Wochenkommentar vom 5.5.2013: Das Problem der schrumpfenden Dörfer Drucken E-Mail

 

Schrumpfende Dörfer sind sterbende Dörfer. Sie - und damit deren Bewohner -  sterben nicht an der Pest, wie anno dazumal, sie sterben am regionalen Ausverkauf an Großkonzerne und an der Dummheit ihrer regionalen Gemeinde- und Stadträte, ihrer Bürgermeister, welche diesen ermöglichen. Aber nein, keine falschen Anschuldigungen, nicht nur deren Dummheit ist schuld daran, wohl auch deren Geschäftssinn für die eigenen Interessen, aber auch deren Unkenntnis der wirklichen Zusammenhänge, was angesichts des Informationsstatus so mancher Volksvertreter nicht als Dummheit, sondern eher als Fahrlässigkeit bezeichnet werden muss.

Schrumpfende Dörfer beginnen nicht mit der vielbesagten Großstadtflucht auf Grund des Mangels an Arbeitsplätzen. Diese Flucht ist vielmehr ein Resultat einer verheerenden Regional- und Lokalpolitik, welche zuerst mithilft, die Arbeitsplätze sowie die lokalen Strukturen zu vernichten, und dann die Abwanderung der Bevölkerung in Ballungsräume als Katastrophe darstellt. Wobei sich die Katastrophe aus ihrer Sicht meistens in Grenzen hält, denn die Lokalpolitiker verstehen in erster Linie darunter nicht die Abwanderung an sich, sondern einzig und allein den Rückgang von Gemeinde- bzw. Wahlbürgern. Denn von letzteren hängt schließlich nicht nur deren Funktion ab, sondern auch deren Einkünfte.

Aber auch das lässt sich ausbügeln. Schließlich gibt es ja auch Förderungen des Landes, des Bundes, der EU, und da wird sich doch das eine oder andere förderungswürdige Projekt finden, welches die Gemeindekassen wieder zu füllen vermag. Oder - um den schrumpfenden Wählerstimmenstrom zu stopfen, erlässt man - wie im Falle Niederösterreich - einfach ein Gesetz, dass auch Zweitwohnbesitzer wahlberechtigt sind. Die Wiener also, die Städter, die Ballungsraumbewohner,  ersetzen die Einheimischen bei der Wahl ihrer Totengräber. Ziemlich erfolgreich, wie sich in der jüngsten Vergangenheit gezeigt hat. Schließlich ist einem Durchschnittswiener die Infrastruktur im Waldviertel beispielsweise so was von Wurst. Vor allem dann, wenn auf Grund des Ausverkaufs der Region der Preis für Immobilien sowie in der Gastronomie „im Keller“ ist. Wer auf der Strecke bleibt, sind in erster Linie, die im ländlichen Raum Verbleibenden, die „Einheimischen“, sowie die Pendler, deren Lebensbedingungen sich durch diese Politik drastisch verschlechtern.

Schrumpfende Dörfer sind das Resultat einer Regionalpolitik, welche sich von den Interessen der Region und der dort ansässigen Bevölkerung längst entfernt hat und sich dem Diktat einer internationalen Finanz- und Geschäftspolitik unterordnet, welche zur Durchsetzung ihrer Interessen weder Regionen noch Menschen ernst nimmt.

Schrumpfende Dörfer sind das Resultat des Eingeständnisses einer einfallslosen, vielfach korrupten Kommunalpolitik im Interesse von großen Konzernen. Ihr Schrumpfen beginnt gemeinhin mit der Umwidmung von landwirtschaftlichen Flächen in Industriegebiete durch die Gemeinderäte am Rande der Dörfer und Kleinstädte. Der nächste Schritt ist der Bau von Einkaufszentren und Filialen von Großkonzernen eben auf diesen umgewidmeten Flächen. Um dies durchzusetzen versprechen die Lokalpolitiker den Bürgern vermehrtes Wachstum in der Gemeinde, mehr Arbeitsplätze u.a.m. Ihr Versprechen entpuppt sich im Nachhinein als Regionalkatastrophe.

Schrumpfende Dörfer sind Geisterdörfer. Es sind Dörfer und Kleinstädte, wo Sie an jedem zweiten Geschäftslokal „Zu vermieten“ oder „Zu verkaufen“ lesen können. Es sind die Dörfer ohne Bäcker, ohne Fleischhauer, ohne Post, ohne Lebensmittelgeschäft, ohne Nahversorgung. Es sind tote Dörfer, welche ihr Scheinleben nur mehr durch die den Zustand verursachten Totengräber selbst eingehaucht bekommen, indem diese selbst noch den Leichenzug als Feier zu improvisieren wissen, am besten als Parteifest.

Schrumpfende Dörfer sind eine Gesundheitsgefahr. Ihr Schrumpfen liefert die Menschen zusehends den Interessen der großen Konzerne aus, deren Verständnis von Lebensmitteln, von Konsum, von Leben schlechthin. Das macht krank, viel mehr noch als Pferdefleisch, welches als Rindfleisch ausgegeben wird, und nach Ausbruch der verschiedensten Krankheiten finden sie Hilfe nicht mehr in den bisher vertrauten und bewährten Strukturen der Familie, der Ortsgemeinschaft, der Nachbarschaft, sondern wiederum nur bei jenen institutionalisierten Großversorgern im Interesse der Ärztekammer und Pharmaindustrie, die man zu Recht Krankenhäuser nennt, denn sie machen heute mehr krank als gesund.

Schrumpfende Dörfer muss es jedoch nicht geben. Ganz im Gegenteil - wachsende Dörfer sind möglich, sie sind das politische Ziel einer Gesellschaft, die Politik im Interesse der Menschen und deren Lebensbedingungen sowie Lebensqualität betreibt.

Wachsende Dörfer brauchen Regionalvertreter, die bereit sind, die durchaus bestehenden Probleme einer von einer umfassenden Globalisierung beherrschten Welt gemeinsam mit der einheimischen Bevölkerung zu lösen, d.h. Regionalvertreter, welche nicht als Parteivasallen fungieren, sondern als Vertreter der Bevölkerung. Sie sind weniger an ihrem Programm, welches traditionell ein nichtssagendes Parteiprogramm ist, zu messen, sondern an ihrem persönlichen Einsatz für einen Wandel, dessen Verwirklichung sie zusammen mit möglichst allen BürgerInnen glaubhaft vermitteln. Die BürgerInnen der Dörfer sind es sodann, welche die Umsetzung der Vorschläge an ihre Vertreter delegieren,  nicht ein Parteiprogramm oder Interessen von Großkonzernen.

Wachsende Dörfer benötigen Innovationen im Bereich der Energieautarkie, der Lebensmittel- und Nahversorgung, der Verkehrsinfrastruktur, der Organisation von Alten- und Pflegebetreuung und schließlich eines anderen Begriffs von Wirtschaft, welchen es gilt in die Tat umzusetzen. Die Rückbesinnung auf die zahlreichen Vorteile von Klein- und Mittelbetrieben sowie deren Unterstützung muss im Vordergrund der politischen Aktivitäten stehen und nicht der Lobbyismus im Interesse der Großkonzerne.

Wachsende Dörfer sind möglich, wenn ein längst fälliges Umdenken nicht vor den Türen von Kommunalpolitikern Halt macht. (Gerhard Kohlmaier)

Im Zusammenhang mit dem Thema erlaube ich mir, Sie zur Veranstaltung „Das Problem der schrumpfenden Dörfer“, am 16. Mai um 18 Uhr im Restaurant „Zum Hagenthaler“, Wallgasse 32, 1060 Wien, herzlich einzuladen. Prof. Dkfm. Dr. Hannes Bauer und Rosemarie Dietz referieren am 16,5.2013 im Rahmen des Wiener Solarstammtisches ,  Mag. Gerhard Kohlmaier von der "Steuerini" moderiert.


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