Andererseits enthalten die Vorschläge der Regierung (so weit bekannt) in erster Linie Sparmaßnahmen im Bildungsbereich, welche weder für LehrerInnen noch für Eltern und SchülerInnen - und schon gar nicht für eine Standesvertretung (so sie dieser Bezeichnung gerecht werden will) annehmbar sind.

Keine Gewerkschaft kann einer Arbeitszeiterhöhung einer Berufsgruppe zustimmen, welche nachgewiesener Maßen dieselbe Jahresarbeitszeit hat wie andere ArbeitnehmerInnen. Keine Gewerkschaft kann einer Kürzung der Lebensverdienstsumme zustimmen, auch wenn diese noch so geschickt getarnt ist. Sie könnte, aber dann wäre sie wohl keine Standesvertretung mehr!

Wie es derzeit aussieht, sollen sich die jungen LehrerInnen ihre höheren Anfangsgehälter durch drastische Kürzungen im späteren Erwerbsleben nicht nur selbst bezahlen, sie sollen dabei trotz erheblicher Anhebung der Arbeitszeit (Höhere Lehrverpflichtung, Erweiterung der Gratissupplierungen von 10 auf 24 Stunden) auch noch gehörige Gehaltseinbußen - über die lebenslange Erwerbstätigkeit gerechnet - hinnehmen.

Offensichtlich plant die Regierung bereits die Umsetzung des Fiskalpaktes (Fekter u. Co wenden sich ja entschieden gegen ein „Aufschnüren“, aber auch Faymann hält daran fest) und beginnt damit im Bildungsbereich. Gerade in diesem Sektor ist jedoch nicht weniger, sondern entschieden mehr Geld in die Hand zu nehmen, will man eine tragfähige Zukunfts-, Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik in diesem Land erarbeiten bzw. eine echte Bildungsoffensive einleiten. Die Zeichen der Zeit stehen jedoch eindeutig auf Bildungsdefensive, auf Zerschlagung des öffentlichen Bildungswesens, auf Liberalisierung  (Wissen Sie beispielsweise, dass es im Bereich des Stadtschulrates für Wien bereits LehrerInnen als so genannte freie Dienstnehmer gibt, dass man bestimmte Bildungsaufgaben schon ausgelagert hat?) in diesem Bereich.

Es ist zu hoffen, dass die Gewerkschaft das Spiel nicht nur durchschaut, sondern sich in keinem Punkt der Verhandlungen auf Verschlechterungen der Bildungssituation einlässt. Außerdem sollte das Ergebnis der Verhandlungen vor der Zustimmung der Standesvertretung einer Urabstimmung unterzogen werden. Ein Abschluss der Verhandlungen sollte aus diesem Grunde frühestens im Herbst in Erwägung gezogen werden. (Gerhard Kohlmaier)