Aktuelles Thema vom 21.10.2018: Sie bekommen nie genug. Warum sollten sie auch! Drucken E-Mail

Lohn- und gehaltsabhängige Bürger können sich, insofern sie fleißig und sparsam sind und ihr Einkommen überhaupt die Lebenserhaltungskosten deckt, unter Umständen etwas auf die Seite legen. Reich können sie dadurch nicht werden, dafür sorgen schon die Banken, aber für einen Notgroschen mag es hie und da noch reichen.

Die Vermögenden wurden und werden nie durch Arbeit reich, sondern indem sie andere für sich arbeiten lassen, den durch Lohnarbeit und Warenverkauf erzielten Mehrwert abschöpfen und diesen im Regelfall in Finanzprodukte und Finanzspekulationen investieren. Nicht sie arbeiten, sondern nach den Lohnsklaven soll nun das Geld selbst für sie arbeiten und sich vermehren. Verspekulieren sie sich bei ihren Finanzmanövern, dann werden nicht selten die Steuerzahler - im Wesentlichen also noch einmal die Lohnabhängigen, denn der Fiskus schont die Vermögenden - zur Kasse gebeten, um die ärgsten Verluste zu verhindern.

Die Finanzkrise und deren Folgen stehen beispielhaft für diese von den Regierungen unterstützten Machenschaften. Der HYPO-Skandal ist ein weiteres Beispiel für diese Praxis.

Aber den Vermögenden reicht diese Bereicherungsstrategie nicht. Die von der etablierten Politik direkt und indirekt bereitgestellten Schenkungen ans Kapital, die Steuersenkungen und Steuerbefreiungen, Stiftungskonstruktionen, Steueroasen u.v.a.m. sind ihnen zu wenig. Laut einer IWF-Studie wurden die Steuern für Reiche in den OECF-Staaten seit 1981 von 62% auf 35% gesenkt. In Österreich unternimmt die neue Regierung Kurz große Anstrengungen, um diesen Trend nach unten fortzusetzen. Trotzdem scheint die Gier der ohnedies überproportional Begünstigten kein Ende zu nehmen. Sie sind ständig auf der Suche nach neuen Steuerschlupflöchern, nach neuen Möglichkeiten, um diese Gier zu befriedigen.

Der jüngst aufgedeckte Skandal dieser Bereicherungsstrategie wird mitunter als „Coup des Jahrhunderts“ bezeichnet. Es handelt sich dabei nach Ansicht des Mannheimer Universitätsprofessors Christoph Spengel um „den größten Steuerraub in der Geschichte Europas“, bei welchem zwischen 2001 und 2016  Steuergelder in der Höhe von 55 Milliarden Euro zu Unrecht eingeheimst wurden.

Die so genannten Cum-Cum- und Cum-Ex-Geschäfte haben es dabei wahrlich in sich. Es handelt sich dabei um Machenschaften von Spekulanten, um an das von ehrlichen Bürgern eingezahlte Steuergeld zu kommen und dieses zu plündern. Wie gesagt, über 15 Jahre hindurch eine erfolgreich angewandte Strategie. Im Wesentlichen wurde dabei die bereits bezahlten KESZ mehrfach rückerstattet.

Im Sommer 2017 wurde dieser Steuerbetrug von Aktienhändlern, Banken, Steuerberatern und Anlegern von einem Reporterteam erstmals aufgedeckt, während die politischen Finanzexperten in den Ländern offensichtlich eineinhalb Jahrzehnte entweder in der Pendeluhr geschlafen haben oder die Machenschaften gewähren ließen. Nun wurde das wahre Schadensausmaß wiederum durch ein Konsortium von Journalisten aus 12 Ländern aufgedeckt.

Die Plattform „abbendum“ und das Magazin „News“ berichten, dass Österreich bedeutend stärker von diesen Betrügereien betroffen ist als bisher an die Öffentlichkeit gedrungen ist. Schätzungsweise dürfte der österreichische Fiskus bis 2014 zwischen 50 und 100 Millionen Euro jährlich an die Betrüger ungerechtfertigter Weise ausbezahlt haben. Rechnete man die vermutete Summe über den Betrugszeitraum hoch, dann käme man auf ein Schadensausmaß zwischen 700 Millionen und 1,4 Milliarden Euro. Keine Peanuts, möchte man glauben, vor allem in Zeiten von Sozialabbau.

Laut dem Rechnungshof hat es Österreich über Jahre hinweg verabsäumt, dem Treiben durch eine bessere Kontrolle Einhalt zu gebieten. Seit 2007 bemängelt er die unzureichende Personalausstattung der Finanzbehörden. Nun stellt sich zudem heraus, dass kaum Unterlagen über diese betrügerische Rückerstattung von KEST-Geldern vorliegen.

Doch das österreichische Finanzministerium gibt bekannt, dass bisher kein Schaden eingetreten sei und Finanzminister Lager beteuert in einer parlamentarischen Anfrage am 20.9.2018, dass über 38 Millionen an ungerechtfertigten Auszahlungen verhindert werden konnten.

Wir werden wohl nie erfahren, wie groß der Schaden in Österreich wirklich ist, denn im Unterschied zu Deutschland, wo derzeit mehrere Gerichtsverfahren in der Causa anhängig sind, spricht man in Österreich vom „Stoppen“ ungerechtfertigter Zahlungen. Gerichtsverfahren, um tatsächlich Licht ins Dunkel zu bringen und das wahre Schadensausmaß zu ermitteln und die Betrüger gemäß der Gesetzeslage aus dem Verkehr zu ziehen, sind in Österreich derzeit offenbar nicht anhängig. Auch von einem Untersuchungsausschuss zur Angelegenheit ist derzeit keine Rede. Offensichtlich behandelt man hierzulande Steuerbetrug ab einem gewissen Ausmaß auf höchster Ebene immer noch als eine Art Kavaliersdelikt. Gemäß der Devise: Die Kleinen sind zu scheren, bei den Großen lässt man den Wildwuchs weiterhin wuchern.

 

Kein Wunder, dass sie nicht genug bekommen. 21.10. 2018