Woko vom 12.6.: Nur der maximale Gewinn zählt Drucken E-Mail

 

Nur der maximale Gewinn zählt!

 

Diese Werthaltung ist der nunmehr offen ausgesprochene Grundsatz in der Debatte um die unbezahlte Ausweitung der Arbeitszeit. Die Unternehmen und ihre Politiker begründen ihre Forderung nicht mehr mit einer existenziellen wirtschaftlichen Notwendigkeit, sondern das zentrale Argument ist das maximale Gewinnstreben. Wenn die Lohnsumme nicht auf ein in anderen Ländern mögliches niedrigeres Niveau gesenkt wird, dann drohen die Konzerne mit der Auswanderung dorthin. Damit erklären sie den ArbeitnehmerInnen und ihren Familien, den Regionen und den betroffenen Staaten den offenen Wirtschaftskrieg.

Hiermit entsteht in der Wirtschaftspolitik eine Situation, deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Nach der Frage der Steuerbelastung stellen sich die Konzerne auch auf dem Gebiet der Entlohnung gegen die gesamte Volkswirtschaft und damit gegen alle StaatsbürgerInnen. Denn die sinkenden Löhne ziehen auch sinkende Steuern und Abgaben an den Sozialstaat nach sich. Hingegen ist die Versteuerung der steigenden Gewinne kein großes Problem. Dafür haben die Steuerreformen der neoliberalen Politiker gesorgt und notfalls wird der Konzerngewinn global verschoben. Im Klartext lautet die Kampfansage: Wenn die Volkswirtschaften nicht einer Umverteilung von der Bevölkerung zu den Konzernen durch sinkende Steuern und Löhne zustimmen, verlassen diese das Land. Noch kürzer formuliert lautet die Erpressung: Weniger Lohn oder die Arbeitslosigkeit für die Menschen, weniger Steuern oder kompletter Steuerverlust für den Staat!

 

Aus taktischen Gründen ertönt ein mehrstimmiger neoliberaler Chor. Die grellsten Stimmen fordern eine unbezahlte Ausweitung der Arbeitszeit, eine Kürzung des Urlaubsanspruchs, die Streichung von Feiertagen. Dann erklingen beruhigende Stimmen. Sie werben „nur“ für flexiblere Regeln der Arbeitszeit. Doch solche Regelungen bedeuten ebenfalls eine Kürzung der Lohnsumme. Die freundlichsten Stimmen treten auch für einen Solidarbeitrag der Spitzenmanager ein. Man hört den Chef von Daimler-Chrysler förmlich lachen. Er hat im Rahmen des von ihm durchgesetzten Zusammenschlusses der beiden Konzerne seine Bezüge verdreifacht, und verzichtet nun auf 10 Prozent davon. So gewinnbringend kann Solidarität mit den „Verlierern“ sein!

 

Betrachten wir nun die volkswirtschaftlichen Tatsachen: Deutschland ist Exportweltmeister und beweist damit seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch seine hohe Produktivität und konkurrenzfähigen Lohnstückkosten (Das sind die Lohnkosten pro erzeugtem Wirtschaftsgut). Auch Österreich verbessert sich bei diesen beiden wirtschaftlichen Kennziffern gegenüber den wichtigsten Handelspartnern. Allein die Lohnstückkosten sind in diesem Vergleich seit 1997 um 10 Prozent gesunken. In beiden Ländern verzeichnen die Konzerne zweistellige Zuwachsraten bei den Gewinnen. Das Bruttoinlandsprodukt ist nicht nur höher als in Zeiten als höhere Löhne noch leistbar erschienen, es steigt schon wieder an. Die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich nicht verschlechtert. Vielmehr haben sich die wirtschaftspolitischen Bedingungen durch den Einfluss der Politik geändert. Die „neoliberalen Weiterentwickler“ in der EU haben dafür gesorgt, dass die so genannten „vier Freiheiten“ auch in der erweiterten EU-25 kaum eingeschränkt sind: Die nahezu vollständige Freiheit des Kapital-, Waren- und Dienstleistungsverkehrs sowie die Freiheit der persönlichen Niederlassung ist die politische erzeugte Grundlage für die Übermacht der Konzerne. Und mit Hilfe von Deregulation, Flexibilisierung und Privatisierung wird diese Machtposition ständig erweitert. Möglichst große Freiheit (verstanden als  Fehlen von einschränkenden Regeln) für BürgerInnen (in ihrer Rolle als ArbeitnehmerInnen) und Konzerne bedeutet in Wahrheit wirtschaftliche Unfreiheit für die BürgerInnen. Denn das Fehlen von schützenden Regelungen nützt immer den Stärkeren. Aus der Freiheit der Wahl wird der wirtschaftliche Zwang. Lohnverlust oder Abwanderung? - Der Konzern bietet eine Wahl in Freiheit an. Und die ArbeitnehmerInnen können sich in Freiheit nur dem wirtschaftlichen Zwang beugen. Steuersenkung oder Abwanderung? -  Der Konzern bietet auch dem Sozialstaat die Wahl in Freiheit an. Und der Staat beugt sich in freier Wahl dem wirtschaftlichen Zwang.

Natürlich kann es Situationen geben, in denen auch die Senkung der Lohnkosten eine Firma vor dem Konkurs retten kann. Doch in der momentanen Debatte um die Senkung von Löhnen geht es nicht darum. Die Konzerne reden in bemerkenswerter Offenheit von einer Senkung der Lohnkosten in einer Höhe um die 30 Prozent – um an das tiefere Niveau anderer, noch nicht so hoch entwickelter Länder anzuschließen. In einem Europa, in dem die Schutzregeln für die BürgerInnen dereguliert und flexibilisiert sind, spielen die Konzerne die ArbeitnehmerInnen und Staaten gegeneinander aus und hinterlassen einen Kahlschlag an Löhnen und Steuern. Die Gewinne werden volkswirtschaftlich mitgezählt und halten so als Beweis für den Erfolg der wirtschaftlichen Vernunft her. Aber davon hat die Masse der StaatsbürgerInnen kaum etwas: Die Gewinne landen auf den Konten einer Minderheit irgendwo im globalen Raum. Natürlich kann in einer hoch entwickelten Volkswirtschaft nicht jede Form der Produktion im globalen Maßstab konkurrenzfähig sein. Aber umso wichtiger sind ausreichende Steuerzahlungen der hochprofitablen Konzerne, um mit diesem Geld den gesellschaftlichen Umbau in Richtung hochwertigere Produktion und Qualifizierung der Arbeitskräfte zu bewerkstelligen. Wenn nur mehr der maximale Gewinn zählt, bedeutet das eine volkswirtschaftliche Kriegserklärung der Konzerne an die Gesellschaft. Mit Hilfe der guten Infrastruktur, der qualifizierten Arbeitskräfte und des aufnahmefähigen Binnenmarktes der Staaten sind die Konzerne groß geworden. Nun wollen sie sich unter Mitnahme ihrer Gewinne in die weite Welt verabschieden. Die Sozialstaaten müssen daher zu ihrem Schutz wieder jene Regeln politisch einführen, die in den vergangenen Jahrzehnten unseren politischen Aufstieg ermöglicht haben.


Ungefähr ein Drittel des weltweiten Geldvermögens wird im Ausland verwaltet, jenseits des Zugriffs der Finanzämter. Etwa die Hälfte des Welthandels wird über Steueroasen abgewickelt. Der weitaus größte Teil des Finanzkapitals dient der Spekulation und nicht der Produktion.

 

Daher muss

erstens der Steueranteil der großen Unternehmen (Wertschöpfungsabgabe!) und ihrer Aktionäre wieder angehoben werden. Das Wohnsitzprinzip (Besteuerung eines Konzerns an seinem Hauptsitz) muss in der EU eingeführt werden. Das so genannte Bankgeheimnis muss in der EU so abgeändert werden, dass alle Einkommensarten dem Finanzamt automatisch gemeldet werden.

Zweitens müssen die Konzerne zu ihrer volkswirtschaftlichen Pflicht angehalten werden, indem sie gesetzlich dazu verpflichtet werden , einen entsprechenden Teil ihrer Gewinne im Land  (in der EU) zu investieren.

Drittens müssen die Steueroasen geschlossen werden und die grenzüberschreitende Gewinnverschiebung der Konzerne muss gesetzlich verhindert werden.

Um das Finanzkapital vermehrt in die Produktion zu lenken, muss viertens die Tobinsteuer eingeführt werden.

Auf Dauer kann kein Konzern auf die EU als Produktions- und Verkaufsstandort verzichten. Daher haben wir die politische Macht die Konzerne zur volkswirtschaftlichen Vernunft zu zwingen. Wenn die verantwortlichen Politiker nicht endlich konsequent handeln, müssen sie durch Volksabstimmungen dazu gebracht werden.

 

 

F.d.I.v.: Steuerinitiative im ÖGB, Hans und Gerhard Kohlmaier, 6.9.2004