Woko vom 7.2.2021: Intellexeram, si tacuisses, Prof. Liessmann! Drucken E-Mail

 

Was kann man von einem Philosophen, wenn er zur momentanen Lage des politischen Handelns in unserer Gesellschaft befragt wird, erwarten? Was muss man erwarten?

Zunächst einmal den Versuch einer kritischen Analyse des Geschehens, sodann eine auf Vernunft begründete Argumentation, welche gerade jene Alltagsbereiche des politischen Tuns sowie seine Konsequenzen für die Bürger eines Landes offen legt.

Nichts davon war in der TV-Diskussion vom 7.2. im Rahmen der Sendereihe „Im Zentrum“ vom österreichischen Paradephilosophen Konrad Paul Liessmann vorhanden. Liessmann, den ich bis dato in seiner Rolle als Philosoph durchaus geschätzt habe, trug zur Erhellung des Geschehens so gut wie nichts bei, badete nahezu genüsslich in teils sinnlosem Geschwafel.

Liessmann ortet bei „genügend Anstrengung“ durchaus Verständnis für die Frustration vieler Menschen bezüglich der Regierungsarbeit in Bezug auf die Bekämpfung der Coronaproblematik, allerdings ortete er die „Grenzen des Verstehens“ genau dort, wo sie die Regierung ebenfalls sieht.

Richtig liegt Liessmann bei seinen Ausführungen darüber, dass es in der Wissenschaft „keine Einhelligkeit gibt“, sondern dass wissenschaftliches Arbeiten im Sinne von Kar Popper ein ständiger Versuch von Verifikation und Falsifikation der erarbeiteten Thesen ist, aus „Kontroverse“ sowie aus „Versuch und Irrtum“ besteht und nie absolute Gewissheit mit sich bringt. Aber auch hier konterkariert Liessmann seinen Redeschwall dadurch, dass er meint: „Leider bin ich kein Virologe, sonst könnte ich genau sagen, wie die Dinge sind und was zu tun wäre.“

Nein, das könnte er nicht. Er könnte Vermutungen aufstellen, er könnte argumentieren, aber immer unter Bedacht darauf, dass es auch andere Argumente geben wird, die abzuwägen sind und unter Umständen stärker als seine eigenen sind.

Liessmann stellt des Weiteren, wenig überraschend, fest, dass das Vertrauen der Bürger in die Politik nicht mehr gewährleistet sei. Dann aber dreht er den Spieß um und stellt die wenig sinnvolle Frage, ob nicht auch die Politik das Vertrauen in die Bürger verloren habe. Als ob die Bürger ein solches jemals gehabt hätten, sieht man von der antiken Vorstellung einer Demokratie und des Verhältnisses einiger privilegierter Bürger dazu ab. Politik ist Macht, wie Liessmann selbst weiß, und da spielt das „Vertrauen in die Bürger“, abgesehen vom Wahltag, so gut wie keine Rolle. Wiederum ein Redeschwall ohne irgendeine Aussage mit vernünftigem Gehalt.

Schließlich versteht der Philosoph auch nicht, warum „Diskussionen so wunderbar im Kreis rennen“ und die Frage des Tragens von Masken in der derzeitigen Situation so „hochstilisiert“ werde. Offensichtlich ist ihm die Diskussion der so genannten Experten über die Schutzwirkung diverser Masken entgangen. Vielleicht hat er auch nicht mitbekommen, dass die Regierung selbst es war, die ursprünglich das Tragen von Masken nicht für sinnvoll hielt. Der „spezielle Sinn“ des Tragens von Masken ist für den Philosophen sonnenklar, und das trotz der angedeuteten Divergenzen in Fachbereichen über diese Frage. Also doch ein Virologe, unser Professor?

Der Philosoph der Nation bedauert auch noch den „Flop“ der Corona-App, ohne auch ein kritisches Wort darüber zu verlieren, so als gelte es nicht auch hier abzuwägen zwischen Vor- und Nachteilen einer solchen Technologie.

Zu guter Letzt geht Liessmann auch noch auf das „Handbüchlein der Moral“ von Epiktet ein und hält einen Kurzvortrag über die Macht in der Politik. Wiederum vollkommen unkritisch, weil die Frage, ob und wann die Bürger der Politik folgen, nur auf die Konsistenz politischer Botschaften

zurückgeführt wird. Nein, so dumm sind die Bürger nicht, Herr Professor, zahlreiche andere Faktoren wie Eigennutz, mediale Beeinflussung usw. spielen dabei eine Rolle.

Es ist erschreckend, mit welch geringem Maß an analytischen und kritischen Bewusstsein sich einer der bekanntesten Philosophen des Landes medial präsentiert. Si tacuisses, philosophus mansisses, Prof. Liessmann!