Woko vom 2.12.: Wo bleibt der Aufschrei? Drucken E-Mail

 

Er brauche „mit niemanden etwas abzusprechen“, weil er ja schließlich Landesrat für Integration und als solcher verantwortlich für „Ruhe und Ordnung“ sei. Also ließ der niederösterreichische FPÖ-Politiker Waldhäusl minderjährige Flüchtlinge in einem an die Nazi-Vergangenheit erinnernden Sonderlager in Drasenhofen unterbringen: Ständige Kontrolle durch Wachpersonal, 1 Stunde Ausgang pro Tag unter Bewachung, Zaun, Stacheldraht, Hunde.

Nachdem der Skandal aufgeflogen und die Jugendlichen schnell umquartiert wurden, hatte der als Politiker schon lange Zeit umstrittene FPÖ-ler die mediale Gelegenheit, sein

„Projekt“ zu begründen. Bei den Jugendlichen handle es sich um „notorische Unruhestifter“, welche man mittels Zaun und Stacheldraht vor der Bevölkerung schützen müsse. Solche Maßnahmen zum Schutz der Bewohner halte er, Waldhäusl, für vollkommen normal, denn es gäbe sie in vielen Heimen: „Jeder, der einmal in seiner Jugend in einem Quartier gelebt hat, wenn er in der Schule war oder studiert hat, weiß, dass das ganz normal ist.“

Ich kenne weder Jugend- noch Schüler-bzw. Studentenheime, deren „Sicherheitsvorkehrungen“ mit denen des von Waldhäusl in Drasenhofen praktizierten Sonderlagers vergleichbar wären. Wohl aber erinnern mich solche Maßnahmen an eine verabscheuungswürdige, menschenverachtende Politik der Nationalsozialisten.

Waldhäusls rückwärtsgewandte Gesinnung sorgt nicht zum ersten Mal für Aufregung. Er trat dafür ein, Kinder von Asylwerbern vom Besuch öffentlicher Bildungseinrichtungen auszuschließen, Juden, die koscheres Fleisch essen, einer Registrierungspflicht zu unterziehen, verglich Asylwerber mit Schweinen, bezeichnete Homosexuelle als „Schwuchteln“ und politische Gegner als Triebtäter. Nun erhält er für seine jüngste Aktion auch noch Schützenhilfe von Parteigenossen in höchsten Ämtern des Staates. Verkehrsminister Hofer geht davon aus, dass die Maßnahme „gesetzeskonform“ sei, Innenminister Kickl bemüht einen problematischen Vergleich und verhöhnt die Kritiker seines Parteikollegen, indem er darauf verweist, dass auf dem Land fast jede Liegenschaft einen Zaun habe. Der zu Beginn des Jahres über die Liederbuchaffäre der Burschenschaft Germania, deren stellvertretender Vorsitzender er war, kurzzeitig gestolperte Spitzenkandidat Landbauer, welcher mittlerweile wieder als Klubobmann der Freiheitlichen im niederösterreichischen Landtag sitzt, spricht sogar von einem „Vorzeigeprojekt“ und von Lösungskompetenz der Freiheitlichen, während andere „wegschauten“.

Sollten solche Einrichtungen, wie Verkehrsminister Hofer meint, „gesetzeskonform“ sein, so vermisse ich (auch) seinen Aufschrei, dass diese Gesetze sofort geändert werden müssen. Ein Innenminister, welcher eine menschenverachtende Einrichtung zu verharmlosen bemüht ist, ist in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft ebenso untragbar wie ein Landtagsabgeordneter, welcher dieses Lager als „Vorzeigeprojekt“

bezeichnet.

Der Bürgermeister von Drasenhofen, Reinhard Knüll (ÖVP), fand klare Worte für Waldhäusels Internierungslager und sprach von einer „Schande für Österreich“. Die niederösterreichische Landeshauptfrau Miki-Leitner reagierte nach Bekanntwerden des Skandals wenigstens und ließ die Jugendlichen aus Drasenhofen wegbringen. GRÜNE und NEOS wollen Misstrauensanträge gegen Waldhäusl einbringen.

Wieder einmal zeigt nicht nur ein Politiker, sondern nahezu die gesamte Riege der FPÖ ihr wahres, braunes Gesicht. Doch wo bleibt der Aufschrei des Bundespräsidenten, des Kanzlers und der schwarzen Regierungspartei, der neuen SPÖ-Vorsitzenden Rendi-Wagner, ja, der Mehrheit der Bevölkerung? Haben oder wollen sie vergessen, wohin diese Politik der Diffamierung, der Ausgrenzung, des Hasses und der Stacheldrahtzäune führt?

 

Die von Waldhäusl in Drasenhofen untergebrachten „Problemjugendlichen“ sind vielleicht verhaltensauffällig, sie haben sicherlich Probleme. Wen wundert es, sind sie auf Grund dessen, was sie auf der Flucht aus Kriegsgebieten erlebt haben, vielleicht schwer traumatisiert. Solche Jugendliche brauchen Zuwendung, Therapie, professionelle Betreuung und Hilfestellung, nicht Stacheldraht und Bewachung in Sonderlagern.